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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 30.10.1969 |
Aktenzeichen: | KVVG I 1/69 |
Rechtsgrundlage: | Art. 19 GG; Art. 5,14,38,45,47,64 KO; § 35 KGO; §§ 2,5,17,33,35 KVVG; § 90 BVerfGG; § 65 VwGO; §§ 91,251 ZPO |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | Antragsberechtigung, Feststellungsanträge, Kirchenordnungsausschuss, Kirchensynodalvorstand, Rechtsschutzinteresse, Verfassungsbeschwerde, Vetorecht |
Leitsatz:
1. Weder aus der Eigenschaft als Gemeindeglied, noch als Pfarrer der EKHN, noch als Vorsitzender eines Kirchenvorstandes ergibt sich für die Anfechtung eines Beschlusses der Kirchensynode über die Einsetzung eines Kirchenordnungsausschusses eine Antragsberechtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 KVVG.
2. Der Vorsitzende eines Kirchenvorstandes hat nicht die Stellung eines kirchlichen Organs; diese Stellung kommt dem Kirchenvorstand in seiner Gesamtheit zu.
3. Rechtliche Interessen im Sinne des § 5 Abs. 1 KVVG sind rechtlich geschützte Interessen. Die rechtlichen Interesse brauchen nicht verletzt zu sein; es genügt für die Antragsberechtigung nach § 5 Abs. 1 KVVG, dass sie berührt werden. Das Interesse muss aber einem schon bestehenden Recht entwachsen und so beschaffen sein, dass es durch die zutreffende Entscheidung bedingt, bedroht oder sonst zu seinem Nachteil beeinflusst werden kann. Rechtliche Interessen eines Dritten werden dann nicht berührt, wenn der Rechtsstreit kein Rechtsverhältnis betrifft, dessen Bestehen oder Nichtbestehen auf die rechtlich geschützten Interessen des Dritten einwirken kann. Es kommt auch nur auf die eigenen Interessen des Dritten an.
4. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich keine Erweiterung der Antragsbefugnis für das Verfahren vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht. Auch eine analoge Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht möglich, da der kirchliche Gesetzgeber die Zuständigkeit des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts nur in den ausdrücklich bestimmten Fällen begründet hat.
5. Im Rahmen der Beschwerde nach § 2 Nr. 3 KVVG sind auf abstrakte Auslegung gerichtete Feststellungsanträge nicht zu lässig.
Tenor:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer.
#Tatbestand:
Die Vierte Kirchensynode der EKHN hat auf ihrer 2. Tagung vom 2. bis 6. Dezember 1968 einstimmig beschlossen, einen Kirchenordnungsausschuss einzusetzen. Dieser Beschluss beruht, auf einer Empfehlung des Arbeitskreises "Probleme der Kompetenzabgrenzung", der sich auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie in Arnoldshain am 15. - 17. November 1968 gebildet hatte. Über das Thema, zu der sich Synodale und andere zusammengefunden hatten, - das Thema lautete: "Wie demokratisch kann die Kirche sein?" - hatte D. - B das der Synode unterbreitete und in den gedruckten "Verhandlungen der Kirchensynode" S. 405 ff. wiedergegebene Referat gehalten. Jene Empfehlung hatte folgenden Wortlaut:
Die Kirchensynode wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuss für die Kirchenordnung bestellt mit dem Auftrag.
1. ständig die Regelungen der Kirchenordnung zu überdenken im Hinblick auf die Aufgaben der Kirche in einer stetigem Wechsel unterworfenen Umwelt,
2. Das Verhältnis der Synode (besonders des Synodalvorstandes) zur Kirchenleitung zu überprüfen, z. B. Artikel 47 Abs. 1 Buchst. d der Kirchenordnung und die Frage eines Vetorechts des Synodalvorstandes gegen Beschlüsse der Kirchenleitung.
(Verhandlungen der Kirchensynode S. 420).
Nach einer Aussprache über diesen Antrag, die sich vorwiegend auf die Zusammensetzung des Ausschusses bezog, hatte der Präses die Frage zur Abstimmung gestellt, "ob wir einen Kirchenordnungsausschuss haben wollen "(Verhandlungen S. 95 - 97). Im Anhang zu den "Verhandlungen" ist der Beschluss vom 3. Dezember 1968 über die Einsetzung des Kirchenordnungsausschusses wie folgt formuliert:
Die Kirchensynode beschließt die Bildung eines Kirchenordnungsausschusses, der ständig die Regelungen der Kirchenordnung im Hinblick auf die Aufgaben der Kirche in einer stetigem Wechsel unterworfenen Umwelt zu überprüfen hat. Diesem Ausschuss sollen angehören: Je zwei Vertreter aus allen Visitationsbezirken, ein reformiertes Mitglied der Kirchensynode, der Vorsitzende des Theologischen Ausschusses, der Vorsitzende des Rechtsausschusses und ein Vertreter der Strukturkommissionen. (Namen der Mitglieder des Ausschusses siehe Beschluss Nr. 21) ...
(Verhandlungen S. 692 unter Nr. 14)
Die Wahl der Mitglieder des Kirchenordnungsausschusses, die ebenfalls noch am 3. Dezember 1968 erfolgte (Verhandlungen S. 135/136, 694 unter Nr. 21), ist im Amtsblatt der EKHN Nr. 3/69 vom 11. März 1969 (S. 65) bekannt gegeben worden.
Gegen den Beschluss der Kirchensynode, "einen Kirchenordnungsausschuss zu bilden", hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. März 1969, eingegangen am 13. März 1969, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28. März 1969, eingegangen am 31. März 1969, begründet.
Der Beschwerdeführer beantragt:
Festzustellen, dass die Beschlüsse der Kirchensynode vom Dezember 1968, durch die der Kirchenordnungsausschuss bestellt wurde, sich im Widerspruch zur Kirchenordnung befinden und auch der Geschäftsordnung zuwiderlaufen.
Hilfsweise beantragt der Beschwerdeführer:
1. festzustellen, dass der in der 4. Kirchensynode am 3. Dezember 1968 gebildete Kirchenordnungsausschuss nicht den Charakter eines ständigen Ausschusses hat.
2. festzustellen, dass zum Wesen der vom in der 4. Kirchensynode am 3. Dezember 1968 gebildeten Kirchenordnungsausschuss in Gesetzesvorlagen zu erstellenden Ordnung bzw. Neuordnung nicht ihre permanente Veränderbarkeit gehört.
3. festzustellen, dass der in der 4. Kirchensynode am 3. Dezember 1968 gebildete Kirchenordnungsausschuss an den Grundartikel der Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17. März 1949 in der Fassung vom 21. April 1966 gebunden ist.
Der Beschwerdeführer hat nach seinem Vortrag von dem Beschluss der Kirchensynode erstmals durch eine Veröffentlichung in "Weltweite Hilfe", Heft 6 Januar/Februar 1969 S. 24 Kenntnis erhalten, ohne dass dieser Zeitpunkt genau feststellbar ist. Das Protokoll der Tagung der Vierten Kirchensynode hat er am 22. März 1969 erhalten und damit erst den genauen Inhalt der Beschlüsse erfahren.
Der Beschwerdeführer will die Beschwerde auf § 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 3 KVVG stützen, und zwar als Glied der EKHN, als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde in A und Vorsitzender des Kirchenvorstands. Seine Rechte und Pflichten als Gemeindeglied, Pfarrer und Kirchenvorstandsvorsitzender seien geregelt durch die Kirchenordnung und deren Nebengesetze. Durch den Beschluss der Kirchensynode könne er diese klare Regelung nicht mehr als gegeben ansehen.
Der Beschwerdeführer meint, schon als Gemeindeglied habe er ein rechtliches Interesse an den Beschlüssen der Kirchensynode, die die Kirchenordnung betreffen; erst recht aber als Pfarrer, wenn der Ordinationsvorbehalt (Art. 14 Abs. 2 letzter Absatz der Kirchenordnung) ernst genommen werden solle. Ähnliches gelte für ihn als Vorsitzenden des Kirchenvorstands. In einer von der Gemeinde her aufgebauten Kirchenordnung könne es nicht gleichgültig sein, ob die Kirchenordnung gelte oder einem für das Gemeindeglied nicht mehr überschaubaren und einsichtigen ständigen Wechsel unterworfen sei.
