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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:26.10.1979
Aktenzeichen:KVVG II 1/79
Rechtsgrundlage:§§ 2,12,13 KandO; § 9 VorbildG; §§ 2,17,18 KVVG; §§ 42,155 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Kostenentscheidung, Pfarramtskandidat, Rechtsmittelbelehrung, Verwaltungsakt, Vikare, Vorbereitungsdienst
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Leitsatz:

Die Mitteilung nach § 13 der Kandidatenordnung, der Pfarramtskandidat werde voraussichtlich nach Abschluss des praktischen Vorbereitungsdienstes nicht in den Pfarrdienst übernommen werden können, stellt keine endgültige Entscheidung über die Übernahme in den Pfarrdienst dar, sondern ist nur ein warnender Hinweis. Da sie keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Kandidaten hat, ist sie kein (anfechtbarer) Verwaltungsakt.
Wird ein Verfahren vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht durch eine falsche Rechtsmittelbelehrung veranlasst, so können der Kirchenleitung auch im Falle ihres Obsiegens die Kosten des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 5 VwGO auferlegt werden.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beschwerdegegnerin.
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Tatbestand:

Der Beschwerdeführer war Pfarramtskandidat der Beschwerdegegnerin.
Am 13. November 1978 fasste die Beschwerdegegnerin folgenden Beschluss:
„Herrn Vikar A., A.. soll mitgeteilt werden, dass er nach Abschluss des praktischen Vorbereitungsdienstes nicht in den Pfarrdienst der EKHN übernommen werden kann (§ 13 Kandidatenordnung)."
Die Kirchenverwaltung teilte darauf dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. November 1978 mit, die Kirchenleitung habe beschlossen, dass er nach dem Zweiten Theologischen Examen voraussichtlich nicht in den Pfarrdienst übernommen werden könne. Zugleich wurden ihm die Gründe hierfür mitgeteilt. Am Schluss des Schreibens wurde ausgeführt, gegen den Beschluss der Kirchenleitung, der nicht unmittelbar seinen Status als Pfarramtskandidat oder seine Zulassung zum Zweiten Theologiechen Examen beeinflusse, stehe dem Beschwerdeführer kein Rechtsmittel zu; wenn die Kirchenleitung ihn nach bestandenem Zweiten Theologischen Examen nicht in ihren Pfarrdienst übernehme, könne er dagegen beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht Einspruch erheben.
Mit Schreiben vom 12. April 1979 bat der Beschwerdeführer dann, ihm den Bescheid der Kirchenleitung über die maßgeblichen Gründe der Entlassung nach § 12 der Kandidatenordnung mit einer Rechtsmittelbelehrung mitzuteilen. In Beantwortung dieses Schreibens wies die Kirchenverwaltung den Beschwerdeführer am 26. April 1979 darauf hin, dass die Kirchenleitung nicht beschlossen habe, ihn gemäß § 12 Abs. 1 der Kandidatenordnung aus der Liste der Pfarramtkandidaten zu streichen. Wie ihm bereits mit Schreiben vom 17. November 19'78 mitgeteilt worden sei, habe die Kirchenleitung vielmehr am 13. November 1978 gemäß § 13 der Kandidatenordnung beschlossen, dass er nach Abschluss des praktischen Vorbreitungsdienstes nicht in den Pfarrdienst der EKHN übernommen werden könne. Sein Vorbereitungsdienst ende mit der Ablegung der Zweiten Theologischen Prüfung. Es sei zu keiner Zeit vorgesehen gewesen, ihn in ein sechsmonatiges Spezialpraktikum nach der Zweiten Theologischen Prüfung einzuweisen. Dieses Spezialpraktikum werde den Pfarramtskandidaten mit einem vergleichbaren Ausbildungsgang (Zweiter Bildungsweg) in aller Regel ohne besonderen Antrag auf Grund von § 2 Abs. 3 der Kandidatenordnung erlassen. Dies sei ihm auch mündlich mehrfach mitgeteilt worden. Dem Beschwerdeführer wurde am Schluss des Schreibens die Rechtsmittelbelehrung erteilt, er könne gegen die Entscheidung der Kirchenleitung vom 13. November 1978 innerhalb einer Frist von einem Monat seit Zustellung dieses Schreibens Beschwerde beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht erheben.
Der Beschwerdeführer hat hierauf mit Schreiben vom 25. Mai 1979, bei Gericht eingegangen am 28. Mai 1979, gegen den Bescheid vom 26. April 1979 Beschwerde eingelegt.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss der Kirchenleitung vom 13. November 1978 aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
In ihrer Beschwerdeerwiderung führt die Beschwerdegegnerin aus:
Der Beschluss vom 13. November 1978 enthalte zwar nicht ausdrücklich die in § 13 der Kandidatenordnung vorgesehene Einschränkung, der Beschwerdeführer werde voraussichtlich nicht in den Pfarrdienst übernommen werden. Der Klammerhinweis auf § 13 der Kandidatenordnung mache aber hinreichend deutlich, dass der Beschluss auf Grund und im Rahmen dieser Vorschrift ergangen sei, die nur eine rechtzeitige Ankündigung einer späteren Entscheidung vorsehe, und zwar einer ablehnenden Entscheidung im Rahmen von § 9 Abs. 2 des Kirchengesetztes über die Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Pfarrer in der EKHN in der Fassung vom 7. Dezember 1967 (ABI. 1968 S. 42). Nach dieser Vorschrift entscheide die Kirchenleitung über die Berufung als Pfarrvikar und die Ordination, wenn der Kandidat die Zweite Theologische Prüfung bestanden und die praktische Vorbereitung abgeschlossen habe.
Gehe man davon aus, dass der Beschluss der Kirchenleitung vom 13. November 1978 noch nicht als Verwaltungsentscheidung anzusehen sei, so erscheine es zweifelhaft, ob bisher überhaupt eine Verwaltungsentscheidung zur Übernahme des Beschwerdeführers in den Pfarrdienst ergangen sei, die beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht angefochten werden könne. Die Kirchenverwaltung habe zwar in ihren Schreiben an den Beschwerdeführer vom 6. und 26. April 1979 klar zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer nicht in den Pfarrdienst der EKHN übernommen werden könne. Ein erneuter Beschluss der Kirchenleitung gemäß § 9 Abs.2 des Kirchengesetzes über die Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Pfarrer sei jedoch bisher nicht ergangen. Eine entsprechende Beschlussfassung könne gegebenenfalls noch nachgeholt werden.
Wenn der angefochtene Beschluss der Kirchenleitung nicht als Verwaltungsentscheidung anzusehen sei, habe der Beschwerdeführer auch nicht die Ausschlussfristen des § 17 Abs. 3 KVVG (bish. Fassung) versäumt. Der Beschwerdeführer habe diese Fristen aber auch dann nicht versäumt, wenn man den Beschluss der Kirchenleitung als Verwaltungsentscheidung werte. Denn nach § 58 Abs. 2 VwGO sei die dort genannte Ausschlussfrist von einem Jahr für die Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht zu beachten, wenn eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt sei, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Dieser Grundsatz müsse auch für die Anwendung des § 17Abs. 3 in der bisherigen Fassung ergänzend herangezogen werden, zumal nach § 38 KVVG in der vom 1. Oktober 1979 an geltenden Fassung die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden seien, wenn grundsätzliche Unterschiede der beiden Verfahrensordnungen dies nicht ausschlössen.
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Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, richtet sich die Beschwerde gegen den Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 13. November 1978. Sie betrifft nicht die in dem Schreiben der Kirchenverwaltung vom 26. April 1979 ebenfalls erwähnte Frage der Ableistung eines Spezialpraktikums durch den Beschwerdeführer, zu der bisher allenfalls eine Entscheidung der Kirchenverwaltung, nicht jedoch eine Beschwerdeentscheidung der Kirchenleitung ergangen ist, die Voraussetzung für die Anrufung des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts ist (§ 17 Abs. 2 KVVG a. F., § 18 Abs. 2 KVVG n. F.).
Der Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 13. November 1978 stellt jedoch keine anfechtbare Verwaltungsentscheidung im Sinne von § 2 Nr. 3 KVVG a. F. dar.
Der Begriff "Verwaltungsentscheidung" setzt die Regelung eines Einzelfalls durch die Beschwerdegegnerin voraus, eine einseitige, für den Betroffenen unmittelbar verbindliche und bezüglich der damit entschiedenen Rechtsfolge abschließende Regelung (vgl. Kopp, VwGO, 4. Aufl., RdNr. 36 zu § 42). Der Begriff ist insoweit identisch mit dem des Verwaltungsakts im staatlichen Recht, den die seit 1. Oktober 1979 geltende Neufassung des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht nunmehr auch ausdrücklich verwendet. Bei dem angefochtenen Beschluss der Beschwerdegegnerin handelt es sich um keine abschließende Regelung. Der Beschluss erzeugt keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Er hat vielmehr lediglich den Charakter eines Hinweises, einer Warnung.
Der Wortlaut des Beschlusses könnte zwar die Annahme nahelegen, dass die Beschwerdegegnerin mit ihm entgegen den geltenden kirchenrechtlichen Vorschriften bereits endgültig über die Übernahme des Beschwerdeführers in den Pfarrdienst der EKHN entschieden hat. Denn während § 13 der Kandidatenordnung anordnet, dass ein Pfarramtskandidat, dessen praktisch-theologische Kenntnisse und Fähigkeiten oder dessen dienstliches oder persönliches Verhalten nicht erwarten lassen, dass er den Dienst eines Pfarrers in einer zufriedenstellenden Weise ausüben kann, rechtzeitig von der Kirchenleitung darauf hinzuweisen ist, dass er nach Abschluss des praktischen Vorbereitungsdienstes voraussichtlich nicht in den Pfarrdienst übernommen werden kann, fehlt in dem Beschluss der Beschwerdegegnerin das Wort "voraussichtlich". Der in dem Beschluss enthaltene Hinweis auf § 13 der Kandidatenordnung macht jedoch hinreichend deutlich, dass der Beschluss auf Grund der genannten Vorschrift ergangen ist und sich in ihrem Rahmen hält. Dementsprechend wurde dem Beschwerdeführer in dem Schreiben der Kirchenverwaltung vom 17. November 1978 auch mitgeteilt, die Kirchenleitung habe beschlossen, dass er nach dem Zweiten Theologischen Examen voraussichtlich nicht in den Pfarrdienst übernommen werden könne; dieser Beschluss berühre jedoch nicht unmittelbar seinen Status als Pfarramtskandidat oder seine Zulassung zum Zweiten Theologischen Examen; wenn die Kirchenleitung ihn nach bestandenem Zweiten Theologischen Examen nicht in ihren Pfarrdienst übernehme, könne er dagegen beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht Einspruch erheben. Insoweit unrichtig ist demgegenüber die spätere Interpretation des angefochtenen Beschlusses in dem Schreiben der Kirchenverwaltung vom 26. April 1979 und die dort erteilte Rechtsmittelbelehrung.
Die in § 13 der Kandidatenordnung ausdrücklich als Hinweis bezeichnete Mitteilung, der Pfarramtkandidat werde voraussichtlich nach Abschluss des praktischen Vorbereitungsdienstes nicht in den Pfarrdienst übernommen werden können, stellt noch keine entgültige Entscheidung über die Übernahme in den Pfarrdienst dar. Diese ist vielmehr erst zu treffen, wenn der Kandidat die Zweite Theologische Prüfung bestanden und die praktische Vorbereitung abgeschlossen hat. Dann entscheidet nach § 9 Abs. 2 des Kirchengesetzes betreffend die Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Pfarrer in der EKHN die Kirchenleitung über die Berufung als Pfarrvikar und die Ordination. Die Mitteilung nach § 13 der Kandidatenordnung weist demgegenüber lediglich darauf hin, dass die Entscheidung nach § 9 Abs. 2 des genannten Kirchengesetzes voraussichtlich negativ ausfallen werde. Sie stellt für den Kandidaten eine Warnung dar und gibt ihm Gelegenheit zu versuchen, in dem noch vor ihm liegenden Teil des praktischen Vorbereitungsdienstes die bei der Kirchenleitung bestehenden Bedenken gegen seine Anstellungsfähigkeit auszuräumen und/oder in seinen weiteren beruflichen Planungen sich auf die voraussichtliche Ablehnung seiner Übernahme in den Pfarrdienst einzustellen. Die Mitteilung nach § 13 der Kandidatenordnung nimmt diese Entscheidung jedoch nicht vorweg und hat auch sonst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Kandidaten. Sie ist deshalb nicht nach § 2 Nr. 3 KVVG anfechtbar.
Obwohl die Beschwerdegegnerin hiernach in der Sache obgesiegt hat, waren ihr in entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 5 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie den Beschwerdeführer durch die falsche Rechtsmittelbelehrung in ihrem Schreiben vom 26. April 1979 zur Einlegung der Beschwerde beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht veranlasst hat (vgl. Kopp a.a.O. RdNr. 20 zu § 155; Eyermann-Fröhler, 7. Aufl., RdNr. 20 zu § 155 VwGO).