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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 27.02.1976 |
Aktenzeichen: | KVVG II 2/76 |
Rechtsgrundlage: | Art. 17 KO; §§ 12,30,38,38a PfG; §§ 17,35 KVVG; §§ 42,80 VwGO; §§ 572,707,719 ZPO |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | , Amtseinführung, Aufschiebende Wirkung, Beurlaubung, Verwaltungsakt, Verwaltungsauftrag |
Leitsatz:
1. Der Beschluss der Kirchenleitung, einen Pfarrer mit der Verwaltung einer Pfarrstelle zu beauftragen, ist eine Verwaltungsentscheidung, die auf einer entsprechenden Anwendung des § 38 a Abs. 1 Pfarrergesetz beruht. Sie kann von dem Betroffenen nach § 30 Abs. 1 Pfarrergesetz mit der Beschwerde vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht angefochten werden.
2. Die beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht eingelegte Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Das ergibt sich schon aus der Verweisung des § 35 KVVG auf die Zivilprozessordnung, in der der Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt (Ergänzung zu der Entscheidung im Fall Nr. 19 - "Aufschub der Amtseinführung" -).
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; die außergerichtlichen Kosten trägt der Beschwerdeführer.
#Tatbestand:
Der Beschwerdeführer ist Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Im August des vergangenen Jahres stellte er den Antrag, ihn nach Beendigung seines Dienstauftrags bei der Evangelischen C-gemeinde A., also ab 1. September 1975, für die Dauer von zwei Jahren ohne Bezüge zu beurlauben, damit er in dieser Zeit eine Leitungsfunktion im Präsidium der Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) wahrnehmen könne. Die Beschwerdegegnerin lehnte diesen Antrag in ihrer Sitzung vom 22. September 1975 ab und forderte den Beschwerdeführer zugleich auf, sich unverzüglich um eine freie Pfarrstelle zu bewerben. Als der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht nachkam, beschloss die Beschwerdegegnerin in ihrer Sitzung vom 2. Dezember 1975, den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung mit der Verwaltung der Pfarrstelle D., Dekanat E., zu beauftragen. Sie teilte dem Beschwerdeführer diesen Beschluss mit Schreiben vom 15. Dezember 1975 mit.
Nachdem der Beschwerdeführer am 31. Dezember 1975 beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht Beschwerde gegen den Beschluss der Kirchenleitung vom 22. September 1975, durch den sein Antrag auf Beurlaubung abgelehnt worden war, erhoben hatte, teilte er dies der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom gleichen Tage mit und beantragte zugleich, den Beschluss vom 2. Dezember 1975 bis zur gerichtlichen Entscheidung über seine Beschwerde auszusetzen. Er wies zugleich darauf hin, dass er - schon aus objektiven Gründen - der Entscheidung vom 2. Dezember 1975 nicht nachkommen könne. Seine familiäre Situation -Berufstätigkeit seiner Frau und Schulbesuch seiner beiden Kinder - weise ihm M. als Wohnort zu. Eine sinnvolle Tätigkeit in einem Pfarramt sei aber nur bei möglichst dauerhafter Anwesenheit des Pfarrers am Ort möglich.
Über die von dem Beschwerdeführer gegen den Dienstauftrag zur Verwaltung der Pfarrstelle D. erhobenen Einwendungen beriet die Beschwerdegegnerin in ihrer Sitzung vom 12. Januar 1976. Sie beschloss, dass es bei ihrem Beschluss vom 2. Dezember 1975 bleibe, da die Wahrnehmung dieses Dienstes ohne Ortswechsel zumutbar sei. In dem mit einer Rechtsmittelbelehrung gemäß § 30 Abs. 1 Pfarrergesetz versehenen Schreiben vom 15. Januar 1976, in dem die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer diese Entscheidung mitteilte, wies sie zugleich darauf hin, sie gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer die Pfarrstelle D. im Hinblick auf die Entfernung von A. vorläufig auch ohne Wechsel des Wohnorts versehen könne. Die weitere Verwendung des Beschwerdeführers als Pfarrer könne im übrigen nicht bis zum Abschluss des Kirchengerichtsverfahrens in der Schwebe bleiben. Sie müsse den Beschwerdeführer deshalb förmlich auffordern, dem Dienstauftrag der Kirchenleitung nachzukommen.
Gegen die Entscheidung der Kirchenleitung vom 2. Dezember 1975 bzw. 12. Januar 1976 hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Januar 1976, bei Gericht eingegangen am 30. Januar 1976, Beschwerde eingelegt.
