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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.05.1989
Aktenzeichen:KVVG II 3/89
Rechtsgrundlage:§ 35a PfG; §§ 25,52 KGO; §§ 18,20 KVVG; § 80 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:, Aussetzung der sofortigen Vollziehung, Ungedeihlichkeit, Versetzung, Wartestand
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Leitsatz:

Tenor:

Der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 23. Februar 1989 dem Antragsteller mitgeteilten Versetzungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 14. Februar 1989 wird zurückgewiesen.
Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Der Antragsteller hat seine außergerichtlichen Kosten zu tragen.
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Gründe I:

I.
Der Antragsteller wurde mit Wirkung vom 1. September 1981 mit der Verwaltung der Pfarrstelle II der .......-Gemeinde in A. beauftragt. Mit Wirkung vom 1. Mai 1983 wurde er zum Inhaber der Pfarrstelle ernannt.
Inhaber der Pfarrstelle I war damals Pfarrer B.
Schon zur Zeit des Dienstantritts des Antragstellers bestanden in der ........-Gemeinde Konflikte. Sie betrafen Fragen der Verkündigung und der Gestaltung des kirchlichen Lebens. Sie setzten sich in der Folgezeit fort und erfassten auch die Zusammenarbeit zwischen dem Antragsteller, der Gemeinde und dem Kirchenvorstand. In einer Gemeindeversammlung am 6. Dezember 1981 wurden sowohl gegen den Antragsteller als auch gegen Pfarrer B. Vorwürfe erhoben.
Nachdem bei den Kirchenvorstandswahlen 1985 acht Mitglieder des Gemeindekreises "Mittlere Generation" in den Kirchenvorstand gewählt worden waren, war dort alsbald eine gedeihliche Arbeit nicht mehr möglich. Im Herbst 1986 verließ Pfarrer B. die Gemeinde. Eine unter dem Vorsitz des Kirchenpräsidenten um die Beilegung der Konflikte bemühte Schlichtungskommission stellte im März 1987 fest, dass sich die Zusammenarbeit im Kirchenvorstand nicht gebessert habe, dass das gegenseitige Vertrauen fehle und dass Kommunikation sowie Interaktion zerrüttet seien.
Das Leitende Geistliche Amt ordnete sodann eine außerordentliche Visitation der ........-Gemeinde an. Entsprechend den Empfehlungen der Visitationskommission beschloss das Leitende Geistliche Amt am 10.12.1987 unter anderem, allen Kirchenvorstandsmitgliedern einen freiwilligen Verzicht auf ihr Amt und auf eine erneute Kandidatur zu empfehlen und dem Kläger zu empfehlen, sich innerhalb einer bestimmten Frist auf eine andere Pfarrstelle zu bewerben.
Diesen Beschluss teilte das Leitende Geistliche Amt mit Bescheid vom 6. April 1988 dem Kirchenvorstand der ........-Gemeinde mit.
Durch Beschluss vom 19. April 1988 beauftragte die Antragsgegnerin die Kirchenverwaltung, die Verfahren zur Auflösung des Kirchenvorstandes und zur Versetzung des Antragstellers einzuleiten. Der Pfarrerausschuss widersprach einer Versetzung des Antragstellers. Im Sommer 1988 trat im Vorsitz des Kirchenvorstands insofern ein Wechsel ein, indem der Antragsteller den Vorsitz an den Vorsitzenden der Dekanatssynode abgab. Hierauf setzte die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 13. Dezember 1988 die vorgenannten Verfahren für ein Jahr aus. Anfang des Jahres 1989 traten in kurzen Zeitabständen alle Mitglieder des Kirchenvorstands zurück. Demgemäss übernahm der Dekanatssynodalvorstand die Befugnisse des Kirchenvorstands.
Mit Schreiben an die Antragsgegnerin vom 27. Januar 1989 beantragte der Dekanatssynodalvorstand die sofortige Versetzung des Antragstellers. Zur Begründung verwies der Dekanatssynodalvorstand auf die in der ......-Gemeinde bestehenden Konflikte und auf bestimmte Verhaltensweisen des Antragstellers.