Mit der Behauptung, durch die Beschlüsse der Synode in seinen rechtlichen Interessen verletzt zu sein, begründet der Beschwerdeführer das Antragsrecht nach § 5 Abs. 1 KVVG. Er führt aus, für die Zulässigkeit der Beschwerde komme es nicht darauf an, ob das Gericht eine materielle Verletzung seiner Rechte feststellen werde. In der allgemeinen Verwaltungsprozesslehre und im geltenden Staatsrecht sei für die Zulässigkeit der Klage (des Bürgers gegen Maßnahmen der staatlichen Gewalt) eine tatsächliche Rechtsverletzung nicht erforderlich; es genüge, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend mache, die sich allerdings nicht nur auf verbale Behauptungen beschränken dürfe. Aber es sei ausreichend, wenn sich aus den Darlegungen ergebe, dass eine Verletzung der rechtlichen Interessen zumindest möglich erscheine (vgl. Eyermann-Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 1965 § 42 Rdnr. 86, 87). Diese Grundsätze müssten analog auf das innerkirchliche Verfahrensrecht angewendet werden, weil die Interessenlage die gleiche sei. Es handele sich auch hier um einen Rechtsstreit aus einem kirchlichen Über- und Unterordnungsverhältnis. Da die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, gelte subsidiär Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Danach sei gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt immer der Rechtsweg offen (vgl. Hesse, Kirchliche und staatliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in DVBl. 1955 S. 589, 591).
Der Beschwerdeführer führt in materieller Hinsicht zur Begründung aus:
1. Der Beschluss der Kirchensynode gehe von einem irrigen Grundverständnis der Kirchenordnung aus. Sämtliche Gesetze und Ordnungen der EKHN gingen auf die Kirchenordnung zurück und müssten an ihr überprüfbar sein. Die Kirchenordnung müsse eine größere Konstanz als andere Gesetze und Ordnungen aufweisen. Die Recht und Ordnung in der Kirche begründende Bedeutung der Kirchenordnung werde aber durch einen Ausschuss, der ständig die Regelungen der Kirchenordnung zu überdenken habe, in Frage gestellt, sogar unmöglich gemacht. Die EKHN stehe mit einem solchen Ausschuss unter allen Kirchen und Ländern allein.
Keineswegs müsse von der Illusion einer perfekten Kirchenordnung ausgegangen werden, die niemals irgendeiner Änderung oder Ergänzung bedürfe. Selbstverständlich könne der Kirchensynode nicht das Recht und die Pflicht zum Überdenken, zur Überprüfung und im Notfall auch zur Änderung der Kirchenordnung abgesprochen werden. Aber es sei ein grundlegender Unterschied, ob ein Ausschuss zur Neuschaffung einer Kirchenordnung, zur Änderung einzelner, konkreter Punkte der Kirchenordnung, also für bestimmte Verhandlungsgegenstände geschaffen werde, oder ob er zum "ständigen Überdenken der Kirchenordnung" bestellt werde und damit eine allgemeine und umfassende Aufgabe habe.
Eine Kirchenordnung, die im Auftrag der Synode einer ständigen Überprüfung in allen Teilen ausgesetzt sei, in der die Überprüfung zum höchsten Prinzip erhoben werde und die nie eine - im Rahmen des Menschenmöglichen - "endgültige Form" finde, könne keine oberste Norm zur Rechtsfindung abgeben. Wenn sonst die Änderung einer Kirchenordnung nur im Notfall ins Auge gefasst werde, aber von ihrem Wesen her nie "ständig" geschehen könne, würden hier menschlich mögliche "endgültige" Lösungen von vornherein abgelehnt. Die Kirchenordnung werde damit zu einem Provisorium. Die Arbeit des Ausschusses sei nicht ernst zu nehmen, wenn von vornherein feststehe, dass er keine feste, klare, ausreichende und dadurch "endgültige" Lösung finden solle und könne.
Wenn dieser Ausschuss zu Recht bestehe, müsse die Autorität sämtlicher Institutionen der EKHN sowie ihre Eingliederung in die EKD und Ökumene angezweifelt werden. Es bestehe die Gefahr, dass in kritischen Situationen Änderungswünsche zur Kirchenordnung aus der Schublade geholt werden, um die bestehenden Kräfteverhältnisse zu ändern. Stellung, Auftrag, Dienst und Pflicht sowie Autorität und Vollmacht sämtlicher kirchenleitender Organe, auch der Synode, könnten sofort und immer dann in Frage gestellt werden, wenn man es für nötig halte. Der Willkür sei damit Tür und Tor geöffnet. Aus der ständigen Überprüfung der Kirchenordnung durch einen Ausschuss müsse ständige Rechtsunsicherheit resultieren. Damit sei auch keine feste Basis mehr für das kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht gegeben, dem nach Art. 64 der Kirchenordnung die maßgebliche Auslegung des geltenden kirchlichen Rechts obliege.
Der Ausschuss übe seine Tätigkeit völlig unabhängig aus und sei an keine Weisungen des Synodalvorstands oder der Kirchensynode gebunden. Er habe eine umfassende Funktion während der Vierten Kirchensynode, ohne zeitliche und sachliche Einschränkung. Derart übe der Ausschuss letztlich kirchenleitende, alles kontrollierende Funktionen aus. Es stelle sich auch die Frage, ob die Einrichtung eines Ausschusses mit einer derartigen Funktion nicht den Grundsatz verletze, dass die Verhandlungen der Kirchensynode öffentlich sind (Art. 38 Abs. 4 der Kirchenordnung).
Gegenüber dem möglichen Einwand, dass ein Ausschuss nur vorbereitende Arbeit zu leisten habe und die eigentlichen Beschlüsse von der Synode zu fassen seien, lehre die Praxis, dass die Arbeit eines Ausschusses wegweisend sei.
Die Kirchensynode könne nicht jeden Ausschuss ohne weiteres bestellen und mit jeder denkbaren und möglichen oder auch unmöglichen Aufgabe betrauen.
2. Die Bildung des Kirchenordnungsausschusses stehe im Widerspruch zu der Theologischen Erklärung von Barmen, die nach dem Grundartikel als Bestandteil der Kirchenordnung anzusehen sei. Hiernach dürfe die Kirche die "Gestalt ... ihrer Ordnung" nicht "ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen oder politischen Überzeugung überlassen" (Theologische Erklärung von Barmen, III c). Sie habe sich vielmehr "eine eigene, von der jeweils herrschenden politischen und weltanschaulichen Überzeugung unabhängige Ordnung zu geben" (H.).
3. Der Kirchenordnungsausschuss sei der Sache nach als ständiger Ausschuss eingerichtet. Dies widerspreche Artikel 45 der Kirchenordnung in Verbindung mit der Geschäftsordnung, worin die ständigen Ausschüsse abschließend festgelegt seien. Daher hätte es einer Änderung der Kirchenordnung bedurft. Überdies sei das Erfordernis des Artikels 45 Abs. 1 Satz 2 KO nicht erfüllt, weil der Kirchenordnungsausschuss nicht "für ein bestimmtes Sachgebiet oder aus besonderem Anlass" gebildet sei.
4. Auch die Zusammensetzung des Ausschusses sei zu beanstanden, weil das Verhältnis von Pfarrern und Nichtpfarrern nicht seiner Bedeutung entspreche. Bei der Zusammensetzung des Theologischen und des Rechtsausschusses z. B. habe die Synode den Willen bekundet, dass diese Fragen entsprechend ihrer Bedeutung qualifiziert behandelt werden.
Zu den hilfsweise gestellten Anträgen führt der Beschwerdeführer noch folgendes aus:
1. Schon die Empfehlung des Arbeitskreises "Probleme der Kompetenzabgrenzung" sei nur auf die Bildung eines Ausschusses für die Kirchenordnung gerichtet gewesen, ohne dass es sich um einen ständigen Ausschuss handeln sollte. Auch bei der Abstimmung über die Frage, "ob wir einen Kirchenordnungsausschuss haben wollen", sei nicht von einem ständigen Ausschuss die Rede gewesen. Der Wortlaut des Beschlusses, wie er auf S. 692 der Verhandlungen der 2. Tagung der Vierten Kirchensynode gefasst sei, enthalte nichts über einen ständigen Ausschuss. Der Umstand, dass D., der als Initiator des Kirchenordnungsausschusses anzusehen sei, einmal von einem ständigen Ausschuss gesprochen und dass auch der Präses vor der Debatte diese Bezeichnung verwendet habe, rechtfertige nicht den gegenteiligen Standpunkt. Ein ständiger Ausschuss habe aber weit stärkere Funktionen als ein gewöhnlicher Ausschuss (vgl. Art. 45 der Kirchenordnung).
