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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 28.07.1989 |
Aktenzeichen: | KVVG II 6/89 |
Rechtsgrundlage: | §§ 17a,30,35a,36,37 PfG; § 3 PfaG; §§ 3,18,20 KVVG; § 80 VwGO |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | , Aussetzung der sofortigen Vollziehung, Beurlaubung, Ermessensentscheidung, Versetzung, Wartestand |
Leitsatz:
Tenor:
Der Antrag, die sofortige Vollziehung der durch Beschluss der Kirchenleitung vom 6. Juni 1989 angeordneten Beurlaubung des Antragstellers auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten trägt der Antragsteller.
#Gründe I:
Mit Beschluss vom 2. Juni 1989 (114/1989) - auf den wegen der Begründung im einzelnen Bezug genommen wird - hatte die Kammer die Vollziehung des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 24. Januar 1989, den Antragsteller wegen stark eingeschränkter Dienstfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 35a Abs. 1 b) Pfarrergesetz (PfG) mit Wirkung vom 16. Februar 1989 in den Wartestand zu versetzen, wegen formaler Mängel ausgesetzt.
Daraufhin hob die Antragsgegnerin am 6. Juni 1989 ihren Beschluss vom 24. Januar 1989 auf. Zugleich leitete sie gemäß § 35a Abs. 1 b) und c) PfG gegen den Antragsteller ein Verfahren zur Versetzung ein, beurlaubte ihn gemäß § 37 PfG mit sofortiger Wirkung vom Dienst und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Beschlusses an.
Dieser Bescheid ging dem Antragsteller am 9. Juni 1989 zu.
Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1989, bei Gericht eingegangen am 7. Juli 1989, hat der Antragsteller gegen den Beschluss vom 6. Juni 1989 Anfechtungsklage erhoben und sich - neben dem Hauptantrag - gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Beschlusses gewandt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, ihm sei vor Erlass des Beschlusses vom 6. Juni 1989 nicht in genügender Weise rechtliches Gehör gewährt worden. Er habe erst am Abend des 5. Juni 1989 erfahren, dass er am nächsten Tag bei der Antragsgegnerin vorsprechen solle. Über den Inhalt des geplanten Anhörungsgespräches sei er nicht informiert worden. Er habe deshalb nicht ausreichend Zeit gehabt, seine Äußerung vorzubereiten. Auch habe er keinen Anwalt konsultieren können. Erst im Anhörungstermin selbst sei ihm durch die Mitarbeiter der Kirchenverwaltung eröffnet worden, worum es überhaupt inhaltlich gehe.
Auch Pfarrerausschuss und Kirchenvorstand der Gemeinde seien in Verkennung des Gesetzes erst nach Erlass des Kirchenverwaltungsaktes angehört worden. Weiterhin rügt der Antragsteller die Verletzung von § 37 Abs. I Satz I PfG. Dafür, das die Antragsgegner von ihrem durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessen in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht habe, lägen weder Tatsachen noch Indizien vor. Demnach sei ein Ermessensfehlgebrauch gegeben, weil die verschiedenen kirchlichen und privaten Interessen des Antragstellers, die nach dieser Ermessensvorschrift zu beachten seien nicht in die Erwägungen über die Beurlaubung einbezogen worden seien.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge nicht den Begründungserfordernissen, die von den Verwaltungsgerichten zu § 80 Abs. 3 VwGO entwickelt worden seien. Die Begründung sei formelhaft. Es werde lediglich der Wortlaut des Gesetzes wiederholt und allgemein auf Auseinandersetzungen hingewiesen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei aber das Ergebnis einer Interessenabwägung. Anzeichen, das eine derartige Abwägung stattgefunden habe, seien nicht ersichtlich.
Der Antragsteller beantragt,
die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 6. Juni 1989 (Beurlaubung) auszusetzen,
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung abzuweisen.
Sie trägt vor, die Klage sei zulässig, aber unbegründet.
Eine Anhörung von Pfarrerausschuss und Kirchenvorstand vor einer Entscheidung nach § 37 PfG schreibe das Gesetz nicht vor. Erforderlich sei lediglich die vorherige Anhörung des Antragstellers. Dieser sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Entscheidung über die Beurlaubung sei eilbedürftig gewesen, nachdem das Gericht durch seinen Beschluss vom 2. Juni 1989 die Vollziehung des BeschIusses der Kirchenleitung vom 24. Januar 1989 über die Wartestandsversetzung ausgesetzt hatte. In dem etwa 1,5-stündigen Gespräch am 6. Juni 1989 habe der Antragsteller selbst bemerkt, es sei ihm klar, dass er auch nach der Entscheidung des Gerichts nicht ohne weiteres den Dienst in der Gemeinde vor einer endgültigen Klärung wieder aufnehmen könne, "so wie man an einen Schreibtisch im Büro zurückkehrt."
