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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.09.2019
Aktenzeichen:KVVG I 11/19
Rechtsgrundlage:§§ 2, 3, 6, 20, 22, 36, 38 KVVG; §§ 52, 56 MAVG; § 7 KO; §§ 123, 154 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Einstweiliger Rechtsschutz, Normenkontrolle, Schlichtungsstelle, Synodaler Beschluss
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Leitsatz:

  1. Es ist in der Rechtsprechung des Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgerichts geklärt, dass im Rahmen der allgemeinen Zuständigkeit des Gerichts in entsprechender Anwendung von § 123 VwGO der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht kommt (KVVG, Beschluss vom 24. Februar 2004 – I 8/03 –, Amtl. Sammlg. Nr. 132 m.w.N.).
  2. § 2 Nr. 3 KVVG eröffnet keinen Rechtsschutz gegen einen Beschluss der Schlichtungsstelle. Die Schlichtungsstelle ist keine Synode im Sinne von Art. 18 und Art. 30 Abs. 2, 31 ff. KO, sondern ein kirchliches Gericht.
  3. Die abstrakte Prüfung der Rechtsgültigkeit eines Kirchengesetzes ist nur im Verfahren der Normenkontrolle gemäß § 2 Nr. 1 KVVG möglich.

Tenor:

  1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
  2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten hat der Antragsteller zu tragen.
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Gründe:

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I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Aussetzung eines Verfahrens vor der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Er ist mit einem Stellenanteil von 0,5 Inhaber der Pfarrstelle der Kirchengemeinde A und Vorsitzender des Kirchenvorstands der Kirchengemeinde. Als solcher ist er zugleich Teil der Dienststellenleitung im Sinne von § 3 des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau – MAVG –. Mit Schreiben vom 21. Mai 2019 rief die Mitarbeitervertretung im Evangelischen Dekanat A die Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an und beantragte in fünf Fällen die Feststellung einer groben Pflichtverletzung durch die Dienststellenleitung der Kirchengemeinde A. Der Antragsteller wendet sich gegen die Durchführung des Schlichtungsverfahrens und macht im Wesentlichen geltend, dessen Ausgestaltung hebele die aus § 7 Kirchenordnung – KO – abgeleitete Fürsorgepflicht aus und führe zu einer Schutzlosigkeit von Pfarrpersonen, die Aufgaben der Dienststellenleitung ausübten. Insbesondere verstoße § 52 Abs. 4 MAVG gegen seine kirchenverfassungsrechtlichen Grundrechte.
Der Antragsteller hat zunächst mit Schriftsatz vom 9. Juli 2019 eine Klage nach § 3 Abs. 1 Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht – KVVG – erhoben und einen Eilantrag gestellt (Az.: I 8/19 und I 9/19). Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2019 hat er zusätzliche Einwendungen erhoben, die als weitere Klage und Eilantrag nach § 2 Nr. 3 KVVG anzusehen sind (Az.: I 11/19 und I 12/19). Mit den zuletzt genannten Rechtsbehelfen begehrt der Antragsteller in der Hauptsache die Wahrung seiner kirchenverfassungsrechtlichen Rechte gegenüber Feststellungen der Schlichtungsstelle und zur Absicherung dieses Begehrens mit dem vorliegenden Eilverfahren die vorläufige Aussetzung des Schlichtungsverfahrens. Er ist der Auffassung, seine Rechtsbehelfe seien nach § 2 Nr. 3 i.V.m. § 6 Nr. 2 Buchst. a) KVVG zulässig. Ergänzend sei auf die verfassungsmäßige Gründung des Gerichts abzustellen, das nach der Kirchenordnung Verfassungsfragen zu bescheiden habe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
das Verfahren der Schlichtungsstelle 11-6/2019 gegen die Dienststellenleitung der Kirchengemeinde A und damit auch gegen ihn als Vorsitzenden des Kirchenvorstandes bis zu einer rechtkräftigen Entscheidung des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts in dem Hauptsacheverfahren I 12/19 auszusetzen.
Die Antragsgegnerin und die Äußerungsberechtigte treten dem Eilantrag entgegen und halten ihn sowie die Klage im Verfahren I 12/19 für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
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II.

Der Antrag ist zurückzuweisen, weil er unzulässig ist.
Der Zulässigkeit des Antrags steht zunächst nicht entgegen, dass das Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht vorläufige Maßnahmen selbst nur im Rahmen einer Anfechtungsklage kennt (vgl. § 20 KVVG). Vor dem Hintergrund, dass § 38 KVVG die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – für anwendbar erklärt, soweit grundsätzliche Unterschiede der Verfahrensarten die Anwendung nicht ausschließen, ist in der Rechtsprechung des Gerichts geklärt, dass in Fällen, in denen wie vorliegend in der Hauptsache ein Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsbegehren in Betracht kommt, in entsprechender Anwendung von § 123 VwGO der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht kommt. In einem solchen Verfahren bedarf es zudem – anders als im Hauptsacheverfahren (vgl. § 22 Abs. 1 KVVG) – keiner mündlichen Verhandlung (vgl. zu alledem KVVG, Beschluss vom 24. Februar 2004 – I 8/03 –, Amtl. Sammlg. Nr. 132 m.w.N.). Dies gilt entsprechend in Streitverfahren nach § 2 KVVG (vgl. § 32 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht).
Der Antrag ist aber deshalb unzulässig, weil der Antragsteller das in seiner Klage (I 12/19) zum Ausdruck kommende Begehren nicht in einem Verfahren vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht geltend machen kann. Insoweit ist sein Rechtsbehelf bereits unstatthaft. Vorläufiger Rechtsschutz kann nur so weit gehen, wie das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht in der Hauptsache angerufen werden kann. Die prinzipielle Möglichkeit der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes erweitert den Zuständigkeitsbereich des Gerichts nicht mit der Folge, dass auch im Eilverfahren Rechtsschutz nur möglich ist, soweit das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht nach Maßgabe der §§ 2 und 3 KVVG zuständig ist (vgl. KVVG, Beschluss vom 24. Februar 2004, a.a.O.). Das in der Hauptsache geltend gemachte Begehren kann indes nicht auf die vom Antragsteller herangezogene Vorschrift des § 2 Nr. 3 KVVG gestützt werden.
Soweit der Antragsteller mit seiner Klage (nunmehr) Rechtsschutz gegen die Feststellungen der Schlichtungsstelle aus § 52 Abs. 4 i.V.m. § 56 MAVG begehrt und hierfür die Zuständigkeit des Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgerichts aus § 2 Nr. 3 KVVG ableitet, ist seine Klage nicht statthaft. Nach § 2 Nr. 3 KVVG entscheidet das Gericht auf Antrag über Beschwerden gegen synodale Beschlüsse, soweit die Anwendung der Kirchenordnung oder sonstiger kirchlicher Rechtsnormen gerügt wird. Der Beschluss der Schlichtungsstelle ist – worauf bereits der Vorsitzende der Kammer in seiner Verfügung vom 1. August 2019 hingewiesen hat – jedoch kein Beschluss der Synode; dies folgt schon aus dem Umstand, dass die Schlichtungsstelle keine Synode im Sinne von Art. 18 und Art. 30 Abs. 2, 31 ff. KO darstellt, sondern als kirchliches Gericht (vgl. BAG, Beschluss vom 25. April 1989 – 1 ABR 88/87 –, KirchE 27, 123 und juris Rn. 21) Aufgaben der Rechtsprechung in mitarbeitervertretungsrechtlichen Angelegenheiten wahrnimmt.
Ferner und nur zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass über § 2 Nr. 3 i.V.m. § 6 Nr. 2 Buchst a) KVVG auch keine Feststellung der Nichtigkeit von § 52 Abs. 4 MAVG geltend gemacht werden kann, wie es der Antragsteller im Klageverfahren I 12/19 ursprünglich begehrt hat (vgl. Seite 1 seines Schriftsatzes vom 31. Juli 2019). Insofern scheidet § 2 Nr. 3 KVVG als Grundlage für ein Verfahren vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht aus. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Kirchengesetzes ist nur im Verfahren der Normenkontrolle (§ 2 Nr. 1 KVVG) möglich, für die dem Antragsteller indes die Antragsberechtigung und Parteifähigkeit fehlen (vgl. § 6 Nr. 1 KVVG). Allein diesem Verfahren ist die abstrakte Prüfung der Rechtsgültigkeit eines Kirchengesetzes durch das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht vorbehalten. Aus der Kirchenordnung ergeben sich keine darüber hinausgehenden Rechtsschutzmöglichkeiten.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§ 38 KVVG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO).