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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 22.03.1991 |
Aktenzeichen: | KVVG I 6/90 |
Rechtsgrundlage: | § 50 KGO; §§ 3,6 KVVG; § 42 VwGO |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | , Aberkennung des Amtes, Kirchenvorsteher, Pflichtverletzung, Popularklage, Vergleich, Verwaltungsakt |
Leitsatz:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten hat die Klägerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 6.000,-- DM festgesetzt.
#Tatbestand:
In der Evangelischen A-Kirchengemeinde A entstand im Herbst 1988 ein schwerwiegender Konflikt, der sich in der Folgezeit vor allem in einer Auseinandersetzung zwischen dem Kirchenvorstandsmitglied C. und dem Gemeindepfarrer D. zunehmend steigerte. Anlass hierfür war, dass in einem Nachbarhaus des Herrn C. Asylanten untergebracht werden sollten. Hiergegen wandte sich eine Bürgerinitiative, in der Herr C., aber auch die Klägerin eine maßgebliche Rolle spielten. Diese Bürgergruppe, zu der Gemeindemitglieder gehörten, machte geltend, dass in dem betroffenen Ortsteil E schon viele Ausländer lebten und man deshalb in dem zur Verfügung stehenden Haus statt Asylanten deutschstämmige Ausländer unterbringen sollte. Der Bürgerinitiative wurden daraufhin Ausländerfeindlichkeit und eigennützige Interessen vorgeworfen. Der Streit wurde sehr heftig in öffentlichen Stellungnahmen ausgetragen und führte zu einer Spaltung des Kirchenvorstandes. Herr C. befand sich dort in einer Minderheit gegenüber dem für die Mehrheit sprechenden Pfarrer D., dem auch der Dekan F. und der Dekanatssynodalvorstandsvorsitzende G. zur Seite standen.
Als wiederholt vorgenommene Schlichtungsversuche scheiterten, beschloss der Dekanatssynodalvorstand am 19.12.1988, Herrn C. das Amt des Kirchenvorstehers abzuerkennen. Hiergegen rief Herr C. das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht an.
In einer Güteverhandlung vor der 1. Kammer des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht, bei der auch die Klägerin zugegen war, kam es am 19. Januar 1990 zu einem Vergleich, der folgenden Wortlaut hat:
“In der heutigen Güteverhandlung vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht hat das Gericht an die Parteien appelliert, dass für alle Beteiligten das Wohl der A-Kirchengemeinde A absoluten Vorrang haben sollte.
Beide Parteien haben hierzu ihre uneingeschränkte Zustimmung erklärt.
Das Gericht hat zum Ausdruck gebracht, dass die Frage, ob Herrn C. eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 50 Abs. 1 Buchstabe b) der Kirchengemeindeordnung nachweisbar vorzuwerfen ist, zur Zeit offen erscheint.
Um dem Wohl der Kirchengemeinde zu dienen, sind beide Parteien bereit, den im Zusammenhang mit dem Konflikt “......gasse ...“ entstandenen Streit beizulegen.
Es besteht Einigkeit, dass Herrn C. aus der jetzigen Sicht nicht vorzuwerfen ist, er habe aus ausländerfeindlichen oder eigennützigen Motiven gehandelt. Gegenseitig in der Vergangenheit gemachte Vorwürfe werden von keiner Seite aufrechterhalten.
Herr C. erklärt, dass er bis spätestens 01.03.1990 aus dem Kirchenvorstand ausscheiden wird.
Die Parteien stimmen ferner darin überein, dass der Ausschluss des Herrn C. aus dem Kirchenvorstand damit hinfällig geworden ist.
Die Kirchenleitung begrüßt es, dass Herr C. sich dem Appell des Kirchengerichts, aus dem Kirchenvorstand auszuscheiden, nicht verschlossen hat.
Beide Parteien können diese Erklärung veröffentlichen lassen; sie werden sich aber eigener Zusätze enthalten.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass in dieser Sache von Herrn C., vom Dekanatssynodalvorstand und Herrn Pfarrer D. und den Initiativen keine weiteren Aktivitäten und Veröffentlichungen erfolgen.
Gerichtsgebühren sind nicht entstanden; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.“
Herr C. legte daraufhin sein Amt als Kirchenvorsteher zum 01.03.1990 nieder. Eine Beruhigung der Gemeindesituation trat jedoch nicht ein. Dies lag vor allem daran, dass die “Bürgerinteressengruppe“, für die die Klägerin auftritt und zeichnet, an die Beantwortung vor dem Vergleich liegender Eingaben und Beschwerden, die an den Kirchenvorstand und Dekanatssynodalvorstand gerichtet waren, erinnerte und gleichzeitig neue Beschwerden erhob.