Er hält die angefochtene Entscheidung schon deshalb für rechtswidrig, weil er gegen die Ablehnung seines Beurlaubungsantrags Beschwerde beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht eingelegt habe und diese Beschwerde bis zur Entscheidung des Gerichts aufschiebende Wirkung habe. Im übrigen sei die angefochtene Entscheidung rechtswidrig, weil sie ihm die Möglichkeit genommen habe, sich selbst um eine freie Pfarrstelle zu bewerben. Eine solche Bewerbung sei für ihn jedoch unzumutbar, solange er seine Beurlaubung anstrebe. Auch die Verwaltung einer Pfarrstelle sei für die betroffene Gemeinde wie für ihn selbst unzumutbar, solange noch die Möglichkeit seiner Beurlaubung bestehe.
Der Beschwerdeführer verweist im übrigen auf seine Ausführungen in dem Parallelverfahren, in dem er Beschwerde gegen die seinen Beurlaubungsantrag ablehnende Entscheidung der Kirchenleitung eingelegt hat, und beantragt,
die Entscheidung der Beschwerdegegnerin vom 2. Dezember 1975 bzw. 12. Januar 1976 aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht:
Die Beschwerde sei zulässig. Sie richte sich gegen eine Entscheidung nach § 38a Abs. 1 Pfarrergesetz. Diese berühre die Rechtsstellung des Pfarrers, z. B. im Hinblick auf die Pflicht zum Beziehen einer Dienstwohnung (§ 12 Abs. 1 Pfarrergesetz) und ggf. zur Übernahme des Vorsitzes im Kirchenvorstand (Art. 17 Abs. 2 KO).
Die Beschwerde sei jedoch nicht begründet. Sie könne nicht darauf gestützt werden, dass die Kirchenleitung bei ihrer Entscheidung das geltende Recht nicht oder unrichtig angewandt oder die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens nicht eingehalten habe (§ 17 Abs. 1 KVVG).
Die Kirchenleitung sei nicht nur berechtigt, sondern im Hinblick auf ihre Verantwortung für die ausreichende geistliche Versorgung der Gemeinden auch verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer einen neuen pfarramtlichen Dienstauftrag zu erteilen, nachdem er von sich aus keine Bewerbungen um eine freie Stelle eingereicht habe. Die Kirchenleitung habe mit der Auswahl der neuen Stelle in räumlicher Nähe zu M. und mit der vorläufigen Befreiung von der Residenzpflicht die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers hinreichend berücksichtigt. Im übrigen müssten den Pfarrern und Pfarrvikaren bei einer Versetzung in aller Regel bestimmte unvermeidliche Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen zugemutet werden. Der Beschwerdeführer sei schon ein Jahr vor Beendigung seines Dienstauftrags bei der C-gemeinde in A. davon unterrichtet worden, dass eine Verlängerung dieses Auftrags nicht in Frage komme. Er sei gebeten worden, sich um eine freie Pfarrstelle zu bewerben oder sonst um seine Zukunft Gedanken zu machen.
#Entscheidungsgründe:
Die Beschwerde ist nach den Vorschriften des § 30 Abs. 1 Pfarrergesetz zulässig. Sie richtet sich gegen eine Verwaltungsentscheidung der Kirchenleitung, die auf einer entsprechenden Anwendung des § 38a Abs. 1 Pfarrergesetz beruht. Diese Entscheidung greift wegen der mit ihr verbundenen Übertragung eines neuen Aufgabenbereichs und der grundsätzlichen Verpflichtung zum Wohnungswechsel (§ 12 Abs. 1 Pfarrergesetz) in die "Rechtsverhältnisse" des Beschwerdeführers im Sinne von § 30 Pfarrergesetz ein (für die ähnliche Frage der Versetzung eines Beamten vgl. BVerwGE 26, 65; Redecker/v. Oertzen, 5. Aufl., RdNr. 72 zu § 42 VwGO). Der Beschwerdeführer ist antragsberechtigt, weil seine rechtlichen Interessen durch die angefochtene Entscheidung berührt werden. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.
