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Ordnung für die Klinikseelsorge
in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (KSVO)

Vom 13. Dezember 2007

(ABl. 2008 S. 80)

Die Kirchenleitung hat aufgrund von Artikel 48 Abs. 2 Buchstabe n der Kirchenordnung folgende Verwaltungsverordnung beschlossen:
Klinikseelsorge wird in dieser Ordnung in einem weiten Sinn verstanden und umfasst vor allem die Teilbereiche Krankenhausseelsorge, Kinderklinikseelsorge, Psychiatrieseelsorge, Seelsorge im Maßregelvollzug, Hospiz- und Palliativseelsorge, Kur- und Rehabilitationsseelsorge und Medizinethik.
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Präambel

Die Seelsorge an Kranken gehört zum Wesen der Kirche. Sie folgt dem Auftrag Jesu, das Reich Gottes zu verkündigen und die Kranken zu heilen (Lk. 9,2). „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht“ (Mt. 25,36). Hieraus ergibt sich der besondere Auftrag zur Seelsorge in der Klinik.
Sie orientiert sich an einem Gesundheits- und Heilungsbegriff, der in einem umfassenden Sinn Gesundheit als „Kraft zum Menschsein“ (Karl Barth) und Krankheit als Spiegel der Endlichkeit des Menschen versteht. Offen für unterschiedliche Lebens- und Glaubensorientierungen bietet die Klinikseelsorge Begleitung, Verkündigung und sakramentale Handlungen allen an, die sich dafür öffnen. Sie bewegt sich in einem interkulturellen, multireligiösen Raum. Dabei respektiert sie Unterschiede, spricht Gemeinsamkeiten an und würdigt die besondere Situation der Begegnung.
Klinikseelsorge ist für die Kirche unverzichtbar. Sie ist ein grundlegender Arbeitsbereich des Handlungsfelds Seelsorge. Sie hat ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Artikel 140 des Grundgesetzes und ihre kirchenrechtliche Grundlage im Grundartikel der EKHN und den daraus abgeleiteten rechtlichen Bestimmungen.
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Abschnitt I
Voraussetzungen und gesamtkirchliche Vorgaben

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§ 1
Auftrag der Klinikseelsorge

( 1 ) Klinikseelsorge wird von Gesamtkirche, Dekanat und Gemeinde verantwortet.
( 2 ) Klinikseelsorge dient drei grundsätzlichen Zielen:
  1. Begleitung der Patientinnen und Patienten und der Angehörigen,
  2. Präsenz der Kirche in der Institution Klinik,
  3. Dialog und kritische Auseinandersetzung mit der Medizin als gesellschaftlichem Grundthema.
( 3 ) Klinikseelsorge als Aufgabe und Lernfeld der Kirche hat damit folgende Anliegen:
  1. Kommunikation und Repräsentanz des Evangeliums als Kraft zum Leben und zum Sterben,
  2. Vermittlung von Inhalten und Erfahrungen der Klinikseelsorge in die Kirche,
  3. kritische Begleitung gesundheitspolitischer und medizinethischer Entwicklungen und deren Auswirkungen.
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§ 2
Orte der Klinikseelsorge

( 1 ) Klinikseelsorge geschieht in der Institution Klinik und in der Institution Kirche. Um ihren Auftrag zu erfüllen, muss sie in Bezug auf beide Orte anschlussfähig sein.
( 2 ) Ihre Präsenz in der Institution Klinik ist verbindlich. Dekanat und Klinik sollen Vereinbarungen für die Arbeit der Klinikseelsorge in der jeweiligen Klinik schließen.
( 3 ) In der Institution Kirche ist sie der Gesamtkirche und dem Dekanat zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt über das Zentrum Seelsorge und Beratung, den Konvent für Klinikseelsorge und zum Dekanat auch durch die Vertretung der Klinikseelsorge in dessen Gremien.
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§ 3
Stellen der Klinikseelsorge