In diesem Zusammenhang richtete die Klägerin am 25.04.1990 im Auftrag von Gemeindemitgliedern der Ev. A-Kirchengemeinde und der Bürgerinteressengruppe auch ein Schreiben an die Kirchenleitung, in dem sie Beschwerde gegen den Dekanatssynodalvorstand “bzw. gegen die Herren F. und G.“ führte und diese “wegen Unglaubwürdigkeit“ ablehnte. Sie bezog sich dabei auf unbeantwortete Beschwerdebriefe an den Kirchenvorstand und den Dekanatssynodalvorstand vom 25.09.1989, 03.12.1989, 28.12.1989, 29.12.1989, 01.03.1990, 27.03.1990, 23.04.1990 und auf einen Presseartikel vom 01.03.1990.
In einer weiteren Beschwerde vom 26.05.1990 an die Kirchenleitung mahnte die Klägerin eine Antwort auf ihre Eingabe vom 25.04.1990 an. Darüber hinaus beschwerte sie sich gegen einen ihr am 14.05.1990 mitgeteilten Beschluss des Dekanatssynodalvorstandes, in dem es hieß, künftige Briefe, die von Frau A. (der Klägerin) unterschrieben seien, würden nur noch dann bearbeitet, wenn alle, in deren Namen sie schreibe, mit Adressen und Unterschriften ihr Schreiben legitimierten.
Der Leiter der Kirchenverwaltung, Oberkirchenrat H., wies diese Beschwerden zurück und stellte dabei ebenfalls darauf ab, dass nicht ersichtlich sei, wer außer Frau A. – die Beschwerden eingelegt habe.
Hierauf wandte sich die Klägerin im Auftrag von Gemeindemitgliedern und der Bürgerinteressengruppe mit Schreiben vom 25.07.1990 erneut an die Kirchenleitung. Sie beschwerte sich darin über H. und den Gemeindereferenten I. und lehnte H. als befangen ab.
Mit Schreiben vom 27.08.1990 wies der Kirchenpräsident diese Beschwerde zurück. Er führte aus, dass diejenigen, die schwere Vorwürfe gegen Dekan, Dekanatssynodalvorstand und Mitarbeiter der Kirchenverwaltung erhöben, sich namentlich zu erkennen geben müssten. Im übrigen verteidigte er H.
Gegen diese “Entscheidung des Kirchenpräsidenten J. sowie der Kirchenleitung vom 27.08.1990 (Eingang 06.09.1990)“ hat die Klägerin mit einem Schriftsatz vom 01.10.1990, eingegangen am 04.10.1990, Klage beim Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht erhoben.
In der Klageschrift heißt es u.a.:
“Weiterhin bitten wir Sie, die Arbeitsweise und Entscheidungsfindung der Kirchenleitung Darmstadt und des Präsidenten schärfstens zu überprüfen. Und zuletzt bitten wir Sie sehr dringend darum zu prüfen, ob der bereits mit der Neuwahl befasste derzeitig amtierende Kirchenvorstand mit seinem Vorsitzenden K. (s. Nr. 4 zur Anlage 1) sowie der DSV aufgrund der gegen beide vorliegenden, verschleppten und noch immer nicht bearbeiteten Beanstandungen, Einspruch und Beschwerden bis zum Abschluss der Bearbeitung dieser Angelegenheit suspendiert werden kann, damit nicht die zum Teil gleichen Personen der damaligen Ärgernisse sich selbst vorschlagen oder vorschlagen lassen und von den nicht vollständig aufgeklärten Gemeindegliedern bzw. der Synode evtl. wieder gewählt werden können.“
Ferner wird in der Klage Bezug genommen auf den Einspruch vom 03.12.1990 und das Schreiben vom 29.12.1989 an den Dekanatssynodalvorstand, auf die Beschwerden vom 25.04.1990 und 26.05.1990 und auf einen “Anhang“, der sich auf Anträge und Rügen bezüglich der Gemeindeversammlung vom 18.09.1989 bezog.
Die Klageschrift enthält acht Anlagen, wobei sich die meisten Anlagen ihrerseits jeweils auf beigefügte weitere Anlagen beziehen.
Auf sämtliche von der Klägerin eingereichte Schriftstücke und auf den Klageerwiderungsschriftsatz, in dem die Beklagte die Zurückweisung der Klage als unzulässig beantragt, wird Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
Die Klage war als unzulässig abzuweisen. Nach dem Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht (KVVG) in der Neufassung vom 01.08.1979 (Amtsblatt der EKHN 1979, S. 119 ff.) kann das Kirchengericht nur in den dort aufgeführten Fällen angerufen werden. Unter anderem ist das Gericht berufen, über die Aufhebung oder die Verpflichtung zum Erlass eines kirchlichen Verwaltungsaktes zu entscheiden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KVVG).
