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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Rechtsgutachten
Datum:26.02.1958
Aktenzeichen:KVVG I 1/58
Rechtsgrundlage:Art. 46 KO; § 46 PfG
Vorinstanzen:
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Zur Auslegung von Art. 46 Abs. 2 Satz 2 Kirchenordnung.
2. Wird der Kirchenpräsident gemäss Art. 46 Abs. 2 Satz 2 KO mit der Weiterführung des Amtes für acht Jahre beauftragt, so legt die Erteilung des Auftrags zugleich die Amtszeit unabhängig von der Altersgrenze fest. Dies gilt auch dann, wenn der Kirchenpräsident vor Ablauf der achtjährigen Amtszeit das 70. Lebensjahr vollendet.
3. Ob damit auch die Altersgrenze des § 46 Pfarrergesetz hinausgeschoben ist, bleibt unentschieden. Vieles spricht allerdings dafür, dass ein Kirchenpräsident auch aktiver Pfarrer sein soll.

Tenor:

Rechtsgutachten
des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau über die Amtsdauer des Kirchenpräsidenten im Falle des Artikels 46 Absatz 2 Satz 2 der Kirchenordnung
I.
Die Amtsdauer des derzeitigen Kirchenpräsidenten N., der am 11. April 1950 von der Kirchensynode gewählt worden ist, läuft gemäß Artikel 46 Absatz 1 Satz 2 KO in diesem Jahre aus. Die im März 1958 zusammentretende Kirchensynode hat über die weitere Besetzung des Amtes zu entscheiden; sie kann entweder gemäß Artikel 46 Absatz 1 Satz 1 KO einen neuen Kirchenpräsidenten wählen oder gemäß Artikel 46 Absatz 2 Satz 2 KO den bisherigen Kirchenpräsidenten mit der Weiterführung des Amtes beauftragen. Bei der Vorbereitung der Kirchensynode sind Zweifel und Meinungsverschiedenheiten darüber entstanden, ob im Falle der weiteren Beauftragung der Kirchenpräsident, der jetzt das 66. Lebensjahr vollendet hat, wiederum für acht Jahre im Amte wäre oder ob das Amt bereits enden würde, wenn er die gesetzliche Altersgrenze für Pfarrer erreicht, d.h. wenn er das 70. Lebensjahr vollendet. Die Kirchenleitung hat daher am 20. Januar 1958 beschlossen, ein Rechtsgutachten des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts über die Streitfrage zu beantragen. In Ausführung dieses Beschlusses hat der Vorsitzende der Kirchenleitung mit Schriftsatz vom 10. Februar 1958 Antrag gestellt auf Erstattung eines Rechtsgutachtens über die Frage, ob bei Beauftragung des Kirchenpräsidenten nach Artikel 46 Absatz 2 KO die Dauer dieser Beauftragung acht Jahre läuft oder ob sie mit Erreichung der in § 46 Absatz 1 des Kirchengesetzes über die Dienstverhältnisse der Pfarrer vom 20. April 1956 festgesetzten Altersgrenze (70. Lebensjahr) endet.
Zur Begründung des Antrags hat die Kirchenleitung die bestehenden Zweifel wie folgt näher dargelegt:
Für die Beendigung der Amtsdauer mit der Vollendung des 70. Lebensjahres spreche, dass die Bestimmungen des Pfarrergesetzes einschließlich der Bestimmung über die Altersgrenze auch für Oberkirchenräte und demnach auch für den Kirchenpräsidenten gälten. Im Gegensatz zu anderen Kirchen seien die Theologen in der Leitung und Verwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau nicht Beamte der kirchlichen Verwaltung mit einem entsprechend gehobenen regulären Gehalt, sondern sie blieben nach dem Willen der Kirchenverfassung und der weiteren Gesetze Pfarrer und erhielten die Dienstbezüge von Pfarrern, lediglich ergänzt durch eine Dienstaufwandsentschädigung und bestimmte Zulagen. Nach Ausscheiden aus der Verwaltung erhielten sie bei Rücktritt in ein Pfarramt lediglich Pfarrergehälter, im Falle, der Pensionierung das normale Ruhegehalt auf der Grundlage des Pfarrergehalts.