( 1 ) Klinikseelsorgestellen sind Pfarrstellen und Stellen im gemeindepädagogischen Dienst.
( 2 ) Die Bereitstellung und Sicherung der Pfarrstellen erfolgt durch die Gesamtkirche, ihre Verteilung geschieht in Absprache mit den Dekanaten.
( 3 ) Die gemeindepädagogischen Stellen in den sieben Groß- und Universitätskliniken sind nicht Teil der Sollstellenpläne der Dekanate. Die gemeindepädagogischen Stellen in der Klinikseelsorge im Übrigen sind Bestandteil der Stellenpläne der Dekanate (siehe Gemeindepädagogenstellenverordnung).
( 4 ) In den Klinikplänen der Länder wird unterschieden zwischen Häusern der Maximal- und Zentralversorgung, Spezialkliniken und Einrichtungen der Grund- und Regelversorgung. Die Gesamtkirche stellt eine angemessene seelsorgerliche Versorgung in diesen Kliniken sicher. Häuser der Maximal- und Zentralversorgung, Spezialkliniken und Fachkliniken/Zentren für Soziale Psychiatrie sowie Einrichtungen in diakonischer Trägerschaft erhalten hauptamtliche Stellen. Häuser der Grund- und Regelversorgung sollen nach Maßgabe vorhandener Stellen besetzt werden. Ist dies nicht möglich, müssen Gesamtkirche (Zentrum Seelsorge und Beratung) und Dekanat Konzepte entwickeln, wie Klinikseelsorge in diesen Häusern gewährleistet werden kann.
( 5 ) Die Entscheidung über notwendige Anpassungen an die gesundheitspolitische Entwicklung liegt bei der Kirchenleitung, z. B. durch Stellenumwidmungen in den Teilbereichen der Klinikseelsorge. Sie wird dazu vom Zentrum Seelsorge und Beratung fachlich beraten und entscheidet im Benehmen mit dem Dekanatssynodalvorstand.
( 6 ) Für die Arbeit der Klinikseelsorge stellt die Gesamtkirche über den Ausgleichsstock III den Dekanaten Sachmittel pro volle Pfarr- bzw. Gemeindepädagogenstelle zur Verfügung. Für Stellenanteile erfolgt eine anteilige Berechnung.
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§ 4
Aufgaben des Zentrums Seelsorge und Beratung

( 1 ) Das Zentrum Seelsorge und Beratung ist für die Qualitätssicherung der Klinikseelsorge zuständig. Hierzu gehören vor allem die Weiterentwicklung und Organisation der Aus- und Fortbildung sowie die Unterstützung bei der Konzeptionsentwicklung, die Supervision und die Evaluation.
( 2 ) Für die genannten Teilbereiche werden flexible Konzepte erstellt, die aufeinander abgestimmt sind.
( 3 ) Das Zentrum koordiniert und begleitet den Prozess der Auseinandersetzung der Kirche mit medizinischen und gesundheitspolitischen Fragen.
( 4 ) Das Zentrum arbeitet mit dem Konvent für Klinikseelsorge zusammen, nimmt an dessen Tagungen sowie den Sitzungen des Vorstands teil und nutzt dessen fachliche Ressourcen.
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§ 5
Konvent für Klinikseelsorge

( 1 ) Die in der Klinikseelsorge haupt- und nebenamtlich Tätigen bilden den Konvent für Klinikseelsorge in der EKHN. Er hält regelmäßige Verbindung zu den übrigen besonderen Seelsorgediensten.
( 2 ) Der Konvent dient dem fachlichen und kollegialen Austausch. Er berät die in der Klinikseelsorge anstehenden Fragen und wirkt an der Konzeptionsentwicklung mit. Er kommt zu regelmäßigen Sitzungen zusammen und veranstaltet die Jahrestagung, die inhaltliche und strukturelle Themen der Klinikseelsorge erörtert.
( 3 ) Zu den Versammlungen des Konventes wird eine Vertretung der Dekanekonferenz eingeladen.
( 4 ) Der Konvent wählt aus seiner Mitte für eine Amtszeit von drei Jahren vier Personen in den Vorstand, der aus einem oder einer Vorsitzenden, einer Stellvertreterin oder einem Stellvertreter und zwei weiteren Mitgliedern besteht. Wiederwahl ist zulässig.
( 5 ) Die oder der Vorsitzende leitet und vertritt den Konvent.
( 6 ) Der Konvent ist Mitglied in der Konferenz für Krankenhausseelsorge in der EKD.
( 7 ) Der Konvent kann das Weitere zu seiner Arbeitsweise durch Geschäftsordnung regeln.
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Abschnitt II
Der Dienst der Klinikseelsorge

