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Hessisches Stiftungsgesetz (HStiftG)

Vom 16. Februar 2023

(GVBl. S. 90)

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§ 1
Geltungsbereich

Dieses Gesetz gilt für rechtsfähige Stiftungen, die nach ihrer Satzung ihren Sitz in Hessen haben.
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§ 2
Begriffsbestimmungen

( 1 ) Stiftungen im Sinne dieses Gesetzes sind rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts.
( 2 ) Stiftungen des bürgerlichen Rechts sind Stiftungen nach den §§ 80 bis 88 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
( 3 ) Familienstiftungen im Sinne dieses Gesetzes sind Stiftungen, die nach dem Stiftungsgeschäft ausschließlich oder überwiegend dem Wohle der Mitglieder einer oder mehrerer bestimmter Familien dienen.
( 4 ) Stiftungen des öffentlichen Rechts sind Stiftungen, die ausschließlich oder überwiegend öffentliche Zwecke verfolgen und mit dem Land, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer sonstigen Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts in einem organischen Zusammenhang stehen.
( 5 ) Örtliche Stiftungen sind Stiftungen, die Zwecke erfüllen, welche die Gemeinden, Landkreise, Zweckverbände, Anstalten des öffentlichen Rechts oder die gemeinsamen kommunalen Anstalten in ihrem Bereich als öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder wahrnehmen können.
( 6 ) Kirchliche Stiftungen im Sinne dieses Gesetzes sind die überwiegend kirchlichen, diakonischen, karitativen oder religiösen Zwecken einer Kirche gewidmeten Stiftungen, die organisatorisch mit der Kirche verbunden sind oder deren Zwecke nur sinnvoll in Verbindung mit der Kirche erfüllt werden können.
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§ 3
Stiftungsbehörde, Anerkennung

( 1 ) Oberste Stiftungsbehörde für Stiftungen des bürgerlichen Rechts ist das für das Stiftungsrecht zuständige Ministerium, für die Stiftungen des öffentlichen Rechts das sachlich zuständige Ministerium.
( 2 ) Stiftungsbehörden sind die Regierungspräsidien. Örtlich zuständig ist das Regierungspräsidium, in dessen Bezirk die Stiftung nach ihrer Satzung ihren Sitz hat oder haben soll.
( 3 ) Zuständig für die Anerkennung der Stiftung im Sinne der § 80 Abs. 2 Satz 1, § 81 Abs. 4 und § 81a des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die jeweils örtlich zuständige Stiftungsbehörde.
( 4 ) Zuständig für die Anerkennung von Stiftungen des öffentlichen Rechts ist die Landesregierung.
( 5 ) Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen im Stiftungsakt und in der Anerkennung ausdrücklich als solche bezeichnet werden.
( 6 ) Für Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten die §§ 80 bis 87a des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, mit Ausnahme des § 82a Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
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§ 4
Ausnahme vom Vermögenserhaltungsgrundsatz

Die Stiftungsbehörde kann auf Antrag der Stiftung für einen bestimmten Teil des Grundstockvermögens eine zeitlich begrenzte Ausnahme von § 83c Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulassen, wenn dadurch die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt wird und der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen ist.
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§ 5
Grundsätze der Stiftungsaufsicht