Demgegenüber könne für die andere Auffassung geltend gemacht werden, dass Artikel 46 Absatz 2 KO eine lex specialis für den Kirchenpräsidenten sei, die dem § 46 des Pfarrergesetzes vorgehe. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung der Kirchenordnung, besonders aus der Unterscheidung zwischen der "Wahl" in Absatz 1 und der "Beauftragung“ in Absatz 2, vor allem aber aus der Entstehungsgeschichte.
Im übrigen wird auf die Schriftsätze der Kirchenleitung verwiesen.
Der Präses der Kirchensynode hat Abschrift eines Gutachtens des Professors A., A, Institut für Evangelisches Kirchenrecht, vom 13. Januar 1958 übersandt. Das Gutachten, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, kommt zu dem Ergebnis, dass im Falle des Artikels 46 Absatz 2 KO ohne Rücksicht auf das Erreichen der Altersgrenze die achtjährige Amtsdauer gelte, und begründet dies mit dem Wortlaut der Bestimmung, mit allgemeinen Erwägungen über die Rechtsstellung der theologischen Amtsträger in der Kirchenleitung und mit der gesamtdeutschen kirchlichen Rechtsentwicklung.
II.
Der Antrag ist nach § 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 15 des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht gemäß Artikel 56 der Kirchenordnung vom 14. Februar 1952 (Amtsblatt S. 19) zulässig. Das begehrte Rechtsgutachten betrifft die Auslegung einer Bestimmung der Kirchenordnung. Das Gericht ist zur Erstattung dieses Gutachtens bereit. Auf die Ausführungen im Rechtsgutachten des Gerichts über die Stellvertretung im Vorsitz des Leitenden Geistlichen Amtes vom 28. November 1957 - I 1/57 - unter II 1 wird verwiesen.
III.
Die Vorschrift des Artikels 46 KO lautet:
"(1) Der Kirchenpräsident wird von der Kirchensynode gewählt. Er muss ordinierter Theologe sein. Er führt das Amt für die Dauer von acht Jahren.
(2) Danach legt er sein Amt in die Hände der Kirchensynode zurück. Diese kann ihn, wenn er die Altersgrenze noch nicht erreicht hat, mit der Weiterführung des Amtes für acht Jahre beauftragen.
(3) Absatz 1 und 2 gelten auch für seinen Stellvertreter."
Danach ist die Amtsdauer des Kirchenpräsidenten jeweils auf die Dauer von acht Jahren befristet. Dabei besteht kein Unterschied, ob es sich um die erste Wahl eines Kirchenpräsidenten oder um seine Beauftragung mit der Weiterführung des Amtes handelt. Nach dem klaren Wortlaut des Absatzes 2 Satz 2 gibt es nur eine Beauftragung "mit der Weiterführung des Amtes für acht Jahre“ eine kürzere Beaufragung ist damit ausgeschlossen. Das mit dem Worte "kann“ der Synode eingeräumte Ermessen hat nach dem sprachlichen Zusammenhang des Artikels 46 KO zum Gegenstand nur die Frage der weiteren Beauftragung, nicht aber die Dauer der neuen Amtszeit. Die Erteilung des Auftrages durch die Kirchensynode, d.h. durch das maßgebliche Organ der geistlichen Leitung und der kirchlichen Ordnung der Gesamtkirche (Artikel 30 Absatz 1 KO), legt zugleich die Amtszeit fest: Der von der Synode mit der Weiterführung des Amtes für acht Jahre beauftragte Theologe ist für diese Zeit der Kirchenpräsident.