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§ 6
Aufgaben der Klinikseelsorge

( 1 ) Klinikseelsorge gilt Menschen in den Grenzsituationen von Krankheit und Gesundheit. Unabhängig von der religiösen Prägung wendet sie sich den Kranken, den Angehörigen und dem Klinikpersonal zu. Die Initiative dazu geht von der Seelsorgerin oder dem Seelsorger aus.
( 2 ) Klinikseelsorge bewegt sich in der Institution Krankenhaus. Sie ist konfrontiert mit medizinethischen Fragestellungen und gesundheitspolitischen Entwicklungen.
Daraus ergeben sich folgende Aufgaben:
In Bezug auf Patienten und Patientinnen und Angehörigen:
  1. das seelsorgerliche Gespräch,
  2. die seelsorgerliche Begleitung über einen längeren Zeitraum,
  3. die Begleitung in Krisensituationen,
  4. die Sterbebegleitung,
  5. geprägte religiöse Handlungen wie Gebet, Krankenabendmahl, Segnung und Salbung,
  6. Feiern von Gottesdiensten und Andachten,
  7. Gestaltung von Räumen der Besinnung und Stille,
  8. Gesprächsgruppen und Gesprächskreise.
In Bezug auf die Klinik:
  1. geregelte Präsenz,
  2. Rufbereitschaft,
  3. (interne) Öffentlichkeitsarbeit,
  4. Herstellung und Pflege von Kontakt mit der Klinikleitung und -verwaltung, dem ärztlichen und pflegerischen Dienst, dem Sozialdienst, psychologischen Dienst und anderen therapeutischen Abteilungen,
  5. Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den Stationen,
  6. seelsorgerliche Gespräche mit und spirituelle Angebote für Mitarbeitende der Klinik,
  7. Mitarbeit in der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Klinikpersonals,
  8. Beteilung und Stellungnahme bei ethischen Fragestellungen.
In Bezug auf die Ökumene:
  1. Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Klinikseelsorge durch
    • Absprache bei der Begleitung einzelner Menschen,
    • ökumenischen Gottesdienste und Veranstaltungen,
    • gemeinsame Besprechungen,
    • Zusammenarbeit bei der Ausbildung ehrenamtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,
    • Absprachen bei der Dienstverteilung in der Klinik und
    • gemeinsames Eintreten für Belange der Klinikseelsorge gegenüber der Klinikleitung,
  2. Zusammenarbeit mit anderen christlichen Kirchen,
  3. Dialog mit anderen Religionen.
In Bezug auf Kirche und Gesellschaft:
  1. Kontakte zu den Kirchengemeinden,
  2. Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des Dekanats,
  3. Zusammenarbeit mit den Zentren der kirchlichen Handlungsfelder,
  4. Vernetzung mit benachbarten Seelsorgefeldern z. B. Hospizdienste, Altenheim- und Notfallseelsorge,
  5. Anregung zur Auseinandersetzung mit Krankheit, Leiden, Tod und Sterben,
  6. Vermittlung und Vertretung medizinethischer und gesundheitspolitischer Themen.
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Abschnitt III
Die Mitarbeitenden in der Klinikseelsorge

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§ 7
Mitarbeitende in der Klinikseelsorge

( 1 ) Der Dienst der Klinikseelsorge wird wahrgenommen durch Pfarrerinnen und Pfarrer und gemeindepädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ehrenamtliche Beauftragte wirken bei der seelsorgerlichen Begleitung der Patientinnen und Patienten und Angehörigen mit.
( 2 ) Eine angemessene Schwerpunktsetzung bei den Aufgaben der Klinikseelsorge gehört zur seelsorgerlichen Verantwortung der Stelleninhaberinnen und Stelleninhaber.
( 3 ) Sind in einem Dekanat mehrere Klinikseelsorgerinnen und Klinikseelsorger tätig, übernimmt eine oder einer von ihnen die Geschäftsführung. Zur Geschäftsführung gehört insbesondere die Vertretung der Anliegen der Klinikseelsorge gegenüber dem Dekanat und der Öffentlichkeit. Die Beauftragung zur Geschäftsführung erfolgt durch die Dekanin oder den Dekan im Benehmen mit den Klinikseelsorgerinnen und Klinikseelsorgern für die Dauer von zwei Jahren.
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§ 8
Voraussetzungen und Qualifikationen

( 1 ) Die Motivation zur Seelsorge und ihre spirituelle Haltung erwachsen aus dem christlichen Glauben.
( 2 ) Eine angemessene Ausübung von Klinikseelsorge erfordert ein breites Spektrum von Kompetenzen und Qualifikationen. Hierzu gehören insbesondere personale Kompetenz, theologisch-pastorale Kompetenz, institutionell-strukturelle Kompetenz und interdisziplinäre Kompetenz.
( 3 ) Voraussetzungen für den hauptamtlichen Dienst in der Klinikseelsorge ist ein 6-Wochen-Kurs in Klinischer Seelsorgeausbildung oder ein Äquivalent nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie. Zur Einarbeitung in den Dienst werden eine vierwöchige Hospitationsphase in der Klinikseelsorge und ein 4-wöchiges Pflegepraktikum empfohlen.
( 4 ) Die berufsbegleitende Fortbildung richtet sich nach den inhaltlichen Schwerpunkten der Tätigkeit. Supervision soll von allen hauptamtlich Mitarbeitenden wahrgenommen werden.
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§ 9
Dienst- und Fachaufsicht

( 1 ) Die Dienst- und Fachaufsicht für Pfarrerinnen und Pfarrer und gemeindepädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt bei der zuständigen Dekanin oder dem zuständigen Dekan. Hierzu gehören insbesondere die Personalgespräche.
( 2 ) Im Benehmen mit dem Zentrum Seelsorge und Beratung und im Einvernehmen mit der Stelleninhaberin oder dem Stelleninhaber wird von der Dekanin oder dem Dekan eine Stellenbeschreibung (für Pfarrerinnen oder Pfarrer) bzw. eine Dienstanweisung (siehe Dienstanweisung für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im gemeindepädagogischen Dienst in den Bereichen Seelsorge und Verkündigung) erstellt, die alle fünf Jahre bzw. bei Stellenwechsel überprüft werden. Sie enthalten eine Dienstbeschreibung, die Umfang des Dienstbereiches, Benennung inhaltlicher Schwerpunkte, Regelungen für Präsenz und Erreichbarkeit sowie für die Dokumentation der Tätigkeit enthält.
( 3 ) In Bezug auf die Mitwirkung der Pröpstinnen und Pröpste gelten die Bestimmungen der Kirchenordnung und die davon abgeleiteten gesetzlichen Regelungen.
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§ 10
Ehrenamtlich Mitarbeitende

( 1 ) Zu den Aufgaben der hauptamtlich Tätigen gehört es, Ehrenamtliche qualifiziert vorzubereiten und fachlich zu begleiten.
( 2 ) Auch ehrenamtlich Tätige verpflichten sich zur seelsorgerlichen Verschwiegenheit und zur Einhaltung der Bestimmungen des Datenschutzes.
( 3 ) Einzelheiten der Ausbildung und des Dienstes Ehrenamtlicher sind in den Leitlinien „Seelsorgeausbildung von Ehrenamtlichen in der Alten-, Kranken- und Hospizseelsorge (SAvE)“ niedergelegt.
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§ 11
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Ordnung tritt am 1. Januar 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Ordnung der Klinikseelsorge in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 25. Juni 2002 (ABl. 2003 S. 147) außer Kraft.