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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 30.07.1986 |
Aktenzeichen: | KVVG II 9/86 |
Rechtsgrundlage: | §§ 35a,37 PfG; § 20 KVVG |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | Aussetzung der sofortigen Vollziehung, Beurlaubung, Versetzung, Wartestand |
Leitsatz:
Tenor:
Der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Kirchenleitung vom 9. Juni 1986 wird abgewiesen.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten trägt der Antragsteller.
#Gründe I:
I.
Der Antragsteller ist Inhaber der Pfarrstelle II der C.........-Gemeinde in A. Zwischen ihm, der Mehrheit des Kirchenvorstandes und dem Inhaber der Pfarrstelle I dieser Gemeinde bestehen seit geraumer Zeit Spannungen, die zu mehreren, für den Antragsteller erfolglosen Verfahren vor dem erkennenden Gericht führten.
Am 12. Mai 1986 beschloss die Antragsgegnerin, gegen den Antragsteller ein Verfahren zur Versetzung in den Wartestand einzuleiten. Die Versetzung wurde mit Beschluss der Antragsgegnerin vom 30. Juni 1986 ausgesprochen. Die hiergegen - und gegen die von der Kirchenverwaltung verfügte sofortige Vollziehung - eingelegten Rechtsmittel sind Gegenstand des Verfahrens Il 10/86 vor dem erkennenden Gericht.
Bereits mit Schreiben der Kirchenverwaltung vom 25. April 1986 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass seine vorläufige Beurlaubung nach § 37 PfG beabsichtigt sei. Ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die der Antragsteller mit Schreiben vom 6. Juni 1986 wahrnahm.
Mit Beschluss der Antragsgegnerin vom 9. Juni 1986, mitgeteilt mit einem bei ihm am 11. Juni 1986 eingegangenen Schreiben der Kirchenverwaltung vom 10. Juni 1986, wurde der Antragsteller gemäß § 37 PfG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung vom Dienst beurlaubt. Die sofortige Vollziehung wurde im wesentlichen mit dem Konflikt zwischen Antragsteller, Kirchenvorstand und Pfarrer B. begründet, durch den die Arbeitsfähigkeit des Kirchenvorstandes und ein geordnetes kirchliches Gemeindeleben entscheidend beeinträchtigt werde.
Mit Schriftsatz vom 11. Juni 1986. eingegangen bei Gericht am 13. Juni 1986. hat der Antragsteller gegen den Beurlaubungsbeschluss Klage erhoben. Zugleich beantragt er mit Schriftsatz vom 15. Juli 1986,
die Vollziehung des Bescheids vom 10. Juni 1986 auszusetzen.
Er macht geltend, das Verbot der Ausübung der Dienstgeschäfte sei nur rechtmäßig, wenn dies auch für die Versetzung in den Wartestand zuträfe. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Die Antragsgegnerin beantragt
die Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung,
weil der Antragsteller keine Gründe vorgetragen habe, die das besondere kirchliche Interesse an der sofortigen Vollziehung widerlegen könnten.
#Gründe II:
II.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zwar nicht der Verwaltungsakt der Beurlaubung als solcher, dessen Beurteilung der Entscheidung in dem Klageverfahren vorbehalten bleiben muss. Das erkennende Gericht sieht sich aber veranlasst, zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass nach seiner Überzeugung die von der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 9. Juni 1986 unbefristet angeordnete Beurlaubung nicht am 1. August 1986 endet. Die Kirchenverwaltung hat in ihrem Bescheid vom 4. Juli 1986 betreffend die Versetzung des Antragstellers in den Wartestand zwar ausgeführt, die Beurlaubung gemäß § 37 PfG bleibe bis zum Beginn des Wartestandes am 1. August 1986 bestehen. Auch tritt nach der Regelung des § 37 Satz 3 und 4 PfG die Anordnung der Beurlaubung dann außer Kraft, wenn die Antragsgegnerin nicht innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten der Anordnung die Versetzung in den Wartestand ausspricht. Dies führt aber trotz der im vorliegenden Fall ausgesprochenen Versetzung des Antragstellers in den Wartestand nicht zu einer Beendigung der Beurlaubung mit Ablauf des 31. Juli 1986. Zu diesem Ergebnis muss eine dem eindeutigen Willen der Antragsgegnerin entsprechende, den Grundgedanken des § 37 Satz 3 und 4 PfG beachtende Auslegung der erwähnten Ausführungen in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Juli 1986 führen.