Da der Wortlaut nichts über eine vorzeitige Beendigung bei Erreichung der Altersgrenze besagt, gilt die Verlängerung der Amtsdauer auf acht Jahre ohne Rücksicht darauf, ob der Kirchenpräsident während der neuen Amtsperiode die Altersgrenze erreicht oder nicht. Der in Absatz 2 Satz 2 eingeschobene Konditionalsatz "wenn er die Altersgrenze noch nicht erreicht hat" erweist, dass das Problem der Erreichung der Altersgrenze in diesem Zusammenhang nicht etwa übersehen, sondern ausdrücklich berücksichtigt wurde. Die Fassung ergibt klar, dass es auf die Altersgrenze nur insoweit ankommt, als eine Beauftragung mit der Weiterführung des Amtes voraussetzt, dass der bisherige Kirchenpräsident im Zeitpunkt der Beauftragung durch die Kirchensynode die Altersgrenze noch nicht erreicht hat. Hätte die Altersgrenze auch für die Dauer der neuen Amtsperiode Bedeutung haben sollen, so hätte dies ebenfalls ausdrücklich, z.B. durch Einfügung der Worte "jedoch nicht länger als bis zur Erreichung der Altersgrenze" am Schluss des Hauptsatzes zum Ausdruck kommen müssen. Dies gilt um so mehr, als eine verkürzte Amtszeit eine Abweichung gegenüber der sich aus Artikel 46 Absatz 1 Satz 2 ergebenden Amtsperiode von 8 Jahren darstellen würde.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte einer Verfassungsbestimmung überhaupt in Betracht kommt, wenn ihr Wortlaut und Sinn völlig klar sind. Denn eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte führt hier zu keiner anderen Auslegung. Aus den dem Gericht zugänglichen Unterlagen, nämlich den Protokollen des Verfassungsausschusses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (1947 - 1949), den Anlagen hierzu und den Protokollen der Verfassunggebenden Synode ergibt sich folgendes:
Der von der Bekenntnissynode der Evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen aufgestellte Entwurf der Kirchenordnung enthielt an einschlägiger Stelle folgende Bestimmung:
"Der Bischof ist ein von der Kirchensynode für die Amtsdauer von 8 Jahren zu erwählender Pfarrer. Er legt nach Ablauf seiner Amtszeit sein Amt in die Hände der Kirchensynode zurück. Wiederwahl ist zulässig."
(vgl. Anlage 1 S. 9 zu den Protokollen des Verfassungsausschusses, herausgegeben von Professor B.).
Der mit der Ausarbeitung einer Verfassung beauftragte Verfassungsausschuss der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau beriet in seiner 10. Sitzung am 15./16. April 1948 in Herborn zum ersten Male die einschlägigen Bestimmungen über das leitende Amt der Gesamtkirche und die Kirchenleitung. Der Referent, Professor C., legte hierbei einen Formulierungsversuch zur Kirchenordnung "Abschnitt III - Die Gesamtkirche" vor, der folgende Bestimmungen enthielt:
"Artikel
Der Bischof der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ist der von der Kirchensynode gewählte erste Pfarrer der Kirche ...
Artikel
Der Bischof steht im Rahmen des Möglichen im Predigtdienst einer Gemeinde.
Artikel
Nach dem Ablauf von jeweils 8 Jahren wird festgestellt, ob bei dem derzeitigen Bischof die Voraussetzungen zur gedeihlichen Fortführung seines Amtes gegeben sind. Zu diesem Zweck wird durch die Kirchensynode ein unabhängiger geistlicher Senat bestellt ............. Trifft der Senat mit 2/3-Mehrheit eine negative Feststellung, wird der Präses der Synode dem Bischof die Niederlegung seines Amtes nahe legen. Nur im Falle der Weigerung des Bischofs ist die Frage der Kirchensynode zur Entscheidung vorzulegen."
(vgl. Anlage 39 zu den Protokollen des Verfassungsausschusses).
Nach einer grundsätzlichen Diskussion über die Bezeichnung des leitenden Amtes (Bischof - Kirchenpräsident) und die Übertragung der leitenden kirchlichen Ämter auf Zeit oder Dauer wurde im Verfassungsausschuss, ohne dass dies bereits als erste Lesung gelten sollte, folgender Text festgestellt:
"Artikel
Der Kirchenpräsident ist ein von der Synode gewählter Pfarrer.
Er führt das Amt auf die Dauer von acht Jahren. Danach legt er sein Amt in die Hände der Kirchensynode zurück. Diese kann ihn mit der Weiterführung des Amtes für acht Jahre, bzw. bis zur Erreichung der Altersgrenze beauftragen.
...................“
(vgl. S. 43.der Protokolle des Verfassungsausschusses).