Durch Beschluss vom 14. Februar 1989 entschied die Antragsgegnerin, den Antragssteller mit Wirkung vom 16. März 1989 gem. § 35a Abs. 1 Buchst. c PfG in den Wartestand zu versetzen. Sie ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an.
Die ........-Gemeinde wird nunmehr von einem Pfarrvikar betreut.
Die Kirchenverwaltung teilte die Entscheidung der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. Februar 1989 dem Antragsteller mit. Der Bescheid führte unter näherer Darlegung der Konfliktsituation aus, dass ein gedeihliches Wirken des Antragstellers in der ........-Gemeinde nicht mehr möglich sei, wenn die Gemeinde in Gruppierungen zerfallen sei.
Der die Entscheidung der Antragsgegnerin mitteilende Bescheid der Kirchenverwaltung wurde dem Antragsteller durch Niederlegung zur Post am 27. Februar 1989 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 28.03.1989, der In der Geschäftsstelle des Gerichts am 29.03.1989 eingegangen ist, hat der Antragsteller gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben. Er begehrt die Aufhebung der Entscheidung und die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn wieder in seine bisherige Pfarrstelle einzuweisen.
Gleichzeitig beantragt der Antragsteller,
die sofortige Vollziehung der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 23. Februar 1989 mitgeteilten Entscheidung der Antragsgegnerin vom 14. Februar 1989 auszusetzen.
Er trägt vor, dass der Konflikt in der ........-Gemeinde nicht mit seiner Person zusammenhänge. lm Hinblick auf die Entwicklungen in der Gemeinde könne es nicht mehr zu erheblichen Belastungen des Gemeindelebens kommen. Deshalb sei die sofortige Vollziehung der Versetzungsentscheidung nicht notwendig.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die ungewöhnlich scharfen Auseinandersetzungen der letzten Jahre, setzte die dringend gebotene Wiederherstellung des Gemeindefriedens voraus. Dies sei nur zu erreichen, wenn der Antragsteller seinen Dienst in der Gemeinde nicht mehr aufnehme.
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Gründe II:

II.
Der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist zulässig.
Der mit Bescheid der Kirchenverwaltung vom 23.02.1989 dem Antragsteller mitgeteilte Beschluss der Antragsgegnerin vom 14.02.1989, ihn in den Wartestand zu versetzen, stellt einen Verwaltungsakt dar. Einer hiergegen erhobenen Anfechtungsklage kommt gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 KVVG grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Die aufschiebende Wirkung entfällt allerdings nach § 20 Abs. 1 Satz 2 KVVG dann, wenn - wie hier - die sofortige Vollziehung des erlassenen Verwaltungsakts angeordnet wird. In diesem Fall kann der Betroffene nach § 20 Abs. 2 KVVG bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung beantragen.
Das Gericht kann nach der Natur der Sache die sofortige Vollziehung nur dann aussetzen, wenn der Verwaltungsakt selbst noch anfechtbar, also nicht bereits bestandskräftig ist. lm Zeitpunkt des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung muss also noch die in Bezug auf den Verwaltungsakt maßgebende Rechtsbehelfsfrist laufen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 KVVG) oder es muss eine - nicht offensichtlich unzulässige - Anfechtungsklage erhoben worden sein. Denn nach herrschender Meinung kann eine Anfechtungsklage nur dann aufschiebende Wirkung haben, wenn sie zumindest nicht offensichtlich unzulässig ist (vgl. hierzu Kopp, VwGO, Rdn 29 zu § 80; Eyermann -Fröhler, Rdn 14 zu § 80 VwGO).
Die mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gleichzeitig erhobene Anfechtungsklage ist möglicherweise nicht fristgerecht erhoben. Die Entscheidung der Antragsgegnerin wurde dem Antragsteller durch Niederlegung zur Post am 27.02.1989 zugestellt. Die Klagefrist lief gem. § 18 Abs. 3 KVVG somit am 28.03.1989 ab, da der 27.03.1989 ein Feiertag war. In der Geschäftsstelle des Gerichts Ist die Klageschrift aber erst am 29. März 1989 eingegangen. Nicht auszuschließen, aber bis zum Zeltpunkt dieses Beschlusses nicht aufklärbar ist jedoch der Umstand, dass der Antragsteller die Klageschrift vom 28.03.1989 fristgemäß im Empfangsbereich der Kirchenverwaltung und damit auch des Gerichts eingereicht hat. Die Klage ist daher jedenfalls nicht offensichtlich unzulässig.
Der somit zulässige Antrag ist sachlich jedoch nicht begründet.
Die Antragsgegnerin hat zurecht ein besonderes kirchliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des den Antragsteller in den Wartestand versetzenden Verwaltungsakts angenommen. Sie hat dieses besondere Interesse auch hinreichend dargetan. Zwar genügt die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs nicht den Anforderungen an eine zu fordernde ausführliche Darlegung der Umstände, die das besondere kirchliche Interesse am Sofortvollzug ausmachen. Sie hat diese Begründung jedoch in zulässiger Weise im Schriftsatz vom 27.04.1989 ausreichend ergänzt.
Ob das Gericht die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts auszusetzen oder ob es sie zu bestätigen und dann einen Aussetzungsantrag zurückzuweisen hat, hängt zunächst davon ab, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Im vorliegenden Fall lässt sich die Rechtswidrigkeit oder Rechtsmäßigkeit der von der Antragsgegnerin beschlossenen Versetzung des Antragstellers noch nicht abschließend beurteilen. Die Kammer hat daher im Rahmen einer Ermessensentscheidung abzuwägen, ob das besondere kirchliche Interesse an der sofortigen Versetzung des Antragstellers dessen Rechtsschutzinteresse überwiegt. Dies ist der Fall.
Nach einer in diesem summarischen Verfahren nur möglichen Gesamtwürdigung des Vortrags beider Parteien steht für die Kammer fest, dass schwerwiegende Zerwürfnisse zwischen Teilen der ..............-Gemeinde und dem Antragsteller bestehen. Bei deren Fortdauer droht aber eine empfindliche Störung, wenn nicht Zerstörung eines geordneten kirchlichen Lebens in der Gemeinde. Wie beide Parteien vortragen, hat gerade das Bestehen bestimmter Gruppierungen in der Gemeinde und im Kirchenvorstand und deren Verhältnis zum Antragsteller zu den Konflikten beigetragen. Nachdem alle Kirchenvorstandsmitglieder Anfang 1989 zurückgetreten sind, ist eine Neuwahl des Kirchenvorstands in analoger Anwendung des § 52 Abs. 3 KGO erforderlich. Es liegt sicherlich im Interesse der Gemeinde, wenn bis zur Kirchenvorstandswahl eine gewisse Befriedung des Gemeindelebens eintritt, damit der Auftrag des neuen Kirchenvorstands im Sinne des § 25 KGO nicht von vorn herein durch neue Konflikte gefährdet wird.
Da ganz offensichtlich die Person des Antragstellers bei den erwähnten Konflikten nicht ohne Bedeutung war, hält es die Kammer für angemessen, eine Beruhigung und Stabilisierung des Gemeindelebens dadurch anzustreben, dass der Antragsteller zunächst nicht mehr seinen Dienst in der Gemeinde versieht.
Die kirchliche und verwaltungsmäßige Betreuung der Gemeinde sieht die Kammer aufgrund der Verwaltung der beiden Pfarrstellen durch einen Pfarrvikar und durch die Übernahme der Geschäfte des Kirchenvorstands durch den Dekanatssynodalvorstand gewährleistet.
Dem gegenüber hat das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage und somit am Verbleib an der Gemeinde geringeres Gewicht. Ihn treffen zwar infolge des Wartestandes bestimmte Nachteile hinsichtlich seiner Rechte als Pfarrer sowie der damit verbundenen Ansprüche. Die Kammer hält diese individualrechtlichen Einschränkungen aber im Hinblick auf das kirchliche Gemeinwohl der ........-Gemeinde für vertretbar. Aufgrund aller dieser Erwägungen hält es die Kammer für geboten, für die Zeit bis zur Entscheidung über die Klage die sofortige Vollziehung der Versetzung in den Wartestand zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 36 Satz 1 KVVG; § 38 KVVG, § 154 Abs. 1 VwGO.