.
#
Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Rechtsgutachten |
Datum: | 28.11.1957 |
Aktenzeichen: | KVVG I 1/57 |
Rechtsgrundlage: | Art. 29,40,44,46,47 KO; § 1 GO-KL; §§ 3,15 KVVG |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | Kollegialbeschluss, Leitendes Geistliches Amt, Verfassungsorgane, Vertretung des Vorsitzes |
Leitsatz:
1. Das Leitende Geistliche Amt ist ein Verfassungsorgan.
2. Den Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt kann bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters nur eines der anderen Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes führen.
3. Welches der anderen Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes zum Vertreter im Vorsitz berufen ist, kann durch eine Geschäftsordnung des Leitenden Geistlichen Amtes allgemein geregelt werden. Bei Fehlen einer geschäftsordnungsmäßigen Regelung ist der Vertreter im Vorsitz im Einzelfall durch Einigung der Mitglieder, notfalls durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen.
Tenor:
Rechtsgutachten
des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
über die Stellvertretung im Vorsitz des Leitenden Geistlichen Amtes
I.
Im Herbst 1956 entstand zwischen dem Kirchenpräsidenten und den Mitgliedern des Leitenden Geistlichen Amtes eine Meinungsverschiedenheit über die Stellvertretung im Vorsitz. Der Kirchenpräsident, ..........., befand sich damals auf einer ökumenischen Dienstreise; sein Stellvertreter, Oberkirchenrat A., war erkrankt und dadurch ebenfalls verhindert. Der Kirchenpräsident entsandte daher in die Sitzung des Leitenden Geistlichen Amtes am 9. November 1956 den juristischen Leiter der Kirchenverwaltung, Oberkirchenrat B., mit dem Auftrag, an seiner Stelle den Vorsitz zu führen. Da die anwesenden Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes die Rechtmäßigkeit eines solchen Verfahrens bezweifelten, verzichtete Oberkirchenrat B. auf den Vorsitz. Der Vorsitz wurde von dem ältesten der anwesenden Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes übernommen, wie dies schon bisher bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters üblich gewesen war.
Aus Anlass dieser Meinungsverschiedenheit beschloss die Kirchenleitung in ihrer Sitzung vom 7. Januar 1957, dass das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht um ein Gutachten über die Streitfrage gebeten werden solle.
Demgemäss hat der Kirchenpräsident als Vorsitzender der Kirchenleitung mit Schreiben vom 27. Mai 1957 beantragt,
das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht möge ein Rechtsgutachten über die Frage des Vorsitzes im Leitenden Geistlichen Amt bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters erstatten.
Der Kirchenpräsident ist der Auffassung, dass wenn er selbst und sein Stellvertreter verhindert seien, der Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt dem juristischen Leiter der Kirchenverwaltung zukomme. Er beruft sich hierfür auf § 1 der Geschäftsordnung der Kirchenleitung vom 3. Oktober 1955, der wie folgt lautet:
" § 1
Die Kirchenleitung besteht aus dem in Artikel 40 Absatz 1 KO näher umschriebenen Kollegium von 14 Mitgliedern unter Vorsitz des Kirchenpräsidenten oder seines Stellvertreters. Sind beide verhindert, so führt der juristische Leiter der Kirchenverwaltung den Vorsitz."
Der Kirchenpräsident meint, es entspreche Sinn und Gesamtduktus der Kirchenordnung, dass der juristische Leiter der Kirchenverwaltung, der bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters den Vorsitz in der Kirchenleitung führe, in diesem Falle zugleich auch den Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt übernehme.
Der juristische Leiter der Kirchenverwaltung sei hierzu durchaus in der Lage, obwohl er kein ordinierter Theologe sei. Die Kirchenordnung stehe dem Vorsitz eines Laien im Leitenden Geistlichen Amt schon deswegen nicht entgegen, weil auch das nach Artikel 44 Absatz 2 KO gegebenenfalls zu den Pröpsten hinzuzuwählende Mitglied kein ordinierter Theologe zu sein brauche.
