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Richtlinien für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltsseelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes Rheinland-Pfalz

AV d. JM vom 20. November 1975 (2412-5-8/75)

(ABl. 1976 S. 19)

Mit Zustimmung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Erzdiözese Köln, der Diözese Limburg, der Diözese Mainz, der Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz, der Diözese Speyer und der Diözese Trier wird für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltsseelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes Rheinland-Pfalz folgendes bestimmt:
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1.

Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten des Landes Rheinland-Pfalz bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge. Sie wird von Anstaltsseelsorgern ausgeübt.
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2.

( 1 ) Die Aufsicht über die Anstaltsseelsorger in seelsorgerlichen Angelegenheiten übt die zuständige Kirche aus. Im Rahmen dieser Aufsicht ist die Kirche berechtigt, bei ihren Anstaltsseelsorgern Visitationen vornehmen zu lassen.
( 2 ) Im Übrigen bleiben die Vorschriften über die Dienstaufsicht bei den Justizvollzugsanstalten unberührt. Das Ministerium der Justiz benachrichtigt die betreffende Kirche, wenn gegen einen Anstaltsseelsorger ein förmliches Dienstordnungsverfahren eingeleitet wird oder der Erlass einer Dienstordnungsverfügung beabsichtigt ist.
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3.

( 1 ) Der Anstaltsseelsorger arbeitet mit den anderen im Vollzug Tätigen zusammen und wirkt daran mit, das Vollzugsziel zu erreichen.
( 2 ) Der Dienst der Anstaltsseelsorger umfasst im wesentlichen folgende Aufgaben:
    1. regelmäßige Gottesdienste an Sonntagen und kirchlichen Feiertagen,
    2. Abnahme der Beichte und Spendung der Sakramente,
    3. Vornahme von Kasualien;
    1. Einzelseelsorge einschließlich der Zellenbesuche und Aussprache mit den Gefangenen,
    2. Krankenseelsorge,
    3. Fühlungnahme mit den Kirchengemeinden der Gefangenen und deren Angehörigen;
    1. religiöse Unterweisung und sonstige Hilfen zur Persönlichkeitsbildung,
    2. Beratung bei der Anschaffung von Büchern für die Gefangenenbücherei und Mitwirkung bei der Anschaffung religiöser Bücher und Schriften;
  1. Überwachung von Besuchen aus besonderem seelsorglichem Anlass, soweit nicht der Anstaltsleiter aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung widerspricht;
  2. Teilnahme an den Dienstbesprechungen und Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung und der Durchführung des Vollzugsplanes;
    1. Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Anstaltsbediensteten,
    2. Bereitschaft zur Seelsorge an Mitarbeitern des Strafvollzugs;
  3. Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche.
( 3 ) Der Anstaltsseelsorger kann mit Zustimmung des Anstaltsleiters freiwillige Helfer und mithelfende Gruppen zur Unterstützung seiner Arbeit heranziehen.
( 4 ) Äußerungen in Gnadensachen und in Verfahren nach § 57 StGB sowie Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung kann der Anstaltsseelsorger in Einzelfällen ablehnen.
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4.

( 1 ) Für den Dienst des Anstaltsseelsorgers (Nr. 3) gelten die Gottesdienstordnungen, Agenden, Ordnungen und Bestimmungen der für den Anstaltsseelsorger zuständigen Kirche.
( 2 ) Die Justizverwaltung schafft die zur Dienstausübung der Anstaltsseelsorge nötigen organisatorischen Voraussetzungen. Dazu gehören im Rahmen der geltenden Bestimmungen und gegebenen Möglichkeiten:
  1. Mitteilung der Personalien der zu- und abgehenden Gefangenen und Einsicht in die Personalakten der Gefangenen ihres Bekenntnisses;
  2. Zugang zu den Gefangenen;
  3. Ermöglichung des Kontaktes zwischen Gefangenen und Anstaltsseelsorgern, von Seelsorge-Gesprächen sowie von Besuchen im Dienstzimmer des Anstaltsseelsorgers;
  4. unverzügliche Information bei besonderen Vorkommnissen (zum Beispiel Erkrankungen, Suizid-Versuchen, Todesfällen);
  5. Berücksichtigung der Gottesdienste im Veranstaltungsprogramm der Anstalt sowie Zulassung der Gefangenen zur Teilnahme an Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen des Anstaltsseelsorgers;
  6. Zuteilung geeigneter Räume für die Veranstaltungen der Anstaltsseelsorger;
  7. Bereitstellung eines geeigneten Dienstzimmers;
  8. ungehinderte Führung telefonischer Dienstgespräche;
  9. Erledigung der Schreib- und Verwaltungsarbeit des Anstaltsseelsorgers durch die Verwaltung;
  10. Zuteilung von Helfern aus den Reihen der Gefangenen;
  11. Bereitstellung ausreichender Mittel zur Deckung des angemessenen Sachbedarfs.
( 3 ) Bei Planung, Gestaltung und Einrichtung von Gottesdiensträumen in einer Justizvollzugsanstalt sind die zuständigen kirchlichen Behörden zu hören.
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5.

Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis der Anstaltsseelsorger ist zu achten.
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6.

Beschwerden über einen Anstaltsseelsorger sind unverzüglich der zuständigen Kirche mitzuteilen.
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7.

( 1 ) Im Interesse der einheitlichen Ausrichtung des Dienstes und des Erfahrungsaustausches der Anstaltsseelsorger werden im Einvernehmen zwischen den Kirchen und dem Ministerium der Justiz Konferenzen der Anstaltsseelsorger durchgeführt. Daran nehmen Vertreter des Ministeriums der Justiz und der Kirchenleitungen teil.
( 2 ) Zur Teilnahme an Konferenzen, die der Anstaltsseelsorge dienen, und zur Fortbildung soll den Anstaltsseelsorgern Dienstbefreiung erteilt werden.
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8.

Die Vertretung der Anstaltsseelsorger in Urlaubs- und Krankheitsfällen regelt die zuständige kirchliche Behörde im Benehmen mit dem Anstaltsleiter.
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9.

( 1 ) Die hauptamtlichen Anstaltsseelsorger setzen im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für den öffentlichen Dienst ihre Dienstzeit im Benehmen mit dem Anstaltsleiter fest.
( 2 ) Die nebenamtlichen Anstaltsseelsorger setzen ihre Dienstzeit im Benehmen mit dem Anstaltsleiter fest.
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10.

Für die Seelsorge im Vollzug der Untersuchungshaft gelten die besonderen Vorschriften.
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11.

Ergänzend zu dieser Dienstordnung sind die allgemeinen Dienstanweisungen, die in den Kirchen für alle Seelsorger gelten, für die Anstaltsgeistlichen entsprechend anzuwenden.
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12.

Bei Schwierigkeiten in der Anwendung oder Auslegung dieser Richtlinien werden sich das Ministerium der Justiz und die Kirchen unverzüglich informieren und versuchen, diese Schwierigkeiten einvernehmlich zu beseitigen.
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13.

Zu Änderungen dieser Richtlinien wird das Ministerium der Justiz die Zustimmung der Kirchen einholen.
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14.

Diese Richtlinien treten mit Wirkung vom 1. Dezember 1975 in Kraft.