2. Der Beschwerdeführer meint, eine Grundordnung habe verfassungsrechtlich normative Kraft und sei daher ein Stabilisierungsfaktor. Es bestehe eine Polarität von starrer und beweglicher Verfassungsgestaltung (so Hesse in "Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland", 2. Aufl. S. 16 ff.). Gerade das Grundgesetz kenne auch Unveränderbarkeiten (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG). Dies gelte durchaus auch für das Kirchenrecht, wobei vor allem auf die Bekenntnisgrundlage zu verweisen sei.
Dem widerspreche die Tendenz nach einer permanenten Veränderbarkeit der Kirchenordnung, wie sie vor allem von D. in dem erwähnten Referat postuliert werde. Dort werde von "einer kirchlichen Revolution" gesprochen, zumindest in dem Sinne, "die kirchliche Ordnung ganz und gar zu demokratisieren"; es müsse ein neues Verständnis von Ordnung dahin gefunden werden, dass die Veränderbarkeit wesenhaft zur Ordnung gehöre.
Demgegenüber bezieht sich der Beschwerdeführer auf ein bisher nicht veröffentlichtes Referat von E. über "Autorität und Demokratie in der Kirche", in dem die Meinung vertreten wird, dass das Prinzip der Gewaltenteilung im Grunde für die kirchliche Organisation, in der die Einheit des Wirkens von großer Bedeutung sei, ohne erheblichen Anwendungsbereich bleibe. Dessen ungeachtet bleibe aber auch nach E. noch ein Raum für die Demokratisierung in der Kirche, die aber eher zu verstehen sei, als "eine Abkehr von den Resten einer am Staat und seiner Verwaltung orientierten Amtskirche, die zu stark den Zug einer kirchlichen Verwaltung, zu wenig den des gemeinsamen Dienstes an der christlichen Gemeinde spüren lasse".
Der Beschwerdeführer schließt hieraus, dass der Kirchenordnungsausschuss einen antirechtlichen Akzent, vor allem aber auch einen antikirchenrechtlichen Aspekt habe.
3. Mit dem Hilfsantrag zu 3) will der Beschwerdeführer den schon behandelten Widerspruch zu Art. III der Theologischen Erklärung von Barmen sichtbar machen. Es bestehe die offenkundige Gefahr einer Entartung des Kirchenordnungsausschusses im Sinne seiner Initiatoren, weil die Darlegungen von D., auf denen der Antrag beruhe, bei der Beratung in der Kirchensynode ohne Protest geblieben und der Beschluss einstimmig gefasst worden sei.
Die Beschwerdegegnerin hält das angerufene Gericht für unzuständig. Der Beschluss der Kirchensynode erfülle nicht den Tatbestand des § 2 Nr. 3 KVVG, der neue Kirchenordnungsausschuss habe nur ein rechtlich für die Synode unverbindliches Vorschlagsrecht.
Zudem sei der Beschwerdeführer nicht antragsberechtigt, denn der angefochtene synodale Beschluss berühre keine eigenen rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers, und zwar weder als Gemeindeglied, noch als Vorsitzender eines Kirchenvorstandes, noch als Pfarrer; der Beschwerdeführer sei auch weder ordentliches noch stellvertretendes Mitglied der Synode.
Vorsorglich führt die Beschwerdegegnerin in materieller Hinsicht folgendes aus:
1. Die Einsetzung eines Synodalausschusses mit dem Auftrag der Überprüfung der Kirchenordnung widerspreche nicht der Kirchenordnung. Die Synode sei berechtigt, im Rahmen der Grundartikel die Kirchenordnung zu ändern (vgl. Artikel 40 KO). Deshalb könne die Synode einen Ausschuss beauftragen, Änderungen der Kirchenordnung zu bedenken und gegebenenfalls Änderungsvorschläge der Synode zu unterbreiten. In diesem Rahmen bewege sich der angefochtene Beschluss.
2. Die Bildung des Ausschusses entspreche der Kirchenordnung, weil in Artikel 45 die dort genannten ständigen Ausschüsse nicht erschöpfend, sondern nur beispielsweise aufgeführt seien.
