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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:22.11.1985
Aktenzeichen:KVVG II 11/85
Rechtsgrundlage:§§ 38,44 KGO; §§ 3,18 KVVG
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Abstimmung, Kirchenvorstand, Stimmengleichheit, Stimmenmehrheit, Stimmenthaltung, Verwaltungsakt, Vorverfahren
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Leitsatz:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger.
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Tatbestand:

Der Kläger ist Mitglied des Kirchenvorstandes der Ev. Kirchengemeinde A. In seiner Sitzung am 13. Februar 1985 stimmte der Kirchenvorstand über einen Antrag des Klägers ab. Anwesend waren 12 Kirchenvorsteher, sechs stimmten mit "Ja", vier mit "Nein", zwei enthielten sich der Stimme. Daraufhin erklärte der Vorsitzende des Kirchenvorstandes, Pfarrer B., der Antrag sei abgelehnt.
Der Kläger widersprach.
Er stützte seine Ansicht, dass der Antrag angenommen sei, auf seine Auslegung des § 38 Abs. 4 der Kirchengemeindeordnung (KGO). Diese Vorschrift lautet:
"Bei Abstimmungen entscheidet die Mehrheit der Stimmen der Anwesenden. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen werden den abgegebenen Stimmen zugerechnet. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt ..."
Zur Klärung der Streitfrage wandte sich der Kläger mit einem Schreiben vom 25. Februar 1985 an die Beklagte. Er führte aus, § 38 Abs. 4 KGO (Stand: 1. Oktober 1973) sage:
"Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit der Anwesenden gefasst."
Stimmenthaltungen seien aber keine Stimmen. Sie würden nicht mitgezählt, die zwölf Anwesenden hätten nur zehn Stimmen abgegeben. Davon sei die Mehrheit gleich sechs. Es widerspräche auch dem logischen Sinn von Abstimmungen, wenn eine nicht abgegebene Stimme (Enthaltung) mehr wiegen sollte als ein klares "Ja" oder "Nein". Enthaltungen seien ungültige oder nicht abgegebene Stimmen; eine Stimmenmehrheit könne sich nur aus abgegebenen Stimmen herleiten. Bei zehn abgegebenen Stimmen seien sechs Stimmen die Mehrheit der Stimmen der Anwesenden - nicht der Anwesenden, aber danach sei nicht gefragt.
Die Kirchenverwaltung antwortete mit Schreiben vom 13. März 1985. Sie nahm Bezug auf ein Schreiben vom 11. März 1985 an Pfarrer S., der sich ebenfalls mit einer Anfrage an sie gewandt hatte. Die Kirchenverwaltung hatte die Feststellung von Pfarrer S. (Ablehnung des Antrags des Klägers in der Kirchenvorstandssitzung vom 13. Februar 1985) bestätigt, da sie in rechter Anwendung von § 38 Abs. 4 KGO getroffen worden sei. Nach dieser Vorschrift entscheide bei Abstimmungen die Mehrheit der Stimmen der Anwesenden. Diese Regelung bedeute für die Sitzung vom 13. Februar 1985, an der zwölf Kirchenvorstandsmitglieder teilgenommen hatten, dass nur solche Anträge eine Mehrheit hätten finden können, für die mindestens sieben Ja-Stimmen abgegeben worden seien. Die dazu im Kirchenvorstand vorgetragene Gegenansicht treffe nur zu, wenn es sich nicht um Abstimmungen über Anträge handele, sondern um Wahlen.
Ergänzend führte die Kirchenverwaltung dem Kläger gegenüber aus, seine Interpretation, dass "Stimmenthaltungen keine Stimmen" seien, wolle § 38 Abs. 4 KGO durch seinen zweiten Satz gerade verhindern.
Dort heiße es:
"Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen werden den abgegebenen Stimmen zugerechnet."