Ein Fall, in dem eine Entscheidungskompetenz des Kirchengerichts besteht, liegt hier jedoch nicht vor. Insbesondere geht es nicht um den Bestand oder die Herbeiführung von Verwaltungsakten. Die an die Kirchenleitung gerichteten Beschwerden vom 23.04.1990 und 26.05.1990 sind als Dienstaufsichtsbeschwerden zu qualifizieren. Mit dem angefochtenen Bescheid des Kirchenpräsidenten vom 27.08.1990 sind diese Dienstaufsichtsbeschwerden zurückgewiesen worden. Eine Entscheidung einer Aufsichtsbehörde, durch die eine Dienstaufsichtsbeschwerde abgelehnt wird, ist jedoch nach allgemeiner Auffassung in Rechtssprechung und Schrifttum kein Verwaltungsakt. (Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl. 1988, § 42 RdNr. 94).
Die Klägerin irrt, wenn sie offenbar meint, das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht könne alle Maßnahmen kirchlicher Leitungsorgane schrankenlos überprüfen. Dies hat der Gesetzgeber aus gutem Grund nicht gewollt. Das Kirchengericht hat dies bereits in einem Urteil vom 19.01.1955 (Az. I 1/53) zum Ausdruck gebracht, in dem es heißt, der kirchliche Gesetzgeber sei erkennbar davon ausgegangen, dass im kirchlichen Raum entstandene Streitigkeiten in der Regel auf andere Weise und durch andere Instanzen als vor Gericht beizulegen seien und dass ein formelles gerichtlichen Verfahren nur in bestimmten Fällen als geeignet und notwendig erscheine. Im übrigen ist weder im staatlichen noch im kirchlichen Bereich eine sogenannte Popularklage zulässig. Nur derjenige kann wegen der Aufhebung oder des Erlasses eines Verwaltungsaktes das Kirchengericht anrufen, dessen eigene “rechtliche Interessen“ berührt sind (§ 6 Nr. 3 KVVG). Im vorliegenden Fall nimmt die Klägerin die allgemeinen Interessen einer aus Gemeindemitgliedern bestehenden Bürgergruppe war. Auch wenn sie selbst federführend zu dieser Bürgergruppe gehört, reicht dies nicht, ihr die Antragsberechtigung im Sinne des § 6 KVVG zuzuerkennen.
Darüber hinaus muss die Klage jedoch auch noch aus einem anderen Grund erfolglos bleiben:
Der Fall C. ist durch den Vergleich vom 19.01.1990 abgeschlossen worden. Die Parteien des damaligen Verfahrens waren sich einig, dass von den unmittelbar Beteiligten und auch von den Initiativen “keine weiteren Aktivitäten und Veröffentlichungen“ erfolgen sollten. Durch den Vergleich sollte zum Wohle der A-Kirchengemeinde A ein Friedenszustand herbeigeführt werden.
Die Klägerin wurde zwar durch diesen Vergleich nicht rechtlich verpflichtet, weil sie nicht Partei des damaligen Verfahrens war. Sie war jedoch bei der Verhandlung anwesend und hat in vollem Umfang erfahren, um was es ging und was mit dem Vergleich erreicht werden sollte.
Wenn die Klägerin und ihre Gruppe in der Folgezeit entgegen dem Sinn des Vergleichs die zurückliegenden Streitfragen weiterverfolgten/oder wieder aufgriffen, so brauchte sich der Kirchenvorstand und der Dekanatssynodalvorstand hierauf nicht einzulassen. Die vielen Schreiben der Klägerin an verschiedene kirchliche Instanzen lassen erkennen, dass die Klägerin nicht bereit war, andere Auffassungen widerspruchslos anzuhören, sondern dass sie vielmehr auf jede ihr erteilte Antwort mit weiteren Aktivitäten und umfangreichen Schreiben erwiderte. Kirchliche Gremien und Leistungsorgane haben jedoch primär andere Aufgaben, als sich hierauf in einer kein Ende abzusehenden Weise einzulassen. Auch die Klägerin sollte, wenn sie sich noch innerlich der Kirche zugehörig fühlt, sich dieser Einsicht nicht verschließen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 36, 38 KVVG i. V. m. § 154 I VwGO. Die Rechtsanwaltskosten der Beklagten waren der Klägerin aufzuerlegen, da sie in dem Kirchenrechtsstreit unterlegen ist.