Die erste Lesung fand dann in der 11. Sitzung des Verfassungsausschusses am 28. und 29. April in Herborn statt (vgl. S. 45 ff a.a.O.). Dabei wurde der vorläufig festgestellte Text als Artikel 37 angenommen; lediglich in Absatz 3 Satz 2 das Wort "bzw." durch die Worte "jedoch nur" ersetzt. Nach den in den Protokollen des Verfassungsausschusses regelmäßig enthaltenen "Erläuterungen zum Text" wurde zunächst wiederum die Wahl des Titels (Bischof - Kirchenpräsident) diskutiert und entschieden. Bei der Beratung des Artikels 37 war die Mehrheit des Ausschusses der Meinung, dass das Pensionierungsgesetz für die Geistlichen auch für den Kirchenpräsidenten seine Geltung habe, während eine Minderheit sich für die Berufung auf Lebenszeit aussprach. Bei dem folgenden Artikel, der dem heutigen Artikel 47 entsprach, wurde die Frage aufgeworfen, ob der Kirchenpräsident eine Predigerstellung haben solle, jedoch von einer Bestimmung darüber abgesehen.
In der 27. Sitzung des Verfassungsausschusses am 12. November 1948 in Frankfurt/M. erhielt die Bestimmung in 2. Lesung als Artikel 41 folgende Fassung:
"(1) Der Kirchenpräsident wird von der Kirchensynode gewählt. Er muss ordinierter Theologe sein. Er führt sein Amt für die Dauer von acht Jahren.
(2) Danach legt er sein Amt in die Hände der Kirchensynode zurück. Diese kann ihn mit der Weiterführung des Amtes für acht Jahre, jedoch nur bis zur Erreichung der Altersgrenze, beauftragen.
(3) ………”
(vgl. S. 136 a.a.O.).
Nach den Erläuterungen wurde der Absatz 1 Satz 2 geändert, damit zum Kirchenpräsidenten auch ein Theologieprofessor oder ein Professor eines Predigerseminars oder ein ordinierter Theologe in einer sonstigen Dienststellung gewählt werden könnte. Die Erläuterungen besagen für Artikel 41 Absatz 2 folgendes:
"Schwierige Beratung brachte Artikel 41 Absatz 2 hinsichtlich der Bestimmung der Altersgrenze. Der Ausschuss war der Meinung, dass die Synode allmächtig sei und mit Zweidrittelmehrheit jeden Artikel der Kirchenordnung ändern könne. Wenn die Notwendigkeit gegeben sei, einen Mann in das Amt des Kirchenpräsidenten zu berufen, der die Altersgrenze überschritten hat, so hat die Kirchensynode Vollmacht hierzu."
(vgl. S. 138 a.a.O.).
In der 3. Lesung nahm der Verfassungsausschuss in seiner 28. Sitzung am 15. November 1948 in Wiesbaden auf Antrag des Kirchenpräsidenten N. bei einigen Artikeln, u.a. auch bei Artikel 41 Änderungen vor (vgl. S. 139 f. a.a.O.). Obwohl das Protokoll dies nicht ausdrücklich sagt, muss es sich hierbei um die Änderung gehandelt haben, die dem Artikel die heutige Fassung gab, d.h. um die Streichung der Worte "jedoch nur bis zur Erreichung der Altersgrenze" und um die Einfügung des Satzes "wenn er die Altersgrenze noch nicht erreicht hat". Denn der Entwurf des Verfassungsausschusses, der der Verfassunggebenden Synode bei ihrer zweiten Tagung vom 22. - 24. November 1948 in Frankfurt a.M. - Niederrad vorlag, enthielt bereits als Artikel 42 eine Bestimmung, die denselben Wortlaut hat wie der heutige Artikel 46 (vgl. "Kirchentag der Evangelischen Landeskirche in Hessen, der Evangelischen Kirche in Nassau und der Evangelischen Kirche in Frankfurt a.M. und Verfassunggebende Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau am 30. September und 1. Oktober 1947 in Friedberg/Hessen (Burgkirche) sowie vom 22. - 24. November 1948 in Frankfurt am Main - Niederrad, Franz Leitz-Verlag, Wiesbaden, 1949 I S. 159 ff., S.167; die Änderung der Bezifferung der Artikel ergab sich daraus, dass gegenüber der 3. Lesung im Verfassungsausschuss der Inhalt des früheren Artikels 36 Nr. 5 als Artikel 37 zu einem besonderen Artikel umgestaltet worden war).