Unter diesen Umständen sei eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht ersichtlich. Der Antragsteller habe ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt. Er sei mit dem Sachverhalt und den strittigen Fragen. die bereits Gegenstand des Verfahrens II 4/1989 waren, genügend vertraut gewesen und habe sich deshalb auch kurzfristig äußern können. Er habe selbst zu erkennen gegeben. das er eine Wiederaufnahme seines Dienstes bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht für zweckmäßig halte, zumal er in der nächsten Zeit (am 11. Juli) eine mehrwöchige Kur antreten wollte. Aus den Gründen für die vorläufige Beurlaubung des Antragstellers ergebe sich gleichzeitig, dass die sofortige Vollziehung im besonderen kirchlichen Interesse geboten sei.
Eine Wiederaufnahme des Dienstes durch den Antragsteller würde mit Sicherheit zu verschärften Auseinandersetzungen im Kirchenvorstand führen und voraussichtlich einige Mitglieder zum Rücktritt veranlassen.
Das Gemeindeleben habe sich in der letzten Zeit offenbar stabilisiert. Diese Stabilisierung würde ernsthaft in Frage gestellt, wenn der Antragsteller vor der endgültigen Entscheidung über seine Versetzung seinen Dienst wieder aufnehmen würde. Dem gegenüber müsse sein Interesse an der Wiederaufnahme des Dienstes zurücktreten. Es komme hinzu, das die Beurlaubung gemäß § 37 PfG auf längstens drei Monate befristet sei und der Antragsteller wegen seiner Kur vom 11. Juli 1989 an für zunächst sechs Wochen ohnehin seinen Dienst nicht ausüben könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
#Gründe II:
Der Antrag, die sofortige Vollziehung des Beschlusses vom 6. Juni 1989 auszusetzen, ist gemäß § 20 Abs. 2 KVVG zulässig.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt das geltende Recht nicht. Die Antragsgegnerin hat bei seinem Erlass auch die Grenzen ihres pflichtgemäßen Ermessens eingehalten.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses vom 6. Juni 1989 ist jedenfalls in Verbindung mit dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Juli 1989 ausreichend begründet.
Zwar beschränkt sich die Begründung im Beschluss selbst auf die vielleicht etwas apodiktische und einseitige Feststellung, dass die Anordnung im besonderen kirchlichen Interesse geboten sei, da die Wiederaufnahme des Dienstes durch den Antragsteller zu erneuten Auseinandersetzungen in der Gemeinde führen würde. Doch macht jedenfalls der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Juli 1989 deutlich, dass sie die für eine derartige Entscheidung erforderliche Abwägung der beiderseitigen Interessen vorgenommen und diejenigen des Antragstellers nicht außer acht gelassen hat. Dass ein Nachholen der Begründung zulässig ist, hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 29. Oktober 1984 (II 5/1984) entschieden. Erst recht muss dies für eine Ergänzung gelten.
Die Annahme eines besonderen kirchlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Beurlaubung erscheint im Ergebnis zutreffend. Das Gericht sieht auch seinerseits bei der ihm obliegenden Interessenabwägung keinen Anlass, die sofortige Vollziehung auszusetzen.
In diesem Zusammenhang ist zunächst entscheidungserheblich, dass die Klage des Antragstellers in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die Klage gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 6. Juni 1989, einen kirchlichen Verwaltungsakt, ist zwar zulässig (§ 30 PfG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Nr. 3 des Kirchengesetzes über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht, KVVG). Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben (§§ 18 Abs. 3, 3 Abs. 1 KVVG). Sie ist jedoch nicht begründet.
Wie sich aus dem Wortlaut und der Systematik der einschlägigen Vorschriften ergibt (§§ 37, 35a, 36 PfG, § 3 des Gesetzes über den Pfarrerausschuss, PfaG), müssen Kirchenvorstand und Pfarrerausschuss vor einer Anordnung nach § 37 PfG nicht beteiligt werden. Insbesondere geht der vom Vertreter des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Hinweis auf § 3 Abs. 2 a) PfaG offensichtlich fehl, da diese Vorschrift zweifelsfrei nur den hier augenscheinlich nicht gegebenen Sonderfall des § 17a Abs. 1 und 2 PfG betrifft. Denn der Terminus "Beurlaubung" den im übrigen § 37 PfG nicht verwendet - kann, wie aus dem Sinn- und Satzzusammenhang eindeutig hervorgeht, nicht für sich allein, sondern nur im Kontext mit den folgenden Wörtern und Begriffen gelesen und verstanden werden.