3. Die Bestellung und die Zusammensetzung des Ausschusses verstießen auch nicht gegen die Geschäftsordnung der Kirchensynode, weil die Kirchensynode die Bestellung und Zusammensetzung weiterer Ausschüsse selbst zu bestimmen habe.
4. Schließlich verstoße der Beschluss auch nicht gegen Ziff. III - 3 der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen. Die Gestaltung der Kirchenordnung werde allein der verantwortlichen Entscheidung der Synode im Rahmen der Grundartikel überlassen.
Zu den Hilfsanträgen bemerkt die Beschwerdegegnerin, der Beschluss der Kirchensynode über die Einsetzung eines Kirchenordnungsausschusses sei aus sich heraus zu verstehen. Die Intentionen von D. seien nicht in den Inhalt des Beschlusses der Synode eingegangen. Die Darlegungen dieses Referats seien schon auf der Tagung in Arnoldshain nicht ohne Widerspruch geblieben.
#Entscheidungsgründe:
Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil der Beschwerdeführer nach § 5 Abs. 1 KVVG nicht antragsberechtigt ist.
Entgegen der Annahme der Beschwerdegegnerin ist zwar die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach § 2 Nr. 3 KVVG nicht deswegen zu verneinen, weil der Kirchenordnungsausschuss nur ein die Synode nicht bindendes Vorschlagsrecht hat. Nach der genannten Vorschrift entscheidet das Gericht auf Antrag über Beschwerden gegen synodale Beschlüsse oder gegen Verwaltungsentscheidungen, soweit die Anwendung der Kirchenordnung oder sonstiger kirchlicher Rechtsnormen gerügt wird. Diese Zuständigkeitsregelung ist durch keine weiteren Kriterien eingeschränkt.
Dem Beschwerdeführer steht aber ein Antragsrecht nach § 5 Abs. 1 KVVG nicht zu. Antragsberechtigt und parteifähig sind hiernach nur Einzelpersonen, kirchliche Körperschaften, kirchliche Organe, Werke und Verbände, deren rechtliche Interessen berührt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Beschwerdeführer weder als Gemeindeglied, noch als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde A, noch als Vorsitzender des Kirchenvorstands dieser Kirchengemeinde.
1. Ein Antragsrecht des Beschwerdeführers als Vorsitzenden des Kirchengemeindevorstands ist schon deswegen zu verneinen, weil er in dieser Funktion (§§ 35 ff. KGO) nicht als kirchliches Organ anzusehen ist. Wohl hat der Kirchenvorstand nach der Kirchenordnung (Art. 5 ff.) die Stellung eines kirchlichen Organs. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde jedoch nicht namens des Kirchenvorstands, sondern nur als Vorsitzender des Kirchenvorstands erhoben. Eine Erklärung des Kirchenvorstands kann vom Vorsitzenden auch nicht allein, sondern nur gemeinsam mit einem weiteren Mitglied abgegeben werden (§ 47 Abs. 2 KGO). Anders ist es nur bei "den laufenden Geschäften der kirchengemeindlichen Verwaltung", die dem Vorsitzenden nach § 35 KGO obliegen. Zu diesen Geschäften gehört die Beschwerdeführung in dieser Sache nicht.
2. Dem Beschwerdeführer fehlt auch in seiner Eigenschaft als Gemeindeglied und als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde A die Antragsbefugnis, weil seine rechtlichen Interessen durch die angefochtenen Beschlüsse der Synode nicht berührt werden.
Für die Zulässigkeit der Beschwerde kommt es allerdings, wie der Beschwerdeführer zutreffend vorgetragen hat, nicht darauf an, dass seine rechtlichen Interessen durch die Beschlüsse der Synode verletzt werden. Das Antragsrecht nach § 5 Abs. 2 KVVG ist nicht davon abhängig, dass rechtliche Interessen verletzt werden, sondern es reicht aus, dass der Antragsteller in seinen rechtlichen Interessen berührt wird.
Anders als bei dem Rechtsweg vor den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist auch für die Zulässigkeit der Beschwerde nach § 5 Abs. 1 KVVG nicht einmal die Behauptung erforderlich, in seinen Rechten verletzt zu sein. Ebenso wenig entspricht die Antragsbefugnis nach dieser Vorschrift der Aktivlegitimation für die Verfassungsbeschwerde nach § 90 BVerfGG, die nur mit der Behauptung erhoben werden kann, der Beschwerdeführer sei durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem der dort aufgeführten grundrechtähnlichen Rechte verletzt.