Mit diesem zweiten Satz habe der Gesetzgeber also klarstellen wollen, dass bei Abstimmungen in einem Kirchenvorstand auch Enthaltungen eine Bedeutung für die Auswertung einer Abstimmung hätten und nicht etwa - als nichtexistent - wegfielen und daher nicht mitzuzählen seien. Deshalb sei dieser Satz 2 nachträglich als Gesetzesnovelle in die Regelung über die Abstimmung hineingenommen worden, um Satz 1 eindeutig zu interpretieren, dass nämlich bei Abstimmungen die einfache Mehrheit der Stimmen der Anwesenden entscheide.
Auf eine Gegenvorstellung des Klägers vom 16. März 1985 ging die Krchenverwaltung mit einem Schreiben ihres Leiters vom 30. April 1985 ein. Dieser führte aus, die dem Kläger mit dem Schreiben vom 13. März 1985 gegebene Rechtsauskunft treffe zu. Die Zurechnung von Stimmenthaltungen und ungültigen Stimmen zu den abgegebenen Stimmen sei von der Kirchensynode der EKHN als dem kirchlichen Gesetzgeber so festgelegt worden, um sicherzustellen, dass eine bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern eines Kirchenvorstandes für einen Antrag stimme. Würde die Vorschrift des § 38 Abs. 4 S. 2 KGO fehlen, so wäre es z. B. denkbar, dass in einem Kirchenvorstand mit 22 Mitgliedern in einer Sitzung, in der 10 gewählte und berufene Kirchenvorsteher und zwei Pfarrer anwesend seien, ein Beschluss mit zwei Stimmen für einen Antrag, eine Gegenstimme und neun Enthaltungen zustande komme. Von den 22 Mitgliedern des Kirchenvorstandes hätten dann aber nur zwei für einen solchen Beschluss gestimmt. § 38 Abs. 4 S. 2 KGO solle also verhindern, dass positive Minderheitsentscheidungen bei einer großen Zahl von Stimmenthaltungen ergehen könnten.
Diese Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Weder die Kirchenverfassung noch die Verfassung des Landes Hessen noch das Bonner Grundgesetz sagten etwas zu diesen Fragen. Stimmenthaltungen würden in den verschiedenen Gesetzen unterschiedlich behandelt. Es liege in der Entscheidung des staatlichen oder kirchlichen Gesetzgebers, in welcher Weise er Stimmenthaltungen oder ungültige Stimmen bewerte. Die unterschiedlichen Regelungen in Art. 38 Abs. 2 S. 2 der Kirchenordnung i. V. mit § 19 der Geschäftsordnung der Kirchensynode, auch § 38 Abs. 4 KGO und § 12 Abs. 4 Dekanatssynodalordnung hatten ihren Grund in der sehr unterschiedlichen Zahl von Mitgliedern der verschiedenen kirchlichen Organe (Kirchensynode, Dekanatssynode, Kirchenvorstände). Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Organ mit großer Mitgliederzahl eine große Zahl von Enthaltungen einer sehr geringen Zahl von Stimmen für einen Antrag gegenüberstehe, sei verhältnismäßig gering. Bei Kirchenvorständen sei das ganz anders. Hier müsse sich nach der Überzeugung des Gesetzgebers wenigstens ein Mindestquorum der gesetzlichen Mitgliederzahl des Kirchenvorstandes positiv für einen Antrag entscheiden.
Danach könne die Auskunft der Kirchenverwaltung vom 13. März 1985 nicht zurückgezogen werden.