Die Verfassunggebende Synode diskutierte in der 1. Lesung, bei der keine Abstimmung stattfand, u.a. die Frage der Befristung des Amtes des Kirchenpräsidenten. Bei der 2. Lesung auf der 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode vom 14. - 18. März 1949 kam es wiederum zu einer grundsätzlichen Diskussion über Wesen und Bezeichnung des leitenden kirchlichen Amtes, wobei die Debatte zeigt, dass die Bestimmungen zum Teil stark im Hinblick auf die Person des damaligen Kirchenpräsidenten N. gesehen wurden.
(vgl. Kirchentag a a.O. Teil II S. 85 ff., 112 ff.).
Zu Artikel 46 Absatz 2 lag ein Antrag M. vor, die Vorschrift wie folgt zu fassen:
"Danach legt er sein Amt in die Hände der Kirchensynode zurück. Wird er wiedergewählt, so hat er das Amt bis zur Erreichung der Altersgrenze inne. Er kann über die Altersgrenze hinaus mit Zweidrittelmehrheit weiter in seinem Amt beauftragt werden."
Hierzu ergab sich folgende Diskussion.
"M.: Wenn es Gott gefallen hat, eine Kirche zu segnen durch ihren Kirchenpräsidenten, darf sie ihn nicht wieder auf 8 Jahre wählen, sondern muss ihn bis zur Erreichung der Altersgrenze wählen. Er ist ja dann auch inzwischen ein ganzes Stück über 50 Jahre alt. Es kann auch bei einem Kirchenpräsidenten eine Notwendigkeit vorliegen, ihn über die Altersgrenze hinaus zu beauftragen...............
S.: Wir haben sehr lange darüber gesprochen. Das gleiche kann ja vom LGA gesagt werden, auch vom Pfarramt. Machen Sie keine zwei verschiedenen Stände in der Kirche. Es gibt nur ein Amt in der Kirche. Zur Überschreitung der Altersgrenze: Es muss auch die Möglichkeit gegeben sein, dass die Kirche einmal einen alten Mann los wird. Es schien der einfachste Weg zu sein, dass er wieder nur für die Dauer von 8 Jahren gewählt wird..................
H.: Es ist doch ein Unterschied zwischen Kirchenpräsident und Pfarrer. Er ist schwerer zu ersetzen als ein Pfarrer.
Prof. S.: Das ist wohl alles richtig. Aber dass ein Mann, der die Altersgrenze bereits erreicht hat, wiedergewählt werden soll, das passiert im Jahrhundert vielleicht zweimal. Sollten wir dafür eine besondere Kategorie schaffen und dadurch bei allen denen, die bei Erreichung der Altersgrenze nicht mehr gewählt werden, Bitterkeit hervorrufen? Wenn ein besonderer Mann gewählt werden soll, ist das durchaus zu machen. Eine Zweidrittelmehrheit kann ja die KO abändern.
Präses: Mit einer Zweidrittelmehrheit kann ja das gleiche erreicht werden, was M. will.
M.: Ich ziehe meinen Antrag zurück."
(vgl. Kirchentag a.a.O. Teil II S. 118 f.).
Die Vorschrift wurde danach unverändert angenommen.
In ihrer 4. Sitzung am 17.3.1949 nahm die Verfassunggebende Synode den Artikel 46 in 3. Lesung ebenfalls unverändert an.
(vgl. Kirchentag a.a.O. Teil II S. 170 ff., 478).