Die übrigen Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes haben Pfarrer E. mit der Vertretung ihrer Gegenmeinung beauftragt. Sie sind der Ansicht, dass bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters der Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt von dem ältesten anwesenden Mitglied zu führen sei. Der juristische Leiter der Kirchenverwaltung sei hierzu nicht berechtigt, da die Zusammensetzung des Leitenden Geistlichen Amtes durch Artikel 44 KO klar begrenzt sei. Nach § 1 der Geschäftsordnung der Kirchenleitung komme ihm nur die Vertretung im Vorsitz der Kirchenleitung zu, dagegen fungiere er weder als Kirchenpräsident noch als dessen Stellvertreter. Dies sei auch durch die Artikel 46 und 47 KO ausgeschlossen, besonders durch die Bestimmung, dass sowohl der Kirchenpräsident als auch sein Stellvertreter ordinierte Theologen sein müssten.
Zudem ergebe sich aus der Aufgabenstellung des Leitenden Geistlichen Amtes in Artikel 44 Absatz 3 KO, dass Vorsitz und Mitgliedschaft im Leitenden Geistlichen Amt den ordinierten Theologen vorbehalten sei. Dies gelte mangels einer ausdrücklichen abweichenden Bestimmung nach dem Sinn der Kirchenordnung auch für das nach Artikel 44 Absatz 2 hinzuzuwählende Mitglied, weil auch dieses Anteil an der gemeinsamen Aufgabe des Hirten- und Wächterdienstes für die Gemeinden und Pfarrer der Kirche habe und ein wesentlicher Teil seiner besonderen Aufgaben gerade theologischer Art sei.
II.
1. Der Antrag ist nach § 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 15 des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht gemäß Artikel 56 der Kirchenordnung (KVVG) vom 14. Februar 1952 (Amtsblatt S. 19) zulässig.
Es bedarf hier nicht der Entscheidung, ob die Zuständigkeit des Gerichts nach § 3 Nr. 1 KVVG die Erstattung von Rechtsgutachten jeder Art umfasst. Denn jedenfalls ist das Gericht nach Artikel 56 KO und der genannten Bestimmung des KVVG für solche Rechtsgutachten zuständig, welche die Auslegung der Kirchenordnung und andere Fragen der Kirchenverfassung betreffen. Um eine solche Streitfrage handelt es sich hier, da das Leitende Geistliche Amt zu den durch die Kirchenordnung selbst eingesetzten maßgebenden Organen der Gesamtkirche gehört (vgl. Artikel 29 ff., besonders Artikel 44 ff. KO) und die im Antrag gestellte Rechtsfrage die innere Ordnung dieses Verfassungsorgans betrifft.
Da das Gericht zur Erstattung des begehrten Rechtsgutachtens bereit ist, kann auch dahingestellt bleiben, ob die Zuständigkeit des Gerichts nach § 3 Nr. 1 KVVG zugleich eine Verpflichtung begründet, jedem Begehren der dort als antragsberechtigt genannten Organe auf Erstattung eines Rechtsgutachtens zu entsprechen, oder ob das Gericht solche Anträge auch nach seinem Ermessen oder aus bestimmten Gründen ablehnen kann.
2. a) Die Streitfrage, wer bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und des Stellvertreters des Kirchenpräsidenten im Sinne des Artikels 40 Absatz 1 b KO den Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt führt, kann aus dem Wortlaut der Kirchenordnung und der zu ihrer Ausführung ergangenen Gesetze nicht beantwortet werden. Eine Bestimmung, wie sie für die staatlichen Gerichte in § 66 des Gerichtsverfassungsgesetzes enthalten ist, fehlt. Artikel 44 Absatz 1 und 2 KO regeln lediglich die Zusammensetzung dieses Gremiums, wobei Absatz 1 von der gemeinschaftlichen Wahrnehmung des Leitenden Geistlichen Amtes durch den Kirchenpräsidenten, seinen Stellvertreter und die Pröpste ausgeht. Artikel 47 Absatz 1 KO bestimmt sodann, dass der Kirchenpräsident den Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt führt.
Schon darüber, wer den Kirchenpräsidenten im Vorsitz vertritt, wenn er verhindert ist, ist in der Kirchenordnung expressis verbis nichts gesagt. Jedoch besteht kein Zweifel, dass in diesem Falle der Vorsitz dem Stellvertreter des Kirchenpräsidenten zukommt. Aus Artikel 40 Absatz 1 b, Artikel 44 Absatz 1 und Artikel 46 Absatz 3 ergibt sich, dass der von der Kirchensynode gewählte Stellvertreter des Kirchenpräsidenten die allgemeine Funktion hat, den Kirchenpräsidenten zu vertreten, und dass er im Rahmen dieser Funktion dem Leitenden Geistlichen Amt angehört. Danach ist der Stellvertreter, ebenso wie er sonst alle verfassungsmäßigen Aufgaben des verhinderten Kirchenpräsidenten wahrzunehmen hat, auch befugt und verpflichtet, an dessen Stelle den Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt zu führen. Da der Stellvertreter des Kirchenpräsidenten nach Artikel 46 Absatz 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 stets ein ordinierter Theologe ist, bedarf es hier noch keiner Erörterung, ob auch ein Laie dem Leitenden Geistlichen Amt vorsitzen kann.
b) Die weitere, hier streitige Frage, wer den Vorsitz zu führen hat, wenn sowohl der Kirchenpräsident als auch sein Stellvertreter verhindert sind, ist weder ausdrücklich geregelt noch geben die genannten Bestimmungen der Kirchenordnung einen Anhalt für ihre Entscheidung. Diese kann jedoch aus der Gesamtbetrachtung der Kirchenverfassung und aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen entnommen werden.
Das Leitende Geistliche Amt gehört nach den Artikeln 29 ff. KO zu den leitenden Gremien der Gesamtkirche. Der Kirchensynode als dem maßgeblichen Organ der geistlichen Leitung und der kirchlichen Ordnung der Gesamtkirche sind auf der einen Seite die Kirchenleitung, auf der anderen Seite das Leitende Geistliche Amt nachgeordnet. Während die Kirchenleitung im Auftrage der Kirchensynode die Kirche zu leiten, zu vertreten und zu verwalten hat, hat das Leitende Geistliche Amt den Hirten- und Wächterdienst für die Gemeinden und Pfarrer der Kirche auszuüben. Im einzelnen ist den Artikeln 41, 44 und 45 KO zu entnehmen, dass die Kirchenleitung das eigentliche Exekutivorgan der Gesamtkirche und vornehmlich für die äußere Ordnung zuständig ist, während die Aufgabe des Leitenden Geistlichen Amtes in der Sorge für die innere Ordnung, d.h. mehr auf theologischem Gebiet liegt. Die Zusammensetzung der beiden Gremien ist in Artikel 40 und 44 im einzelnen und erschöpfend geregelt; nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen ist die Mitgliedschaft in der Kirchenleitung einerseits, im Leitenden Geistlichen Amt andererseits auf den jeweils genannten Personenkreis beschränkt. Insgesamt ist das Leitende Geistliche Amt also ein Verfassungsorgan mit besonderem Tätigkeitsbereich und einer dementsprechenden Zusammensetzung; das gleiche gilt für die Kirchenleitung. Beide Organe sind nach ihrer Aufgabenstellung deutlich voneinander unterschieden; ihr Mitgliederkreis ist klar gegeneinander abgegrenzt.
Dem steht es nicht entgegen, dass nicht nur der Kirchenpräsident und sein Stellvertreter nach Artikel 40 Absatz 1 a und b und Artikel 44 Absatz 1 beiden Organen angehören, sondern dass nach Artikel 40 Absatz 1 e auch weitere Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes zugleich Mitglieder der Kirchenleitung sind. Denn einmal beschränkt sich diese personelle und funktionelle Verbindung auf zwei besonders bestimmte Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes, während die übrigen Mitglieder nach Art. 40 Abs. 3 zwar an den Sitzungen der Kirchenleitung teilnehmen können, aber grundsätzlich kein Stimmrecht haben. Zum anderen gewährleisten diese Bestimmungen nur die sachlich gebotene Mitwirkung einiger weniger Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes in der Kirchenleitung, während eine personelle Verbindung in umgekehrter Richtung fehlt. Insgesamt ändern sie nichts daran, dass die Funktion der beiden Organe eine verschiedene ist und dass ihr Mitgliederkreis sich zum größten Teil nicht deckt.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist in einem Kollegialorgan bei Verhinderung des verfassungsmäßigen oder gesetzlichen Vorsitzenden der Vorsitz von einem anderen Mitglied des Organs zu führen. Es kommt im Verfassungs- und Verwaltungsrecht häufig vor, dass die ein Kollegialorgan einsetzenden Rechtsvorschriften den Vorsitz, evtl. auch noch die erste Stellvertretung regeln, aber keine Vorsorge für den Fall der weiteren Verhinderung des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters treffen. Dies gilt z. B. im Bundesverfassungsrecht etwa für den Vorsitz im Bundestag oder Bundesrat (vgl. Artikel 40 Absatz 1 und 52 Absatz 1 Grundgesetz), im Landesverfassungsrecht für die Landesregierung (vgl. Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 Hess. Verfassung) und im Gemeindeverfassungsrecht für den Magistrat (vgl. § 65 Absatz 1 Hess. Gemeindeordnung). Nach der allgemeinen Rechtsüberzeugung und der ständigen Übung übernimmt in solchen Fällen, falls das betreffende Organ nicht durch die Verhinderung des Vorsitzenden beschlussunfähig wird, ein anderes Mitglied den Vorsitz.