Dem Erfordernis der Anhörung des Antragstellers gemäß § 37 Satz 2 PfG hat die Antragsgegnerin genügt. Zwar trifft es zu, das der Antragsteller zu dieser Anhörung kurzfristig geladen worden ist. Indessen ist das unter den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden. Denn nach der Vorgeschichte, insbesondere auch nach der Entscheidung der Kammer vom 2. Juni 1989. musste die Antragsgegnerin - die nicht permanent tagt -schnell handeln, wenn sie, wie sie es nun einmal für geboten hielt, nicht wollte, dass der Antragsteller für (jedenfalls zunächst nur) kurze Zeit wieder in sein Amt zurückkehren würde. Dem Antragsteller kann auch Grund dafür, dass die Antragsgegnerin ein Gespräch mit ihm führen wollte, nicht zweifelhaft gewesen sein. Vielmehr wusste er oder musste zumindest wissen, worum es gehen würde. Jedenfalls wurde ihm der Gesprächsgegenstand zu Beginn, mindestens aber im Verlauf der Unterredung deutlich, so dass er sich hätte weigern können, (weiter) daran teilzunehmen oder sich zu äußern.
Im übrigen sieht die Kammer aber auch Anlass zu dem Hinweis, dass die seitherige Behandlung der Personalangelegenheit des Antragstellers durch die Antragsgegnerin nicht den Eindruck vermittelt, diese habe ihre Fürsorge- und Sorgfaltspflicht gegenüber dem Antragsteller verletzt, behandele ihn nicht brüderlich, vernachlässige seine Interessen oder wolle ihn unzulässig unter Druck setzen.
Für eine Entscheidung nach § 37 PfG ist es nicht, worauf der Wortlaut hindeuten könnte, erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 35a Abs. I b) oder c) PfG bereits endgültig vorliegen und festgestellt sind. Wäre es so, dann bedürfte es der Möglichkeit einer Anordnung nach § 37 PfG nicht oder es wäre dafür kein Raum, weil schon definitiv über die Versetzung gemäss § 35a PfG entschieden werden könnte und müsste. Vielmehr genügt für eine Maßnahme nach § 37 PfG, dass hinreichende Anhaltspunkte die begründete Annahme rechtfertigen, es werde zu einer Versetzung nach § 35a PFG oder zu einer Versetzung in den Wartestand kommen. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin nicht die Grenzen ihres pflichtgemäßen Ermessens verletzt oder überschritten, wenn sie nach der jahrelangen Krankheitsgeschichte des Antragstellers und insbesondere auf Grund der beiden ärztlichen Gutachten der Klinik ........... in D. vom 24. Februar 1988 und des Kreiskrankenhauses E. vom 25. November 1988 zu der Überzeugung gelangte, der Antragsteller sei wegen seines Gesundheitszustandes in der Führung seines Amtes erheblich behindert. Zwar liegen diese beiden ärztlichen Äußerungen einige Zeit zurück. Indessen kann die Entwicklung danach nicht außer acht gelassen werden. Sie verlief nicht etwa störungsfrei, und der Antragsteller versah während dieser Zeit seinen Dienst nicht unauffällig und normal. Vielmehr beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Dezember 1988 selbst seine Versetzung in den Wartestand zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Danach durfte die Antragsgegnerin das unsichere und schwankende Verhalten des Antragstellers und seine eigenen widersprüchlichen Äußerungen berücksichtigen. Dieser fühlte sich mindestens zeitweise seinem Amt selbst nicht mehr gewachsen und kam - mehrfach - erst auf Grund späterer Erkenntnisse oder Einflüsse wieder zu neuen und anderen Entschlüssen.
Schon deshalb ist es auch durchaus zweifelhaft, ob dem wohlverstandenen Interesse des Antragstellers damit gedient wäre, wenn er - vielleicht nur vorübergehend und für kurze Zeit - vor einer endgültigen Entscheidung über seine berufliche und persönliche Zukunft den Dienst wieder aufzunehmen hätte.
Vor allem aber ist für die Beurteilung der angeordneten Beurlaubung und ihrer sofortigen Vollziehung wesentlich, dass sich diese Maßnahme faktisch überhaupt nur für einen Zeitraum von wenig mehr als zwei Wochen auswirken konnten. Denn die Anordnung nach § 37 PfG ist nur drei Monate wirksam, hier also bis zum 6. September 1989, und am 11. Juli 1989 trat der Antragsteller eine 6-wöchige Kur an.
Für eine so kurze Zeitspanne hätte aber auch nach Ansicht des Gerichts die Wiederaufnahme des Dienstes durch den Antragsteller keinen Sinn. Es ist ihm zuzumuten, solange darauf zu verzichten und die weitere Entwicklung seiner Sache abzuwarten. Nach allem erweist sich der Antrag, die Anordnung der sofortigen Vollziehung auszusetzen, als unbegründet. Er musste deshalb zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 36, 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO.