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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 17.12.1958 |
Aktenzeichen: | KVVG II 2/57 |
Rechtsgrundlage: | Art. 3 GG; § 32 KBG, § 2 KVVG |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | Gleichheitsgrundsatz, Reisekostenvergütung |
Leitsatz:
Zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Reisekostenvergütung theologischer und juristischer Oberkirchenräte.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer bei Dienstreisen Tagegelder und Übernachtungsgelder nach den gleichen Sätzen und in der gleichen Höhe wie den theologischen Sachbearbeitern der Kirchenverwaltung zu gewähren.
Das Urteil ist rechtskräftig.
#Tatbestand:
Der Beschwerdeführer, der juristischer Referent (Oberkirchenrat) bei der Beschwerdegegnerin ist und die der Besoldungsgruppe A 2 b entsprechende Reisekostenvergütung nach Tarifklasse II erhält, hat gegen die Beschwerdegegnerin Beschwerde erhoben mit dem Antrag,
festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer bei Dienstreisen Tagegelder und Übernachtungsgelder nach den gleichen Sätzen und in der gleichen Höhe wie den theologischen Sachbearbeitern der Kirchenverwaltung zu gewähren.
Zur Begründung seines Antrages hat der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Nach dem Beschluss der Kirchenleitung vom 11. Juli 1949 gelte für die Reisekosten die Bekanntmachung der Landeskirche vom 16. Juni 1934 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 131), die in allen wesentlichen Punkten die entsprechenden staatlichen Bestimmungen für anwendbar erkläre. Durch den gleichen Beschluss sei bestimmt worden, dass die geistlichen Oberkirchenräte zur Reisekostenstufe I b gehören.
Die Kirchenleitung habe in ihrer Sitzung vom 25. August 1952 ihren Beschluss vom 11. Juli 1949 dadurch bestätigt, dass sie beschlossen habe, dass es wegen der Reisekostenvergütung der geistlichen Oberkirchenräte bei der bisherigen Regelung Reisekostenstufe I b - verbleibe.
Die Einweisung der theologischen Referenten in die Reisekostenstufe I b durch die Beschlüsse der Kirchenleitung vom 11. Juli 1949 und 25. August 1952 sei ein rechtsetzender Verwaltungsakt, durch welchen die Rechtsverhältnisse der theologischen Sachbearbeiter der Kirchenverwaltung in Bezug auf die Reisekostenvergütung normiert worden seien. Dieser Verwaltungsakt enthalte eine Ausnahmeregelung zu Gunsten der theologischen Oberkirchenräte insofern, als ihnen dadurch eine Reisekostenvergütung zugebilligt würde, die über die ihrer Stellung entsprechende Vergütung hinausginge. Er enthalte gleichzeitig eine Ausnahmeregelung zum Nachteil des Beschwerdeführers und der juristischen Referenten, weil diesen die gleiche Vergünstigung nicht eingeräumt worden sei.
Es werde von der Beschwerdegegnerin bei Dienstfahrten von Oberkirchenräten ein grundlegender Unterschied insofern gemacht, dass ein Oberkirchenrat mit theologischer Vorbildung die Reisekostenvergütung nach Stufe I b bekomme, während ein Oberkirchenrat mit juristischer Vorbildung sich mit der Stufe II begnügen müsse.
Bei der Rechtsetzung der Kirchenleitung, abweichend von der staatlichen Regelung, Pfarrer und Kirchenbeamte einer anderen Reisekostenstufe zuzuweisen, sei diese jedoch an das für alle geltende Gesetz und insbesondere an den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nach Artikel 3 des Grundgesetzes gebunden. Diese Bindung bedeute, dass die Rechtsverhältnisse ohne Ansehen der Person zu normieren seien, und dass es auch dem kirchlichen Gesetzgeber verwehrt sei, ohne sachlichen Grund Ausnahmeregelungen zu Gunsten oder zum Nachteil eines bestimmten Personenkreises zu treffen, zumal die Kirchenordnung und das Kirchenverwaltungsgesetz von der Gleichrangigkeit und der Gleichwertigkeit der Stellen der theologischen und der juristischen Sachbearbeiter ausgingen.
Trotz mehrfacher Vorstellungen seinerseits habe sich die Beschwerdegegnerin bis jetzt geweigert, ihm die gleiche Dienstreisevergütung wie den theologischen Referenten einzuräumen, worin er eine Benachteiligung seinerseits erblicke, die sich bei sonst gleicher Sach- und Rechtslage nur auf die Tatsache gründe, dass er juristischer und nicht theologischer Referent sei.
Die Beschwerdegegnerin rechtfertige diese ihre unterschiedliche Entscheidung damit, dass die theologischen Referenten hinsichtlich ihrer Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung gegenüber den juristischen Referenten benachteiligt seien und deshalb eine Bevorzugung bei der Vergütung der Reisekosten verdienten.
Dies sei nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht das rechte Mittel, um Nachteile in Bezug auf die Altersversorgung auszugleichen. In dem Verhalten der Beschwerdegegnerin, die gegenüber den mehrfachen Vorstellungen des Beschwerdeführers untätig geblieben sei, und worin eine stillschweigend erfolgte Ablehnung seiner Ansprüche zu erblicken sei, sieht der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nach § 32 des Kirchenbeamtengesetzes sowie einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes.
Obwohl eine ausdrücklich gefasste Verwaltungsentscheidung bis jetzt noch nicht vorliege, hält der Beschwerdeführer das angerufene Gericht nach § 2 Ziffer 3 KVVG für zuständig.
Die Beschwerdegegnerin bestreitet an sich das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht, ebenso wenig die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, und räumt ein, dass die Eingaben des Beschwerdeführers nicht beantwortet worden seien.
Im übrigen trägt sie zur Rechtfertigung ihres Standpunktes das Folgende vor:
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau habe die theologischen Oberkirchenräte durch ein eigenes Pfarrerbesoldungsgesetz vom 11. Mai 1949 ohne Bindung an die Reichs- oder Bundesbesoldungsordnung und deren Vorschriften besonders gestellt. Hierauf seien auch ihre Beschlüsse vom 11. Juli 1949 und vom 25. August 1952 zurückzuführen.
Bei den beiden vorerwähnten Beschlüssen sei bezüglich der Rechtslage von folgenden Gesichtspunkten ausgegangen worden:
Die juristischen Referenten der Kirchenverwaltung seien Beamte auf Lebenszeit und würden aufgrund und nach Maßgabe in entsprechender Anwendung von staatlichen Besoldungsgesetzen besoldet, was auch für ihre Nebenbezüge, wie für die Reisekostenvergütung, gelte. Demgemäß gelte für den Beschwerdeführer das staatliche Reisekostenrecht von 1934 mit den dazu erlassenen Ergänzungsbestimmungen, wonach er in die Reisekostenstufe II gehöre, woran strikt festgehalten worden sei. Die theologischen Oberkirchenräte der Kirchenverwaltung seien keine Beamten. Die Kirchensynode habe vielmehr für Pfarrer und die theologischen Oberkirchenräte ein eigenes Gesetz und ein eigenes Recht, nämlich das vorstehend erwähnte Pfarrerbesoldungsgesetz vom 11. Mai 1949 geschaffen und erlassen, wodurch die für die juristischen Oberkirchenräte bestehende Bindung an das staatliche Recht für die theologischen Oberkirchenräte ausdrücklich nicht vollzogen worden sei. Für diese sei die Besoldung einschließlich ihrer Nebenbezüge, zu denen auch die Reisekosten zu rechnen seien, durch das Pfarrerbesoldungsgesetz abschließend geregelt, das auch für die Besoldungsbezüge einschließlich der Nebenbezüge für die theologischen
Oberkirchenräte ausdrücklich gelte.
Hiernach würden die theologischen Oberkirchenräte zu dem normalen Pfarrergehalt lediglich Zulagen oder Aufwandsentschädigungen, unter Umständen auch Zulagen und Aufwandsentschädigungen, erhalten. Eine Gleichstellung von theologischen und juristischen Oberkirchenräten in Bezug auf ihre Besoldung und ihre Nebenbezüge sei also an keiner Stelle im Gesetz und in der Kirchenordnung vorgesehen. Was den Verfassungssausschuss und die Väter der Kirchenordnung bewogen habe, die theologischen Sachbearbeiter in der Kirchenverwaltung besonders zu stellen, sei die Erwägung, dass sie in Bezug auf Sondervergünstigungen, wie sie die Pfarrer, z.B. mit der freien Dienstwohnung, besitzen, diesen gleichgestellt werden sollten, dass sie aber mit einer gewissen Bevorzugung zu behandeln wären, da ihre im Vergleich zu den Pfarrern bessere Besoldung bezüglich der Zuschläge nicht ruhegehaltsfähig gemacht worden sei.
Nach dem jetzt noch geltenden Pfarrerbesoldungsgesetz bekäme ein theologischer Oberkirchenrat nach seiner Zurruhesetzung lediglich die Pension eines einfachen Pfarrers und nicht mehr.
Aus diesen Erwägungen heraus seien auch die Beschlüsse der Kirchenleitung bezüglich der Reisekostenvergütung und der Einstufung der Theologen in die Stufe I b bei den Beschlüssen von 1949 und 1952 zu verstehen.
Der Beschwerdeführer bestreitet diese Ausführungen der Beschwerdegegnerin sowohl bezüglich ihrer Richtigkeit als auch bezüglich der daraus gezogenen Folgerungen, wie sich dies im einzelnen aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 24. Januar 1958 ergibt, auf den hier insoweit verwiesen wird.
Die Beschwerdegegnerin führt demgegenüber aus, dass die Eingabe des Beschwerdeführers vom 6. Mai 1955 für die Kirchenleitung keine Veranlassung zu einer Änderung der in ihren Beschlüssen vom 11. Juli 1949 und 25. August 1952 getroffenen Festsetzung betreffend die Reisekostenvergütung gegeben habe. Im übrigen erhalte der Beschwerdeführer die Reisekostenvergütung, die ihm auch nach staatlichem Recht in seiner Besoldungsgruppe A 14 zustünde.
Die theologischen Oberkirchenräte dagegen seien aufgrund ihrer besonderen Rechtsstellung und entsprechend der Autonomie der Kirche, die das frei regeln könne, herausgehoben worden. Sie erhielten eine entsprechend ihrem durch Zulagen erhöhten Pfarrergehalt, vor allem aber ihren Aufwendungen und ihrem Ansehen gemäße, hohe Gruppe der Reisekostenvergütung.
Es handele sich also nicht um eine Benachteiligung der Juristen, sondern um eine Normalstellung der Juristen und demgegenüber um eine bevorrechtigte Stellung der Theologen, auch bei der Reisekostenvergütung. Die für diese Bevorrechtigung der Theologen angeführten Gründe seien dabei an sich belanglos, jedoch sei an eine absichtliche Benachteiligung der Juristen dabei weder gedacht, noch sie geplant worden.
Auch dieser Auffassung widerspricht der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 16. Juni 1958, auf den insoweit verwiesen wird.
Der Beschwerdeführer weist schließlich noch darauf hin, dass das neue Kirchengesetz über die Besoldung und Versorgung der Pfarrer von der Kirchensynode im Verlauf der vorjährigen Herbsttagung am 4. Dezember 1958 angenommen und verabschiedet worden sei.
Dieses Gesetz enthalte in Bezug auf die Besoldung jedoch nicht die von der Beschwerdegegnerin erwartete Entscheidung über die Ungleichheit der juristischen und theologischen Sachbearbeiter der Kirchenverwaltung, sondern die Herstellung der Gleichheit der Grundgehälter beider Kategorien von Referenten. Damit seien die Beschwernisse nur insoweit beseitigt worden, als die Kirchensynode die Gleichberechtigung der theologischen und juristischen Referenten besoldungsrechtlich anerkannt habe, während die Anerkennung der Gleichberechtigung in Bezug auf die Reisekostenvergütung ihm immer noch versagt würde, so dass sein Antrag nach wie vor begründet sei, zumal die Kirchenleitung diesen in einem Zeitraum von über dreieinhalb Jahren nicht entschieden habe.
Im übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß § 2 Ziffer 3 KVVG zuständig. Die Zuständigkeit des Gerichts ist auch von der Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 6. Dezember 1957 nicht bezweifelt worden, die auch eingeräumt hat, die Eingaben des Beschwerdeführers nicht beantwortet zu haben, wodurch dessen Antrag praktisch als abgelehnt anzusehen war.
Die durch das Gericht zu entscheidende Frage ist die, ob eine Gleichstellung von juristischen und theologischen Oberkirchenräten auch hinsichtlich der Reisevergütung zu fordern ist oder nicht.
Diese Frage ist nicht aufgrund des Besoldungsrechtes und der auf diesem Gebiet zwischen Pfarrern und Kirchenbeamten bestehenden Unterschiede zu entscheiden. Bei der Entscheidung ist vielmehr ausschließlich von dem Sinn und Zweck der Reisekostenvergütung auszugehen, nämlich die Pfarrer und Kirchenbeamten "für den durch die Dienstreise verursachten Mehraufwand zu entschädigen" (vgl. § 4 Absatz 1 a.a.O.). Hiernach will der Gesetzgeber die Höhe dieser Entschädigung nach der Dienststellung des Beamten abgestuft wissen, was sich aus der Staffelung nach den einzelnen Besoldungsgruppen ergibt.
Nun kann es nach Auffassung des Gerichts keinem tatsächlichen wie rechtlichen Zweifel unterliegen, dass bei Dienstreisen der theologischen Sachbearbeiter kein höherer Mehraufwand entsteht als bei den Dienstreisen der juristischen Sachbearbeiter; denn nur dann, wenn bei Dienstreisen der theologischen Sachbearbeiter durch Repräsentation, größeren Verpflegungsaufwand usw. ein höherer Mehraufwand anzunehmen und für berechtigt zu erklären wäre, würde dies eine unterschiedliche Behandlung der theologischen und der juristischen Referenten hinsichtlich der Reisekostenvergütung möglicherweise rechtfertigen.
Indessen hat dafür die Beschwerdegegnerin nichts vorgetragen, geschweige denn Beweise angetreten. Sie hat auch die Behauptung des Beschwerdeführers, dass die theologischen Referenten eine monatliche Dienstaufwandsentschädigung von 50, DM beziehen, welche die juristischen Referenten nicht erhalten würden, und die bestimmungsgemäß zur Abdeckung eines höheren Dienstaufwandes bestimmt sei, nicht bestritten.
Konnte die Kirchenleitung aber schon nach dem Sinn und Zweck der Reisekostenvergütung keine unterschiedliche Behandlung von theologischen und juristischen Referenten normieren, so ist dieser Standpunkt der Beschwerdegegnerin erst recht nicht mehr als vertretbar anzusehen nach Erlass des neuen Kirchengesetzes über die Besoldung und Versorgung der Pfarrer vom 4. Dezember 1958, das ja die Herstellung der Gleichheit der Grundgehälter beider Kategorien von Referenten gebracht hat; damit entfallen aber auch die von der Beschwerdegegnerin für ihre unterschiedliche Behandlung vorgetragenen Gründe.
Die von der Beschwerdegegnerin getroffene Regelung verstößt schließlich auch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Dieser verbietet die willkürliche Schlechterstellung von Beamten aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Bediensteten, d.h. ihre willkürliche Herausnahme aus einer bestimmten Ordnung.
Demgemäß war, wie geschehen, zu erkennen.