Indem § 5 Abs. 1 KVVG das Antragsrecht denjenigen einräumt, "deren rechtliche Interessen berührt werden", werden erkennbar geringere Anforderungen als in den vorgenannten Bestimmungen gestellt. Die erwähnte Formulierung lehnt sich an den Wortlaut des § 60 Abs. 1 des früheren hessischen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 30. Juni 1949 (HessGVBl. S. 137) an. Hiernach konnten Personen beigeladen werden, "deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden." Diese Formulierung ist unverändert in die Verwaltungsgerichtsordnung übernommen worden (§ 65 Abs. 1).
Nach der Rechtsprechung zu den genannten Vorschriften über das verwaltungsgerichtliche Verfahren (vgl. Eyermann-Fröhler, VwGO 4. Aufl. 1965 § 65 Rdnr. 19 bis 21 mit ausführlichen Hinweisen) sind rechtliche Interessen rechtlich geschützte Interessen. Die rechtlichen Interessen brauchen nicht verletzt zu werden; es genügt, dass sie berührt werden. Das Interesse muss aber einem schon bestehenden Recht entwachsen, und es muss so beschaffen sein, dass es durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bedingt, bedroht oder sonst zu seinem Nachteil beeinflusst werden kann. Rechtliche Interessen eines Dritten werden dann nicht berührt, wenn der Rechtsstreit kein Rechtsverhältnis betrifft, dessen Bestehen oder Nichtbestehen auf die rechtlich geschützten Interessen des Dritten einwirken kann. Es kommt auch nur auf die eigenen Interessen des Dritten an.
Bei der Gleichartigkeit der gesetzlichen Voraussetzungen hat das Gericht keine Bedenken, diese von der Verwaltungsrechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung des § 5 Abs. 1 KVVG sinngemäß heranzuziehen. Daraus ergibt sich in dieser Sache für die Antragsbefugnis:
Die Beschwerde gründet sich auf die Besorgnis, die Kirche verliere durch eine Kirchenordnung, die einem ständigen Überdenken und immer wiederkehrenden Änderungen ausgesetzt sei, die nötige fest gefügte Grundlage. Die bloße Befürchtung vor künftigen und vielleicht tiefgreifenden Änderungen der Kirchenordnung berührt aber keine rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers. Seine Rechtsstellung als Gemeindeglied und als Pfarrer kann durch die Einrichtung und die Wahl eines Ausschusses, der der Synode nur Empfehlungen unterbreiten kann, noch nicht beeinträchtigt werden.
Erst wenn die Synode sich Empfehlungen des Kirchenordnungsausschusses zu eigen macht und sie zum Gesetz erhebt, könnten rechtliche Interessen des Beschwerdeführers berührt werden. Dann käme aber gegen ein Kirchengesetz das eingeschränkte Antragsrecht nach § 5 Abs. 2 KVVG in Betracht, das nur den gemäss der, Kirchenordnung gebildeten Organen sowie einer Gruppe von mindestens zehn Mitgliedern der Kirchensynode zusteht.
Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers ergibt sich auch aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland keine Erweiterung der Antragsbefugnis für das Verfahren vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht. Diese Vorschrift des Grundgesetzes garantiert den Rechtsweg nur demjenigen, der durch die staatliche öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Da diese Vorschrift eine innerstaatliche Rechtsweggarantie enthält, kann sie sich nicht auf den innerkirchlichen Raum beziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde einer Kirchengemeinde gegen einen Teilungsbeschluss der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und gegen ein Urteil der 2. Kammer des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 17. Februar 1965 für unzulässig erklärt und hierbei ausdrücklich entschieden, dass innerkirchliche Maßnahmen nicht zur öffentlichen Gewalt im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG gehören (BVerfGE 18, 385 [386 f.]). Das Bundesverfassungsgericht hat dies daraus hergeleitet, dass die Kirchen nach dem kirchenpolitischen System des Grundgesetzes innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Angelegenheiten selbst ordnen und verwalten. Der Staat erkennt die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind; er darf daher nicht in ihre inneren Verhältnisse eingreifen. Aus der Rechtsstellung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts folgt zwar, dass kirchliche Gewalt öffentliche Gewalt ist, aber nicht staatliche Gewalt. Innerkirchliche Maßnahmen sind daher der Prüfung am Maßstab des staatlichen Rechts und damit der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen.
Diese aus der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirchen im Verhältnis zum Staat (vgl. auch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 1 und 3 Weimarer Verfassung; Art. 48 Abs. 3, 49, 50 Abs. 2 der Hessischen Verfassung) abgeleiteten Grundsätze für die Abgrenzung der staatlichen Gewalt von innerkirchlichen Maßnahmen gelten in gleicher Weise für § 90 Abs. 1 BVerfGG wie für Art. 19 Abs. 4 GG. Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die angefochtenen Beschlüsse der Synode dem innerkirchlichen Bereich zuzurechnen sind (vgl. BVerfGE 18, 385 [387 f. ]).
Auch eine analoge Anwendung des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes auf das innerkirchliche Verfahrensrecht, wie sie der Beschwerdeführer für geboten hält, widerspricht dem Recht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, ihre innerkirchlichen Angelegenheiten selbständig und eigenverantwortlich zu ordnen. Das erkennende Gericht hat wiederholt betont, dass über den Umfang des Rechtsschutzes vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht allein der kirchliche Gesetzgeber zu entscheiden hat (vgl. die Urteile vom 19. Januar 1955 - I 1/53 - und vom 26. November 1965 - I 1/65 -). Der kirchliche Gesetzgeber hat die Zuständigkeit des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts nur in den ausdrücklich bestimmten Fällen begründet. Anders als in der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit hat er nicht etwa für alle Streitigkeiten im kirchlichen Bereich den Rechtweg durch eine Generalklausel eröffnet. Der kirchliche Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen, dass Streitigkeiten im kirchlichen Raum in der Regel auf andere Weise und durch andere Instanzen beizulegen sind und ein formelles gerichtliches Verfahren hierzu nur in bestimmten Fällen als geeignet und notwendig erscheint.
Zu den Hilfsanträgen des Beschwerdeführers ist ergänzend noch folgendes zu bemerken:
Alle drei Feststellungsanträge zielen darauf ab, den Beschluss der Synode über die Bildung eines Kirchenordnungsausschusses inhaltlich näher zu bestimmen oder einzuschränken. Damit wird nicht der Beschluss der Synode als solcher angefochten, sondern es wird eine modifizierende Auslegung des Beschlusses der Synode begehrt. Gewiss ist "die maßgebliche Auslegung des geltenden kirchlichen Rechts" Aufgabe des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts, dies jedoch nur in dem Zuständigkeitsbereich und in dem Verfahren, wie sie das Gesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht regelt (Art. 64 KO). Im Rahmen der Beschwerde nach § 2 Nr. 3 KVVG aber sind auf abstrakte Auslegung gerichtete Feststellungsanträge nicht zulässig. Dies folgt schon aus der in § 35 KVVG vorgeschriebenen ergänzenden Anwendung der Zivilprozessordnung, weil nach § 256 ZPO mit solchen Anträgen keine Feststellungsklage erhoben werden kann. Es erhellt auch aus den beschränkten Beschwerdegründen des § 17 Abs. 1 Nr. 1 - 3 KVVG. Soweit die Feststellungsanträge aber als Anträge aufzufassen sind, die Beschlüsse der Synode teilweise aufzuheben, ist ihre Zulässigkeit aus denselben Gründen zu verneinen wie die Zulässigkeit des Hauptantrags.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 35 KVVG in Verbindung mit § 91 ZPO. Im Hinblick auf § 33 Satz 1 KVVG hat sie nur Bedeutung für die den Parteien entstandenen Auslagen.
Die Verwerfung der Beschwerde aus verfahrensrechtlichen Gründen hindert den Beschwerdeführer nicht, seine Bedenken gegen den Beschluss der Synode über die Bildung eines Kirchenordnungsausschusses auf eine geeignete Weise, etwa kirchenpolitisch weiter zu verfolgen. Es steht ihm im Rahmen des Kirchenrechts frei, auf die Willensbildung der Synode, besonders bei der Wahl oder mit Hilfe gleichgesinnter Synodalen, Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus ist er nicht gehindert, seine Meinung in Wort und Schrift zu äußern und sich auf diese Weise Gehör zu verschaffen.