Mit Schreiben an das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht vom 3. Juni 1985, eingegangen am 4. Juni 1985, erhob der Kläger Klage gegen die Kirchenleitung. Er erstrebt damit die Zurücknahme der "falschen Rechtsauskünfte" vom 13. März 1985 und 30. April 1985 und wiederholt seinen Standpunkt, in § 38 Abs. 4 KGO werde klar ausgeführt, dass nur die Stimmen bei der Entscheidung mitzählten. Eine Stimmenthaltung sei logischerweise keine Stimme, die an der Entscheidung teilnehme; der Stimmberechtigte erkläre ja gerade durch die Enthaltung, dass er nicht mit abstimmen wolle. Diese Arten von Stimmen müssten aber als "abgegeben" mitgezählt werden, damit nicht durch ungültige Stimmen und Enthaltungen eine Beschlussunfähigkeit zustande kommen könne, und um festzustellen, ob nicht mehr abgestimmt hätten, als stimmberechtigt seien. Zur Bekräftigung seiner Ansicht beruft sich der Kläger auf Regelungen im Kommunalrecht von Rheinland-Pfalz, (im Gegensatz zu den Ausführungen der Kirchenverwaltung) im Bonner Grundgesetz, in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und der Kommentierung dazu. Zusammenfassend führt er aus, das Stimmrecht in demokratischen Organisationen sei die Ausübung eines der höchsten Grundrechte. Der Stimmberechtigte entscheide souverän, ob er mit "Ja" oder mit "Nein" stimmen wolle; er besitze ebenfalls das souveräne Recht, seine Stimme ungültig zu machen oder zu erklären, dass er in der Sache nicht mit abstimmen wolle (Enthaltung). Folgte man hier der Kirchenverwaltung, dann wären aus zwei Enthaltungen im Ergebnis praktisch zwei "Nein"-Stimmen geworden. Auf keinen Fall dürfe aber der Gesetzgeber die souveräne Erklärung eines Stimmberechtigten, er wolle nicht mit abstimmen, hinterher in eine "Ja"- oder in eine "Nein"-Stimme umwandeln oder umwidmen. Führe er einen "höheren Sinn" ein, der aus Enthaltungen "Nein"-Stimmen mache, dann wäre das verfassungswidrig.
Der Gesetzgeber tue das auch gar nicht. Man müsse nur den § 38 KGO richtig lesen. Die Beklagte verstehe § 38 Abs. 4 S. 2 KGO völlig falsch. Es heiße dort, diese Stimmen würden zugerechnet; das sei wichtig wegen der Beschlussfähigkeit. Aber sie nähmen natürlich wegen der eindeutigen Widmung nicht an der eigentlichen Abstimmung teil. Im Gegensatz zu der Behauptung der Beklagten, auch das Grundgesetz sage nichts zum Thema Stimmenthaltung bei Abstimmungen, regele § 48 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages das Verfahren. Der Kommentar von Ritzel/Bücker "Handbuch für die parlamentarische Praxis" erläutere, wie dieser Text verstanden werden müsse. Er sei insofern verbindlich.
Der Kläger beantragt,
1. Die Rechtsauskünfte der Beklagten vom 13. März und vom 30. April 1985 werden als unrichtig zurückgezogen.
2. Das protokollierte Abstimmungsergebnis vom 13. Februar 1985 im Kirchenvorstand A wird korrigiert.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält sie für unzulässig. Formal begehre der Kläger die Zurücknahme der Rechtsauskünfte der Kirchenverwaltung vom 13. März und 30. April 1985. Materiell wende er sich jedoch gegen das Ergebnis des Beschlusses des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde A vom 13. Februar 1985. Die Feststellung der Unzulässigkeit gelte für beide Interpretationen der Klage. Die Rechtsauskünfte vom 13. März und 30. April 1985 zur Auslegung des § 38 Abs. 4 KGO seien durch Klage vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht nicht selbständig anfechtbar, da die hier gewählte Form der Anfechtungsklage sich allein gegen kirchliche Verwaltungsakte richten könne (§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 KVVG), die Erteilung von Rechtsauskünften jedoch keinen Verwaltungsakt darstelle.
Die Auskünfte seien nicht unmittelbar auf die hoheitliche Regelung eines Einzelfalles gerichtet, sondern enthielten lediglich Rechtsausführungen zur Interpretation und richtigen Anwendung kirchlichen Rechts, hier des § 38 Abs. 4 KGO.
Soweit sich die Klage im Grunde gegen die Bestandskraft des Beschlusses des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde A vom 13. Februar 1985 richte, fehle es an dem prozessualen Erfordernis des Vorverfahrens nach § 44 KGO.