Diese Ausführungen enthalten nur einen deklaratorischen Hinweis auf die Gesetzeslage, nach der eine Beurlaubung naturgemäß endet, wenn die Versetzung in den Wartestand wirksam wird. Eine Beendigung der Beurlaubung vor diesem Zeitpunkt widerspräche dem in den Beschlüssen vom 9. und 30. Juni 1986 zum Ausdruck kommenden Willen der Antragsgegnerin; sie lässt sich auch nicht aus den Vorschriften des § 37 PfG herleiten. Die Antragsgegnerin hält eine weitere Tätigkeit des Antragstellers in seiner Pfarrstelle für nicht vertretbar. Sie will sie durch Beurlaubung und die sich daran anschließende Versetzung in den Wartestand ausschließen. Da sich die Versetzung in den Wartestand aber infolge der aufschiebenden Wirkung der gegen sie erhobenen Anfechtungsklage und eines bei der Anordnung des Sofortvollzugs unterlaufenen Formfehlers nach der von dem erkennenden Gericht in dem Parallelverfahren II 10/86 heute getroffenen Entscheidung vorerst nicht auswirkt, tritt auch die Beurlaubung vorerst nicht außer Kraft. Ein anderes Ergebnis würde sich dem mit den §§ 35a, 37 PfG verfolgten Zweck verschließen. Die Vorschriften des § 37 Satz 3 und 4 PfG insbesondere sind so zu verstehen, dass durch die Verpflichtung zum Ausspruch einer Anordnung über die Versetzung in den Wartestand (oder in ein anderes Amt) innerhalb einer bestimmten Frist lediglich bezweckt wird, die Beurlaubung nicht ad infinitum ohne Klärung der Frage einer Versetzung fortbestehen zu lassen.
Bei der Entscheidung über den Aussetzungsantrag sind zunächst die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, soweit sie bereits überschaubar sind, zu berücksichtigen (Kopp, VwGO, 7. Aufl., § 80 Rdnr. 82). Die Vollziehung wäre insbesondere dann auszusetzen, wenn die Rechtswidrigkeit der umstrittenen Beurlaubung offensichtlich wäre. Denn an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein kirchliches Interesse. Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angeordneten Beurlaubung lassen sich jedoch bei der Komplexität der Sach- und Rechtslage gegenwärtig noch nicht beurteilen. Zumindest lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass die Anfechtungsklage (oder eine etwaige Fortsetzungsfeststellungsklage) voraussichtlich Erfolg haben wird.
Das Gericht hat sich daher darauf zu beschränken zu prüfen, ob ein Fall vorliegt, in dem das besondere kirchliche Interesse Vorrang vor dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers hat. Eine Abwägung der Interessen der Beteiligten führt zu dem Ergebnis, dass dem kirchlichen Interesse der Vorzug gegeben werden muss.
Entscheidend fällt dabei ins Gewicht der Eindruck, den das Gericht aus allen bei ihm anhängigen, auf den Verhältnissen der C.........-Gemeinde beruhenden Verfahren gewonnen hat. Obwohl das summarische Verfahren nach § 20 Abs. 2 KVVG kein abschließendes Urteil erlaubt, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass grundsätzliche Auseinandersetzungen, ja Zerwürfnisse, zwischen Antragsteller, Gemeindevorstand und Pfarrer B: bestehen, die zur Zerstörung eines geordneten kirchlichen Lebens in der Gemeinde führen müssen. Auch die seelsorgerische Betreuung der Gemeinde kann von diesen Spannungen, deren Gründe gemäß § 35a PfG nicht einmal in der Person des Antragstellers liegen müssen, nicht unberührt bleiben. Wie konfliktträchtig die Situation in der Gemeinde ist, zeigen nicht zuletzt die vergeblichen Bemühungen des erkennenden Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 1986, doch noch einen Vergleich zwischen den Beteiligten zu erreichen. Eine weitere Verschlechterung der Situation ist zu befürchten, wenn der Antragsteller unter den gegenwärtigen Umständen in den Dienst zurückkehrt. Der Antragsteller übt - mit einer kurzen Unterbrechung im Mai dieses Jahres - seit etwa zehn Monaten sein Amt nicht mehr aus. Es ist ihm zuzumuten, sich nunmehr auch noch weiter einige Zeit seiner Dienstausübung zu enthalten, bis das Gericht endgültig über Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit von Beurlaubung und Versetzung in den Wartestand entschieden hat. Eine - vielleicht nur kurzfristige - Rückkehr des Antragstellers in den Dienst würde nach der Überzeugung des Gerichts eine erhebliche Unruhe in der Gemeinde auslösen. Sie wäre auch für den Antragsteller selbst sehr belastend. In der C........-Gemeinde ist sicher allgemein bekannt, dass die Antragsgegnerin die Versetzung des Antragstellers in den Wartestand ausgesprochen hat und dass ein kirchengerichtliches Verfahren wegen dieser Versetzung anhängig ist. Durch diesen ungeklärten Status des Antragstellers ist seine Stellung in der Gemeinde noch zusätzlich beeinträchtigt. Für eine segensreiche Tätigkeit in der Gemeinde fehlt eine weitere wesentliche Voraussetzung. Es liegt auch im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers selbst, vor einer etwaigen Wiederaufnahme seiner Tätigkeit in der Gemeinde die endgültige Entscheidung des Gerichts über seine Versetzung in den Wartestand abzuwarten.
In Abwägung der sich aus alledem ergebenden Interessen hält es das Gericht für geboten, für die Zwischenzeit bis zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits die sofortige Vollziehung der Beurlaubung zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 36 KVVG, § 38 KVVG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.