Das Rechtsschutzinteresse ist für den Beschwerdeführer nicht dadurch entfallen, dass seine Beschwerde gegen den Bescheid der Kirchenleitung, durch den die von ihm erbetene Beurlaubung abgelehnt wurde, von dem erkennenden Gericht inzwischen zurückgewiesen worden ist. Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass er nach wie vor auf eine Entscheidung über die vorliegende Beschwerde Wert legt. Er hat an dieser Entscheidung auch ein schutzwürdiges Interesse. Denn die angegriffene Verwaltungsentscheidung der Beschwerdegegnerin hat nach wie vor und gerade nachdem die Beschwerde in dem Parallelverfahren zurückgewiesen worden ist, Bestand. Der Beschwerdeführer greift diese Verwaltungsentscheidung in dem vorliegenden Verfahren unter rechtlichen Gesichtspunkten an, die nicht identisch sind mit den von ihm gegen die seinem Beurlaubungsantrag ablehnende Verwaltungsentscheidung der Kirchenleitung erhobenen Einwendungen. Schließlich hat der Beschwerdeführer auch im Hinblick auf etwaige disziplinarrechtliche Maßnahmen der Beschwerdegegnerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob die von ihm angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtswidrig war.
Die hiernach zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Die Beschwerdegegnerin war nicht deshalb gehindert, den Beschwerdeführer mit der Verwaltung der Pfarrstelle D. zu beauftragen, weil dieser die seinen Beurlaubungsantrag ablehnende Entscheidung der Kirchenleitung angefochten hatte. Denn die beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht eingelegte Beschwerde hatte keine aufschiebende Wirkung.
Dies ergibt sich schon daraus, dass nach § 35 KVVG die Vorschriften der Zivilprozessordnung Anwendung finden, da das Kirchengesetz selbst keine Regelung über eine etwaige aufschiebende Wirkung der Beschwerde enthält. Im Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung hat die Einlegung eines Rechtsmittels jedoch grundsätzlich keine Auswirkung auf die Vollstreckbarkeit der angefochtenen Entscheidungen (§§ 719, 707; 572 ZPO).Auch bei entsprechender Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung hätte die Beschwerde in dem Parallelverfahren jedoch keine aufschiebende Wirkung gehabt, da eine aufschiebende Wirkung schon begrifflich nur bei Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte denkbar ist, nicht hingegen, wenn von der Verwaltung ein gestellter Antrag abgelehnt wird (Redecker/v. Oertzen, 5. Aufl., RdNr. 2 zu § 80 VwGO).
Die angefochtene Entscheidung findet in der entsprechenden Anwendung des § 38a Pfarrergesetz ihre Rechtsgrundlage. Sie konnte von der Beschwerdegegnerin getroffen werden, obwohl über den Beurlaubungsantrag des Beschwerdeführers noch nicht rechtskräftig entschieden war. Bei der für die Beschwerdegegnerin nicht vorauszusehenden Dauer des kirchengerichtlichen Verfahrens einerseits und dem bestehenden Pfarrermangel andererseits war die Beschwerdegegnerin berechtigt, den Beschwerdeführer mit der Verwaltung einer Pfarrstelle zu beauftragen, auch auf die Gefahr hin, dass der Beschwerdeführer später doch noch beurlaubt werden musste. Die Übernahme eines solchen Auftrags war für den Beschwerdeführer zumutbar; er konnte nicht verlangen, monatelang ohne festen Auftrag zu bleiben. Auch gegenüber der betroffenen Gemeinde war die Beauftragung des Beschwerdeführers vertretbar; ihr war mit einem solchen Auftrag zur - wenn auch vielleicht nur vorübergehenden - Verwaltung der Pfarrstelle mehr gedient als mit einer völligen Vakanz der Stelle. Richtig ist zwar, dass dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihm angestrebte Beurlaubung nicht zuzumuten war, sich um eine freie Pfarrstelle zu bewerben; gleiches gilt jedoch nicht für die Durchführung des ihm erteilten Auftrags zur Verwaltung einer freien Pfarrstelle. Dem Beschwerdeführer wurde durch den ihm erteilten Auftrag auch nicht die Möglichkeit genommen, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben. Diese Möglichkeit steht ihm nach wie vor offen, nachdem das Kirchengericht nunmehr über die von ihm eingelegten Beschwerden entschieden hat. Die Kirchenleitung hat schließlich bei der Auswahl der Pfarrstelle die nach § 38a Abs. 2, § 38 Abs. 1 Pfarrergesetz gebotene Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers genommen. Sie hat ihn vorläufig von der Residenzpflicht befreit und eine Pfarrstelle für ihn ausgesucht, die er auch ohne Wechsel des Wohnorts versehen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 33, 35 KVVG, § 91 ZPO.