Darüber hinaus wäre die Klage aber auch unbegründet. Die Interpretation des § 38 Abs. 4 KGO durch die Kirchenverwaltung sei die innerhalb der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau immer vertretene Auffassung zu dieser Vorschrift gewesen. Zur Unterstützung dieser Ansicht legt die Beklagte die historische Entwicklung dar, die zur jetzigen Fassung des § 38 Abs. 4 geführt hat, und verweist auf den Bericht des Berichterstatters des Rechtsausschusses der Kirchensynode bei den Beratungen zur letzten Änderung der KGO und insbesondere zur Einführung des Satzes 2 in § 38 Abs. 4.
Schließlich seien die Hinweise des Klägers auf andere Bestimmungen in kommunalen Ordnungen, dem Bonner Grundgesetz etc. unerheblich, da sie keine Wirkung für das Verständnis der KGO entfalten könnten. Bereits aus den staatsrechtlichen Gründen der Trennung von Staat und Kirche und durch die verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung i. V. mit Art. 140 GG würde selbst dann eine Anwendung verfassungsrechtlicher Bestimmungen scheitern, wenn diese generell, nicht nur bezogen auf das Parlamentsrecht, in der Verfassung enthalten wären. Verfassungsrechtliche Bestimmungen, die auch als "für alle geltendes Gesetz“ den Kirchen eine bestimmte Bewertung von Abstimmungen zwingend vorschrieben, bestünden nicht.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage kann keinen Erfolg haben.
I. Sie ist unzulässig.
1. Von den hier allein möglichen Klagearten nach § 3 des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht (KVVG) kommt nur die Anfechtungsklage nach Abs. 1 Nr. 1 in Betracht. Auch für diese Klage liegen die Voraussetzungen aber nicht vor. Denn die Rechtsauskünfte der Beklagten vom 13. März und 30. April 1985, gegen die sich die Klage und der Antrag zu 1) ausdrücklich richten, sind keine "kirchlichen Verwaltungsakte“. Verwaltungsakt i. S. dieser Vorschrift ist vielmehr "jede Verfügung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme, die ein kirchliches Leitungs- oder Verwaltungsorgan oder eine kirchliche Dienststelle zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet der kirchlichen Verwaltung trifft und (die) auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“ (§ 3 Abs. 2 KVVG). Darum handelt es sich bei den angegriffenen Auskünften der Beklagten indessen nicht, sondern um die Darlegung einer Rechtsansicht ohne Bestimmungs-, Regelungs- oder Entscheidungsfunktion und charakter (vgl. Redeker - von Oertzen, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl. 1985, § 42, Anm. 32, 48, 53, 90; Eyermann-Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl. 1980, § 42, Anm. danach sind "bloße Belehrungen“ keine Verwaltungsakte; s. auch die Entscheidungen des erkennenden Gerichts vom 30. November 1973, II 2/72; vom 14. November 1975, II 1/74 und II 2/74; vom 25. Mai 1979, II 1/78 und vom 26. Oktober 1979, II 1/79).
2. Soweit sich der Kläger gegen die Beschlüsse des Kirchenvorstandes der Evangelischen Kirchengemeinde A vom 13. Februar 1985 wendet, ist der Antrag schon deshalb unzulässig, weil der Kläger das in § 44 KGO für Einsprüche gegen die Beschlüsse eines Kirchenvorstandes vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten hat, § 18 Abs. 2 KVVG.
Die vom Kläger im vorprozessualen Schriftverkehr geltend gemachte Unkenntnis dieser Vorschriften ändert daran schon deshalb nichts, weil, wenn es darauf ankäme und dieser Einwand anerkannt würde, die aus guten Gründen geschaffenen Bestimmungen über das notwendige Vorverfahren praktisch immer umgangen und damit im Ergebnis außer Kraft gesetzt werden könnten. Auch kann und muss von einem Kirchenvorsteher gegebenenfalls verlangt werden, dass er diese prozessualen Modalitäten vielleicht nicht kennt, sich dann aber doch darüber informiert, wenn er einen Beschluss des Kirchenvorstandes anfechten will.