Dieser Überblick zeigt, dass die Verfassungsgeber die Amtsperiode des Kirchenpräsidenten nicht an die regelmäßige Amtsdauer des Pfarramtes binden wollten. Dies ergibt sich jedenfalls aus der Änderung in der 3. Lesung des Verfassungsausschusses, mit der die ausdrückliche Begrenzung der Amtsdauer bis zur Altersgrenze im Falle der Amtsverlängerung fallen gelassen wurde. Weniger klar erscheint in diesem Zusammenhang die Diskussion über den Antrag M. Die Ausführungen des Synodalen S. könnten den Eindruck erwecken, dass der Antrag abgelehnt wurde, um keine verschiedenen Kategorien innerhalb der Kirche zu schaffen, und insoweit die Annahme nahe legen, als seien die Synodalen davon ausgegangen, dass die Altersgrenze, auch für den Kirchenpräsidenten gelte. Jedoch handelte es sich bei dem Antrag M. um etwas anderes. Sein Anliegen ging in erster Linie dahin, im Falle der Wiederwahl die Amtszeit eo ipso bis zur Erreichung der Altersgrenze auszudehnen, d. h. sie u. U. über den Zeitraum von acht Jahren hinaus zu verlängern, und weiter darum, auch dann, wenn der Kirchenpräsident im Zeitpunkt der Wahl die Altersgrenze bereits erreicht habe, eine Wiederwahl zu ermöglichen. Die von der Mehrheit geteilte Gegenmeinung wollte demgegenüber an der Befristung des Amtes auf acht Jahre festhalten und ebenso wie bei anderen Ämtern verfassungsmäßig eine Wahl nicht mehr zulassen, wenn im Zeitpunkt der Wahl die Altersgrenze bereits überschritten ist.
Die sich demnach aus dem Wortlaut ergebende, durch die Entstehungsgeschichte bestätigte Auslegung des Artikels 46 Absatz 2 wird durch § 46 des Pfarrergesetzes vom 20. April 1956 (Amtsblatt S. 79), nicht berührt. Denn das Amt des Kirchenpräsidenten ist als eines der höchsten Ämter der Gesamtkirche in Bezug auf die Voraussetzungen, die Berufung und die Amtsdauer in der Kirchenordnung selbst und besonders geregelt. Bestimmungen, die in Kirchengesetzen über andere Ämter einschließlich des Pfarramtes getroffen werden, können auf den Kirchenpräsidenten nur insoweit Anwendung finden, als sie mit der genannten Regelung der Kirchenordnung in Einklang stehen oder die Kirchenordnung insoweit unter den verfassungsmäßigen Voraussetzungen ändern.
Ob umgekehrt der Antrag auf Weiterführung des Amtes als Kirchenpräsident die Wirkung hat, dass für die Person des Beauftragten die Altersgrenze des § 46 des Pfarrergesetzes ohne weiteres hinausgeschoben wird, d.h. dass er für die weitere Amtsdauer als Kirchenpräsident auch aktiver Pfarrer bleibt, kann unentschieden bleiben. Eine solche ausdrückliche Regelung, wie sie für die richterlichen Mitglieder des Hessischen Staatsgerichtshofes durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1948 (GVBl. 1949 S. 1) getroffen worden ist, fehlt. Sie könnte für das Kirchenrecht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau aber aus dem Sinn der Kirchenordnung entnommen werden. Nach ihr soll der Kirchenpräsident nicht in erster Linie Verwaltungsbeamter, sondern Pfarrer sein und als solcher tatsächlich wirken (vgl. KO Artikel 44, 45, 47 Absatz 2). Insbesondere die Aufgaben, die ihm die Kirchenordnung im Leitenden Geistlichen Amt zuweist, sind, bezogen auf die Gesamtkirche, die eines aktiven Pfarrers. Gewisse Zweifel könnten sich daraus ergeben, dass Artikel 46 Absatz 1 Satz 2 KO nicht verlangt, dass der Kirchenpräsident bei seiner ersten Wahl Pfarrer ist; er muss lediglich ordinierter Theologe sein. Andererseits hat die Kirchenordnung wie das Kirchengesetz betreffend die Pfarrerbesoldung vom 11. Mai 1949 (ABl. S. 77) in seinem § 4 als den Regelfall den im Auge gehabt, dass ein Pfarrer zum Kirchenpräsidenten gewählt wird.
IV
Das Gericht kommt daher in der gestellten Rechtsfrage zu folgendem Ergebnis:
Wird ein Kirchenpräsident nach Ablauf seiner Amtszeit gemäß Artikel 46 Absatz 2 Satz 2 mit der Weiterführung des Amtes beauftragt, so beträgt die Amtsdauer wiederum acht Jahre. Dies gilt auch dann, wenn der Kirchenpräsident vor Ablauf der achtjährigen Amtszeit das 70. Lebensjahr vollendet.