( 1 ) Die Stiftungen unterstehen der Rechtsaufsicht des Landes. Sie soll sicherstellen, dass die Stiftungen im Einklang mit den Gesetzen und mit der Verfassung der Stiftung verwaltet werden. Die Rechtsaufsicht soll die Entschlusskraft und Eigenverantwortung der Mitglieder der Stiftungsorgane berücksichtigen. Familienstiftungen nach § 2 Abs. 3 unterliegen der staatlichen Rechtsaufsicht nur insoweit, als sicherzustellen ist, dass ihr Bestand und ihre Betätigung nicht dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen.
( 2 ) Das zuständige Regierungspräsidium ist für alle rechtsfähigen Stiftungen zuständige Stiftungsbehörde für
  1. das Treffen von Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern nach § 84c des Bürgerlichen Gesetzbuches,
  2. die Genehmigung und Vornahme von Satzungsänderungen nach § 85a des Bürgerlichen Gesetzbuches,
  3. die Genehmigung und Vornahme von Zulegungen und Zusammenlegungen nach den §§ 86b bis 86f des Bürgerlichen Gesetzbuches,
  4. die Genehmigung der Auflösung einer Stiftung nach § 87 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches und
  5. die Aufhebung einer Stiftung nach § 87a des Bürgerlichen Gesetzbuches.
( 3 ) Soweit Stiftungen von Landesbehörden verwaltet werden, üben die übergeordneten Behörden die allgemeine Stiftungsaufsicht aus. Die §§ 6 bis 8 finden keine Anwendung.
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§ 6
Unterrichtung und Prüfung

( 1 ) Die Stiftung ist verpflichtet, der Stiftungsbehörde
  1. jede Änderung der Zusammensetzung eines Organs unverzüglich anzuzeigen und
  2. innerhalb von neun Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres eine ordnungsgemäße Jahresabrechnung mit einer Vermögensübersicht unter getrennter Ausweisung der Rücklagen und einem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks, bei Familienstiftungen nur einen Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks, einzureichen.
( 2 ) Die Stiftungsbehörde kann sich über die Angelegenheiten der Stiftung unterrichten. Sie kann insbesondere Einrichtungen der Stiftung besichtigen, Berichte, Akten und sonstige Unterlagen anfordern sowie die Geschäfts- und Kassenführung prüfen oder sie auf Kosten der Stiftung prüfen lassen.
( 3 ) Die Stiftungsbehörde prüft die Jahresabrechnung mit der Vermögensübersicht und dem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks nach Abs. 1 Nr. 2. Sie kann bei Stiftungen, die jährlich im Wesentlichen gleichbleibende Einnahmen und Ausgaben aufweisen, die Prüfung der Rechnungen für mehrere Jahre zusammenfassen.
( 4 ) Wird eine Stiftung durch eine unabhängige Wirtschaftsprüferin oder einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder eine andere zur Erteilung eines gleichwertigen Bestätigungsvermerks befugte unabhängige Person oder Gesellschaft geprüft, so muss sich die Prüfung auch auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel erstrecken. Liegt ein entsprechender Bestätigungsvermerk vor, kann die Stiftungsbehörde von einer eigenen Prüfung absehen.
( 5 ) Die Stiftungsbehörde kann verlangen, dass eine Stiftung durch eine unabhängige Wirtschaftsprüferin oder einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder andere zur Erteilung eines gleichwertigen Bestätigungsvermerks befugte unabhängige Personen oder Gesellschaften geprüft wird. Der Prüfungsauftrag muss sich auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel erstrecken. Liegt ein entsprechender Bestätigungsvermerk vor, kann die Stiftungsbehörde von einer eigenen Prüfung absehen.
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§ 7
Beanstandung, Anordnung, Zwangsmittel

( 1 ) Die Stiftungsbehörde kann Beschlüsse und sonstige Maßnahmen der Stiftungsorgane, die das Gesetz verletzen oder gegen die Verfassung der Stiftung verstoßen, beanstanden und verlangen, dass sie innerhalb einer angemessenen Frist aufgehoben, abgeändert oder rückgängig gemacht werden. Beanstandete Beschlüsse und Maßnahmen dürfen nicht vollzogen werden.
( 2 ) Unterlässt die Stiftung eine rechtlich gebotene Maßnahme oder erfüllt die Stiftung sonstige Pflichten oder Aufgaben nicht, die ihr nach dem Gesetz oder der Verfassung der Stiftung obliegen, kann die Stiftungsbehörde anordnen, dass die Maßnahme innerhalb einer von ihr bestimmten angemessenen Frist durchgeführt wird.
( 3 ) Kommt die Stiftung einer Anordnung der Stiftungsbehörde nach Abs. 1 oder 2 binnen einer angemessenen Frist nicht nach, kann diese die Anordnung mit Zwangsmitteln vollstrecken. Die Vorschriften des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2008 (GVBl. I 2009, S. 2), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. September 2018 (GVBl. S. 570), in der jeweils geltenden Fassung finden Anwendung.
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§ 8
Abberufung von Organmitgliedern, Bestellung eines Beauftragten

( 1 ) Die Stiftungsbehörde kann Mitglieder eines Stiftungsorgans aus wichtigem Grund abberufen oder ihnen die Ausübung ihrer Tätigkeit einstweilen untersagen. Ein solcher Grund ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.
( 2 ) Vor einer Maßnahme nach Abs. 1 sollen die übrigen Mitglieder der Stiftungsorgane gehört werden.
( 3 ) Wenn und solange der ordnungsmäßige Gang der Verwaltung der Stiftung es erfordert und die Befugnisse der Stiftungsbehörde nach § 6 Abs. 2 bis Abs. 5, § 7 sowie § 8 Abs. 1 und Abs. 2 nicht ausreichen, kann die Stiftungsbehörde Beauftragte bestellen, die alle oder einzelne Aufgaben der Stiftung oder eines Stiftungsorgans auf Kosten der Stiftung wahrnehmen.
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§ 9
Bekanntmachungen

Die Anerkennung, die Zulegung, die Zusammenlegung, die Aufhebung und die Auflösung von Stiftungen durch die Stiftungsbehörde, die Änderung des Namens, des Sitzes und des Zwecks sowie die Entscheidung über die Rechtsnatur einer Stiftung sind im Staatsanzeiger für das Land Hessen bekannt zu machen.
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§ 10
Stiftungsverzeichnis

( 1 ) Für Stiftungen im Sinne dieses Gesetzes führen die Stiftungsbehörden ein Stiftungsverzeichnis.
( 2 ) In das Stiftungsverzeichnis sind einzutragen:
  1. der Name der Stiftung,
  2. die Rechtsnatur der Stiftung,
  3. der Sitz der Stiftung,
  4. der Zweck der Stiftung,
  5. die Anschrift der Stiftung,
  6. die vertretungsberechtigten Organe und Personen sowie die Art ihrer Vertretungsberechtigung,
  7. das Datum der Anerkennung und
  8. die zuständige Stiftungsbehörde.
Änderungen hat die Stiftung der Stiftungsbehörde unverzüglich mitzuteilen.
( 3 ) Das Stiftungsverzeichnis ist allgemein zugänglich. Es kann im Internet veröffentlicht werden. Eintragungen im Stiftungsverzeichnis begründen nicht die Vermutung der Richtigkeit.
( 4 ) Das für das Stiftungsrecht zuständige Ministerium richtet für die Führung des Stiftungsverzeichnisses ein gemeinsames automatisiertes Verfahren ein. Die Stiftungsbehörden sind zur Teilnahme an dem Verfahren verpflichtet. § 39 Abs. 2 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. November 2021 (GVBl. S. 718, 729), in der jeweils geltenden Fassung gilt entsprechend.
( 5 ) Die Stiftungsbehörde stellt auf Antrag eine Bescheinigung darüber aus, wer nach Maßgabe der Satzung und der von der Stiftung mitgeteilten Angaben zur Vertretung der Stiftung berechtigt ist. Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend.
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§ 11
Örtliche Stiftungen

( 1 ) Die Verwaltung der örtlichen Stiftungen bestimmt sich nach den §§ 116 und 120 Abs. 1 der Hessischen Gemeindeordnung.
( 2 ) Unbeschadet des § 120 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung dürfen örtliche Stiftungen nur im Einvernehmen mit der Gemeinde, dem Landkreis, dem Zweckverband, der Anstalt des öffentlichen Rechts oder der gemeinsamen kommunalen Anstalt als rechtsfähig anerkannt, umgestaltet, zugelegt, zusammengelegt, aufgelöst oder aufgehoben werden. Das Gleiche gilt für Änderungen der Satzung oder des Stiftungszwecks.
( 3 ) Wenn örtliche Stiftungen von Gemeinden, Landkreisen, Zweckverbänden, Anstalten des öffentlichen Rechts, gemeinsamen kommunalen Anstalten oder deren Organen verwaltet werden, nehmen die Aufgaben der Stiftungsbehörde die zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden nach den Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung und der Hessischen Landkreisordnung wahr. Die anderen örtlichen Stiftungen unterliegen der Rechtsaufsicht der Stiftungsbehörden nach § 3.
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§ 12
Stiftungen unter der Verwaltung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen

Unbeschadet der § 85 Abs. 1, § 87a Abs. 1 und 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches dürfen Stiftungen, die vom Landeswohlfahrtsverband Hessen oder seinen Eigengesellschaften verwaltet werden, nur mit deren Einvernehmen als rechtsfähig anerkannt, umgestaltet, zugelegt, zusammengelegt, aufgelöst oder aufgehoben werden. Das Gleiche gilt für Änderungen der Satzung oder des Stiftungszwecks.
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§ 13
Kirchliche und weltanschauliche Stiftungen

( 1 ) Unbeschadet der § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 87a Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches dürfen kirchliche Stiftungen nur im Einvernehmen mit der betreffenden Kirche als rechtsfähig anerkannt, umgestaltet, zugelegt, zusammengelegt, aufgelöst oder aufgehoben werden. Das Gleiche gilt für Änderungen des Stiftungszwecks.
( 2 ) Ortskirchliche Stiftungen und Pfründestiftungen erlangen die Rechtsfähigkeit durch Bekanntmachung der Stiftungsurkunde im Staatsanzeiger für das Land Hessen. Die Bekanntmachung wird auf Antrag der zuständigen Kirchenbehörde durch die sachlich zuständige Ministerin oder den sachlich zuständigen Minister veranlasst. Das Gleiche gilt für die Umgestaltung, Zulegung, Zusammenlegung, Auflösung, Aufhebung und die Änderung des Stiftungszwecks solcher Stiftungen.
( 3 ) Den Kirchen bleibt es überlassen, die Wahrnehmung der übrigen Aufgaben der Stiftungsaufsicht zu regeln.
( 4 ) Kirchenverträge bleiben unberührt.
( 5 ) Die Abs. 1 bis 4 sind auch auf entsprechende Stiftungen einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft anzuwenden.
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§ 14
Zweifel über die Rechtsnatur einer Stiftung Bestehen

Zweifel über die Rechtsnatur einer Stiftung, vor allem darüber, ob sie eine Stiftung des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts, eine Familienstiftung, eine örtliche, kirchliche oder weltanschauliche Stiftung ist, so entscheidet darüber die Stiftungsbehörde.
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§ 15
Vermögensanfall

Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten durch oder aufgrund der Satzung, fällt das Stiftungsvermögen abweichend von § 87c Abs. 1 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches bei der Auflösung oder Aufhebung
  1. einer örtlichen Stiftung an die Gemeinde, den Landkreis oder den Zweckverband,
  2. einer vom Landeswohlfahrtsverband Hessen verwalteten Stiftung an den Landeswohlfahrtsverband Hessen oder
  3. einer kirchlichen oder weltanschaulichen Stiftung an die Kirche, Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft.
Bei allen anderen Stiftungen fällt das Stiftungsvermögen an den Fiskus des Landes nach § 87c Abs. 1 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
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§ 16
Rechtsstellung bestehender Stiftungen

Auf die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Stiftungen sind mit Ausnahme des § 3 Abs. 3 und 4 die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden.
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§ 17
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

( 1 ) Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 2023 in Kraft. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2030 außer Kraft.
( 2 ) Das Hessische Stiftungsgesetz vom 4. April 1966 (GVBl. I S. 77), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juni 2020 (GVBl. S. 430), tritt mit Ablauf des 30. Juni 2023 außer Kraft.