Demgemäss, kann bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters der Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt nur von einem anderen Mitglied aus dem in Artikel 44 Absatz 1 und 2 genannten Personenkreis übernommen werden. Damit scheidet der juristische Leiter der Kirchenleitung, der selbst nicht Mitglied des Leitenden Geistlichen Amtes ist, von vornherein für diese Funktion aus.
Etwas anderes kann auch nicht aus § 1 der Geschäftsordnung der Kirchenleitung geschlossen werden. Abgesehen davon, dass diese Bestimmung sich ausdrücklich nur auf den Vorsitz in der Kirchenleitung bezieht, kann ein Organ durch seine Geschäftsordnung stets nur die eigene innere Ordnung regeln, nicht aber in die innere Ordnung eines anderen Organs eingreifen. Der juristische Leiter der Kirchenverwaltung tritt durch die genannte Regelung auch nicht etwa als ein zweiter allgemeiner Stellvertreter an die Stelle des Kirchenpräsidenten. Die Kirchenordnung sieht in den Artikeln 40 ff. nur e i n e n Stellvertreter mit der Funktion der allgemeinen Vertretung des Kirchenpräsidenten vor; wenn Artikel 44 Absatz 1 den "Stellvertreter" zu den Mitgliedern des Leitenden Geistlichen Amtes zählt, so bezieht sich das nur auf diesen allgemeinen, Stellvertreter im Sinne des Artikels 40 Absatz 1 b.
Diese Auffassung hat allerdings die Folge, dass die von der Kirchenordnung offensichtlich gewünschte und aus sachlichen Gründen gebotene personelle Verbindung zwischen dem Leitenden Geistlichen Amt und der Kirchenleitung in einem wesentlichen Punkt unterbrochen wird. Diese Verbindung wird vornehmlich dadurch hergestellt, dass der Kirchenpräsident oder sein Stellvertreter beiden Organen angehören und in beiden Organen den Vorsitz führen. Diese Überlegung zwingt jedoch nicht dazu, nun jeden stellvertretenden Vorsitzenden der Kirchenleitung ipso jure auch als Vorsitzenden des Leitenden Geistlichen Amtes anzuerkennen. Abgesehen davon, dass ein solcher Vorrang der Kirchenleitung gegenüber dem Leitenden Geistlichen Amt in der Kirchenordnung keine Grundlage findet, verstieße es gegen Artikel 44 Absatz 1 und 2, im Leitenden Geistlichen Amt jemanden mitwirken zu lassen, der nicht zu den Mitgliedern des Leitenden Geistlichen Amtes gehört. Will man die Verzahnung der beiden Organe, die, wie oben ausgeführt, in der einen Richtung stets durch Artikel 40 Absatz 1 e und Absatz 3 gewährleistet ist, auch hinsichtlich des Vorsitzes für alle Fälle aufrechterhalten, so müsste durch entsprechende Fassung der Geschäftsordnungen der beiden Organe vorgesehen werden, dass eines der Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes, die nach Artikel 40 Absatz 1 e der Kirchenleitung angehören, bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters den Vorsitz sowohl in der Kirchenleitung wie im Leitenden Geistlichen Amt übernimmt. Im übrigen dürfte sich die gleichzeitige Verhinderung von Kirchenpräsident und Stellvertreter in der Regel nur, auf einen kurzen Zeitraum beschränken, so dass ein Auseinanderfallen des Vorsitzes in beiden Organen hingenommen werden kann.
c) Welches Mitglied des Leitenden Geistlichen Amtes in dem umschriebenen Verhinderungsfalle zum Vorsitzenden berufen ist, kann durch eine Geschäftsordnung bestimmt werden, die sich das Leitende Geistliche Amt selbst gibt. Wenn eine solche Geschäftsordnung nicht vorhanden ist, muss der Vorsitz im Einzelfall von den Mitgliedern geregelt werden. Auch insoweit kann auf die allgemeine Rechtsüberzeugung und ständige Übung im Verfassungs- und Verwaltungsrecht verwiesen werden. Dort wird häufig in solchen Fällen die Frage des Vorsitzes in gegenseitiger Übereinstimmung der Mitglieder des Organs entschieden, ohne dass ein förmlicher Beschluss gefasst wird. Falls jedoch eine solche ausdrückliche oder stillschweigende Übereinstimung nicht zustande kommt oder eine bisher geltende Übung angefochten wird, muss die Frage entsprechend dem kollegialen Charakter des Organs durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden. Eine zwingende Regelung, dass mangels einer Geschäftsordnung der Vorsitz ohne weiteres dem ältesten Mitglied zukäme, gibt es nicht; insoweit gilt nur die Übung, dass das älteste Mitglied nach dem Ausfall des bisherigen Vorsitzenden vorübergehend bis zu einer Einigung über den neuen Vorsitzenden den Vorsitz übernimmt, d.h. eventuelle Verhandlungen und Beschlussfassungen über die Wahl des Vorsitzenden leitet. Freilich kann eine Berufung des ältesten Mitgliedes für den Fall der Verhinderung des Kirchenpräsidenten oder des Stellvertreters entweder in einer Geschäftsordnung festgelegt oder durch ausdrückliche oder stillschweigende Einigung der Mitglieder im Einzelfall anerkannt werden.
3. Bei der durch die Geschäftsordnung oder durch Einigung der Mitglieder im Einzelfall zu treffenden Bestimmung des stellvertretenden Vorsitzenden kann die Auswahl unter allen Mitgliedern des Leitenden Geistlichen Amtes getroffen werden. Es steht hier nicht zur Entscheidung, ob sämtliche Mitglieder dieses Gremiums ordinierte Theologen sein müssen. Die Kirchenordnung statuiert diese persönliche Voraussetzung ausdrücklich nur in Artikel 46 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 für den Kirchenpräsidenten und seinen Stellvertreter, in Artikel 48 Absatz 1 Satz 2 für die Pröpste. Für das Mitglied, das nach Artikel 44 Absatz 2 hinzuzuwählen ist, wenn andernfalls im Leitenden Geistlichen Amt nicht alle Bekenntnisse vertreten wären, fehlt eine solche Regelung; es fragt sich jedoch, ob ihre entsprechende Anwendung sich daraus ergibt, dass der Schwerpunkt der Aufgaben des Leitenden Geistlichen Amtes auf theologischem Gebiete liegt. Gleichgültig, wie diese Frage zu beantworten ist, hat das nach Artikel 44 Absatz 2 hinzugewählte Mitglied jedenfalls die gleichen Rechte wie alle anderen Mitglieder; es kann daher auch kraft Geschäftsordnung oder durch Kollegialbeschluss bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten oder seines Stellvertreters zum stellvertretenden Vorsitzenden berufen werden.
III.
Das Gericht kommt danach in der gestellten Rechtsfrage zu folgendem Ergebnis:
1. Den Vorsitz im Leitenden Geistlichen Amt kann bei Verhinderung des Kirchenpräsidenten und seines Stellvertreters nur eines der anderen Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes führen.
2. Welches der anderen Mitglieder des Leitenden Geistlichen Amtes zum Vertreter im Vorsitz berufen ist, kann durch eine Geschäftsordnung des Leitenden Geistlichen Amtes allgemein geregelt werden. Mangels einer Geschäftsordnung ist der Vertreter im Vorsitz im Einzelfall durch Einigung der Mitglieder, notfalls durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen.