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Rechtsverordnung zur Beschaffung von Waren und Dienstleistungen (BeschaffVO)

Vom 13. September 2018

(ABl. 2018 S. 274), berichtigt am 30. August 2019 (ABl. 2019 S. 259)

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat aufgrund von § 30 Satz 2 der Kirchlichen Haushaltsordnung1# vom 26. November 2015 (ABl. 2015 S. 389) folgende Rechtsverordnung beschlossen:
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Abschnitt 1
Allgemeine Vorschriften

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§ 1
Anwendungsbereich

( 1 ) Die folgenden Regeln gelten für die Beschaffung von Waren und Dienstleistung kirchlicher Körperschaften im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
( 2 ) Sie gelten insbesondere für den Abschluss von
  1. Kaufverträgen,
  2. Dienstleistungsverträgen, mit Ausnahme von Arbeitsverträgen,
  3. Mietverträgen über Gegenstände,
  4. Leasingverträgen und
  5. Werkverträgen.
( 3 ) Sie finden keine Anwendung auf die Vergabe von Aufträgen
  1. für Lieferungen und Leistungen, die unter die Geltung der Rechtsverordnung zur Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen fallen,
  2. über freiberufliche Leistungen,
  3. über geistige Leistungen. Geistige Leistungen sind Leistungen, die nicht zwingend zum gleichen Ergebnis führen, weil ihr wesentlicher Inhalt in der Lösung einer Aufgabenstellung durch Erbringung geistiger Arbeit besteht (zum Beispiel: Planung, Beratung, Erstellung von Gutachten und Konzepten, künstlerische Leistungen),
  4. Finanzdienstleistungen.
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§ 2
Vergabegrundsätze

( 1 ) Im Interesse einer sparsamen, wirtschaftlichen und nachhaltigen Verwendung der Haushaltsmittel sind Leistungen im Regelfall nur nach Wettbewerbsverfahren zu vergeben. Eine Vergabe darf nur erfolgen, wenn dies der Erfüllung kirchlicher Aufgaben dient, der Bedarf als notwendig anerkannt ist und die Vorschriften der Kirchlichen Haushaltsordnung eingehalten werden.
( 2 ) Wettbewerbsbeschränkenden und -widrigen Handlungsweisen ist aktiv entgegenzuwirken (Wettbewerbsgrundsatz).
( 3 ) Bei der Vergabe ist auf ein transparentes Vergabeverfahren (Transparenzgrundsatz) unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes abzustellen.
( 4 ) Bei der Vergabe sind wirtschaftliche Kriterien zu berücksichtigen (Wirtschaftlichkeitsgrundsatz). Es ist darauf zu achten, dass
  1. die Vergabe nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu angemessenen Preisen erfolgt,
  2. die Ausführung fachgerecht und funktional erfolgt sowie eine umfassende Haftung für Mängelansprüche besteht,
  3. der sachgerechte, insbesondere wirtschaftliche Einsatz der den kirchlichen Körperschaften jeweils zur Verfügung stehenden Mittel auch unter Berücksichtigung etwaiger Folgekosten (Mieten, Wartung, Betriebskosten) gewährleistet ist.
( 5 ) Bei der Vergabe sind ökonomische, ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen (Nachhaltigkeitsgrundsatz). Es ist darauf zu achten, dass
  1. Menschenrechte und Kernarbeitsnormen der International Labour Organisation auch in der Zulieferkette gewährleistet werden,
  2. beim Vertragspartner verantwortungsvolle Arbeitsbedingungen im Sinne der Coporate Social Responsibility vorhanden sind,
  3. Produkte fair gehandelt wurden,
  4. der Umweltverbrauch von Produkten bei Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung möglichst gering ist,
  5. die Produkte gentechnisch unverändert sind,
  6. Lebensmittel saisonal, regional sind und möglichst aus biologischer Herstellung stammen,
  7. Die Produkte sicherheitsgerecht und gesundheitlich unbedenklich sind.
Dies soll mit entsprechenden Umwelt- und Sozialsiegeln einer unabhängigen Organisation oder durch Selbstverpflichtungserklärungen der Zulieferer nachgewiesen werden.
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§ 3
Anwendung der Vergabearten

( 1 ) Bei Öffentlicher Ausschreibung werden Leistungen im vorgeschriebenen Verfahren nach öffentlicher Aufforderung einer unbeschränkten Zahl von Unternehmen zur Einreichung von Angeboten vergeben. Bei Beschränkter Ausschreibung werden Leistungen im vorgeschriebenen Verfahren nach Aufforderung einer beschränkten Zahl von Unternehmen zur Einreichung von Angeboten vergeben, gegebenenfalls nach öffentlicher Aufforderung, Teilnahmeanträge zu stellen (Beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb). Bei Freihändiger Vergabe werden Leistungen ohne ein förmliches Verfahren vergeben.
( 2 ) Eine Öffentliche, ggf. europaweite Ausschreibung hat zu erfolgen, wenn und soweit Förderbestimmungen Dritter zur Gewährung von Zuschüssen dies fordern.
( 3 ) Eine Beschränkte Ausschreibung ist grundsätzlich anzustreben. Wenn das Volumen des Einzelauftrages mehr als 5.000 Euro beträgt, sind in der Regel mindestens fünf Unternehmen, im begründeten Ausnahmefall jedoch mindestens drei Unternehmen, zur Angebotsabgabe aufzufordern. Wenn das Volumen des Einzelauftrages mehr als 100.000 Euro beträgt, hat der Beschränkten Ausschreibung ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb vorauszugehen.
( 4 ) Die Freihändige Vergabe ist zulässig, wenn der Wert des Einzelauftrages 5.000 Euro nicht übersteigt und in der Regel drei Angebote geeigneter Unternehmen vorliegen. Darüber hinaus ist eine Freihändige Vergabe ausnahmsweise bei einem Wert des Einzelauftrages bis zu 20.000 Euro zulässig, wenn
  1. für die Leistung aus besonderen Gründen nur sehr wenige Unternehmen in Betracht kommen (z. B. Patentschutz, besondere Erfahrung oder besondere Einrichtungen oder Geräte für bestimmte Ausführungsarten),
  2. die Leistung besonders dringlich ist,
  3. die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe (d. h. zu Beginn des Vergabeverfahrens) nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können,
  4. eine Leistung von einer bereits vergebenen Leistung nicht ohne Nachteil getrennt werden kann oder
  5. nach Aufhebung einer Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung eine erneute Ausschreibung kein annehmbares Ergebnis verspricht.
Unabhängig vom Auftragswert kann für Ersatzbeschaffungen eine Freihändige Vergabe erfolgen, wenn diese wegen Gefahr in Verzug besonders dringlich sind, um hierdurch erheblichen Schaden zu vermeiden.
( 5 ) Die Direktvergabe (Auftrag ohne Gegenangebot) an kirchliche oder gemeinnützige Einrichtungen ist unabhängig vom Auftragsvolumen zulässig. Im Übrigen kann sie nur bis zu einem Wert des Einzelauftrages von 500 Euro erfolgen.
( 6 ) Die Berechnung des nach den Absätzen 2 bis 5 maßgeblichen Auftragsvolumens ergibt sich aus der gesamten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer. Wird ein Auftrag über mehrere Jahre vergeben, berechnet sich die Auftragssumme über die Addition der Kosten der gesamten Laufzeit.
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§ 4
Unternehmen

( 1 ) Vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe sind die Eignung der Unternehmen sowie deren Bereitschaft zur Erfüllung des Auftrags zu prüfen. Dabei sind die Unternehmen auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendige Sicherheit bietet; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende personelle, technische und wirtschaftliche Mittel verfügen.
( 2 ) Von den Bewerbern können zum Nachweis ihrer Eignung (Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit) Angaben und Unterlagen verlangt werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind.
( 3 ) Unternehmen können ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit infrage stellt.
( 4 ) Unternehmen sind auszuschließen,
  1. über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung beantragt oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde,
  2. die sich in Liquidation befinden,
  3. die ihre Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht ordnungsgemäß erfüllt haben,
  4. die im Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit abgegeben haben,
  5. die sich erkennbar kirchenfeindlich verhalten.
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§ 5
Vergabeunterlagen

( 1 ) Bei der Gestaltung der Vergabe- und Vertragsunterlagen ist auf deren Vollständigkeit und auf eindeutige Formulierungen zu achten.
( 2 ) Die Leistung ist eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und dass miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten sind (Leistungsbeschreibung). Auf die Erstellung der Leistungsbeschreibung ist ein hohes Maß an Sorgfalt zu verwenden.
( 3 ) Dies gilt auch bei der Einholung von Angeboten im Wege der Freihändigen Vergabe, da nur so eine Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet ist.
( 4 ) Bei der Erstellung der Vergabeunterlagen ist auf die Vereinbarkeit mit den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) zu achten.
( 5 ) Für die Erfüllung der Verpflichtungen aus Mängelansprüchen sollen ab einer Brutto-Abrechnungssumme von 25.000 Euro in der Regel fünf Prozent des Betrages als Sicherheitsleistung erhoben werden.
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§ 6
Prüfung und Wertung der Angebote

( 1 ) Die Angebote sind auf Vollständigkeit und fachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen.
( 2 ) Der Auftraggeber ist berechtigt unter Einhaltung der Vergabegrundsätze gemäß § 2 den Bewerber aufzufordern bis zu einer nach dem Kalender zu bestimmenden Frist, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Unterlagen nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Die Nachforderung von leistungsbezogenen Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen ist ausgeschlossen.
( 3 ) Von der Wertung ausgeschlossen werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, und Angebote, die
  1. nicht form- und fristgerecht eingegangen sind,
  2. nicht die geforderten Unterlagen enthalten,
  3. geändert oder ergänzt wurden.
( 4 ) Der Zuschlag ist auf das – unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte, insbesondere der in § 2 Absatz 5 genannten Kriterien – wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.
( 5 ) Auf Nachfrage hat der Auftraggeber jedem Bieter seine Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
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§ 7
Aufhebung von Vergabeverfahren

( 1 ) Die Vergabeverfahren können ganz oder bei der Vergabe nach Losen auch teilweise aufgehoben werden, wenn
  1. kein Angebot eingegangen ist, das den Bewerbungsbedingungen entspricht,
  2. sich die Grundlagen der Vergabeverfahren wesentlich verändert haben,
  3. sie kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt haben,
  4. andere schwerwiegende Gründe bestehen.
Ein schwerwiegender Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Leistung mit einer anderen Leistung so eng verbunden ist, dass ohne Durchführung der anderen Leistung für den Auftraggeber kein Interesse mehr an der Vergabe der Leistung besteht.
( 2 ) Die Bewerber oder Bieter sind von der Aufhebung der Vergabeverfahren unter Bekanntgabe der Gründe unverzüglich zu benachrichtigen.
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§ 8
Dokumentation des Vergabeverfahrens

Das Vergabeverfahren ist von Anbeginn fortlaufend zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden. Soweit keine kirchlichen Mustervorlagen bestehen, sind die Vordrucke des Vergabehandbuches des Bundes (VHB) anzuwenden.
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Abschnitt 2
Besondere Vorschriften

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§ 9
Einzelbestimmungen

  1. Bürotechnik, Hard- und Software
    Beim Kauf von Bürotechnik (z. B. Kopierer, Drucker, Fax und Multifunktionsgeräte), IT-Hardware sowie Softwarelizenzen sind Kauf und Wartung als eine Einheit zu behandeln. Sowohl Kaufpreis als auch Wartungsgebühren sind in den Preisvergleich mit einzubeziehen. Den Zuschlag soll möglichst der Bieter erhalten, der insgesamt gesehen das wirtschaftlich günstigste Angebot abgibt. Getrennte Vergabe ist möglich, wenn dadurch günstigere Bedingungen erzielt werden. Vor Abschluss eines Kaufvertrages ist in jedem Falle zu prüfen, ob eine Anmietung oder ein Leasing wirtschaftlich günstiger ist. Beim Anmieten sind grundsätzlich kurze Laufzeiten und Kündigungsmöglichkeiten anzustreben.
  2. Wartungsverträge
    Wartungsverträge sind nur dann abzuschließen, wenn dadurch eine Kosteneinsparung gegenüber den von Fall zu Fall anfallenden Wartungskosten eintritt oder hierdurch besondere Serviceleistungen sichergestellt werden können.
    Wartungsverträge sind in angemessenen Fristen auf ihre Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen.
  3. Rahmenvereinbarungen
    Bestehende Rahmenverträge und E-Procurement-Systeme sind bei der Beschaffung von Waren und Leistungen zu berücksichtigen.
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Abschnitt 3
Schlussvorschriften

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§ 10
Nachprüfung

( 1 ) Die Kirchenverwaltung ist Nachprüfungsstelle für die Prüfung behaupteter Verstöße gegen die Einhaltung der kirchlichen Vergabebestimmungen kirchlicher Körperschaften.
( 2 ) Für die Prüfung von Vergabeverfahren sind der Kirchenverwaltung auf Anforderung unverzüglich die folgenden Unterlagen vorzulegen:
  1. Vergabe-/Bewerberunterlagen (Veröffentlichung, Aufforderung zur Angebotsabgabe, Firmenliste/Bewerberliste etc.),
  2. Dokumentation des Vergabeverfahrens,
  3. Vergabevorschlag,
  4. Vergabebeschluss,
  5. ggf. Leistungsverzeichnis.
( 3 ) Einwendungen gegen das Vergabeverfahren sind unverzüglich an die Kirchenverwaltung weiterzuleiten.
( 4 ) Bis zur Entscheidung der Kirchenverwaltung als Nachprüfungsstelle ist eine Vergabeentscheidung auszusetzen. Die Zuschlagsfrist kann in begründeten Fällen angemessen verlängert werden.
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§ 11
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Rechtsverordnung tritt am Tag nach der Verkündung im Amtsblatt in Kraft. Gleichzeitig treten die Richtlinien für das Beschaffungswesen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 14. Februar 1977 (ABl. 1977 S. 70) außer Kraft.

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1 ↑ Nr. 800.