Schließlich ist dieser Mangel auch nicht, wie der Kläger vorprozessual einmal gemeint hat, dadurch “geheilt“, dass die amtlichen kirchlichen Stellen seinen Briefwechsel mit ihnen akzeptiert und ihn nicht auf entgegenstehende Vorschriften hingewiesen hätten. Denn von einem kirchengesetzlichen Erfordernis kann weder eine diesem Gesetz unterworfene kirchliche Behörde noch das Gericht dispensieren. Vielmehr sind und bleiben sie an das Gesetz gebunden.
II. Um die Streitfrage aber auch in der Sache zu klären, weist das Gericht darauf hin, dass die Klage auch bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen als unbegründet abzuweisen gewesen wäre.
Die Auslegung, die der Kläger dem § 38 Abs. 4 KGO gibt, ist mit Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht vereinbar. Zunächst hat der Kläger von einer Fassung des Gesetzes aus argumentiert, die nicht mehr gilt, sondern inzwischen durch das Kirchengesetz zur Änderung der Kirchengemeindeordnung, der Dekanatssynodalordnung und des Verbandsgesetzes vom 25. Juni 1978 (ABl. S. 93) novelliert worden ist.
Aus dem nunmehr geltenden Recht ergibt sich, dass bei Abstimmungen im Kirchenvorstand Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen den abgegebenen Stimmen zugerechnet werden (§ 38 Abs. 4 S. 2 GKO).
Damit ist klargestellt, dass diese Stimmen bei Abstimmungen und bei der Frage, ob ein Antrag die Mehrheit (aller abgegebenen) Stimmen erhalten hat, mitgezählt werden.
Einen anderen Sinn kann dieser - eigens zur Klarstellung eingefügte - Satz nicht haben. Über diesen insoweit eindeutigen Wortlaut setzt sich der Kläger hinweg, wenn er meint, Stimmenthaltungen (und ungültige Stimmen) seien
überhaupt keine abgegebenen Stimmen. Fraglich könnte allenfalls sein, auf welcher Seite diese Stimmen mitzählen. Da sie aber keine Ja-Stimmen sind und sein sollen, können sie im Ergebnis deshalb nur den Nein-Stimmen zugerechnet und dort mitgezählt werden (vgl. dazu und zur Zulässigkeit einer solchen Regelung auch BGH, NJW 1982, 1585).
Dass diese Bestimmung nichts mit der vom Kläger aufgeworfenen und damit in Verbindung gebrachten Frage der Beschlussfähigkeit zu tun hat, ergibt sich im übrigen aus der Systematik des Gesetzes. Denn die Beschlussfähigkeit ist zunächst in den ersten drei Absätzen des § 38 KGO (abschließend) behandelt und geklärt.
§ 38 Abs. 4 KGO ist auch nicht verfassungswidrig.
Zunächst trifft es nicht zu, dass das Problem im staatlichen Bereich überall in der vom Kläger vorgetragenen Weise geregelt sei. Vielmehr gibt es dort durchaus unterschiedliche Vorschriften (absolute Mehrheit der Mitglieder des jeweiligen Gremiums, absolute oder relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen, etc.). Dabei werden Stimmenthaltungen oder ungültige Stimmen keineswegs einheitlich, sondern in ganz verschiedener Form berücksichtigt und bewertet. Keine dieser Vorschriften verstößt gegen eine Verfassung. Vielmehr lassen das Grundgesetz und die Länderverfassungen diese unterschiedlichen Lösungen zu.
Aber auch unabhängig davon, welche Regelungen im staatlichen Bereich gelten, ist der Kirchengesetzgeber nicht daran gehindert, für die kirchlichen Organe und Gremien eigene Vorschriften zu schaffen. An die Bestimmungen des staatlichen Rechts ist er dabei nicht gebunden. Gegen welche Vorschriften der Kirchenverfassung § 38 Abs. 4 KGO und seine (zutreffende) Auslegung durch die Beklagte aber verstoßen sollen, hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist es sonst ersichtlich.
Kostenentscheidung beruht auf §§ 36, 38 KVVG, 154 Abs. 1 VWGO.