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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:11.03.2022
Aktenzeichen:KVVG I 12/21
Rechtsgrundlage:§§ 22, 9, 10 KGWO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Benennungsausschuss, Bezirkswahl, Gemeinderecht, Kirchenvorstandswahl, Präklusion, Wahlgleichheit, Wahlprüfung, Wahlvorschlag
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Leitsatz:

  1. Ob ein Mangel des Wahlverfahrens geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts.
  2. Die Kirchengemeindewahl ist als Kreationsverfahren kirchenleitender Organe in besonderer Weise durch die Gleichheit der Teilhabe aller Kirchenmitglieder am Gemeindeleben geprägt.
  3. § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO bindet im Rahmen der Bezirkswahl das Ermessen von Benennungsausschuss und Gemeindeversammlung dahingehend, dass in der Regel nur Gemeindemitglieder in den Wahlvorschlag für die jeweiligen Wahlbezirke aufgenommen werden sollen, die dort ihren Wohnsitz haben. Abweichungen hiervon sind nicht schon dann zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund streitet, sondern nur wenn zwingende Gründe sie gebieten.
  4. Im zweistufigen Verfahren der Wahlprüfung hat der Einspruchsführer die Mängel, auf die er seinen Rechtsbehelf stützt, innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist in substantiierter Art und Weise geltend zu machen. Danach kann er nur noch ergänzend vortragen, nicht aber einen weiteren eigenständigen Mangel zum Gegenstand des Verfahrens machen.

Tenor:

  1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Dekanatssynodalvorstandes des Evangelischen Dekanats B vom 12.07.2021 wird die Wahl zum Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde D vom 13.06.2021 für ungültig erklärt.
  2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten hat der Beklagte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
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Tatbestand:

Der Kläger gehört der evangelischen Kirchengemeinde D an und wendet sich mit seiner Klage gegen die Gültigkeit der Kirchenvorstandswahlen vom 13. Juni 2021. Die Wahl wurde als unechte Bezirkswahl durchgeführt. Für die Kandidatenaufstellung war ein Benennungsausschuss eingesetzt. Für die Gemeindeteile D-Stadt, E-Stadt, F-Stadt und G-Stadt wurden Wahlbezirke eingerichtet und im vorläufigen Wahlvorschlag Kandidierende benannt. Am 13. Dezember 2020 fand eine Gemeindeversammlung statt. Ergänzende Wahlvorschläge wurden nicht eingebracht.
Für den Wahlbezirk D-Stadt wurde der Kandidat E, der in F-Stadt wohnhaft ist, aufgestellt. Für den Wahlbezirk G-Stadt wurde die Kandidatin F aufgestellt, die in D-Stadt wohnhaft ist. Der Kläger kandidierte im Wahlbezirk D-Stadt, wo er auch wohnt. Die Kandidierenden wurden in einem Extra-Heft zum Gemeindebrief der Gemeinde vorgestellt. Im nämlichen Gemeindebrief April/Mai 2021 wurden unter der Überschrift „Bibelworte, die mich begleiten“ Texte von Menschen über ein Bibelwort, das ihnen besonders viel bedeutet, veröffentlicht. Die Texte sind mit dem Namen der Autoren gekennzeichnet. Unter den Autoren befinden sich auch drei Kandidaten für die Kirchenvorstandswahl.
Das Wahlergebnis der Kirchenvorstandswahl wurde am 20. Juni 2021 im Gottesdienst bekannt gegeben. Im Gegensatz zu den Kandidaten E und F wurde der Kläger nicht in den Kirchenvorstand gewählt.
Der Kläger hat am 20. Juni 2021 gegenüber dem Kirchenvorstand der Beigeladenen Einspruch gegen das Ergebnis der Kirchenvorstandswahl erhoben und diesen im Wesentlichen damit begründet, dass die gewählten Kirchenvorstandsmitglieder E und F zum Zeitpunkt der Aufstellung der Wahlvorschläge nicht im jeweiligen Wahlbezirk wohnten. Hierin sieht der Kläger einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 3, § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 10 Absatz 4b Satz 4 KGWO. Den Bewerbern sei die Chance eingeräumt worden wegen des größeren Bekanntheitsgrades in zwei verschiedenen Wahlbezirken, mehr Stimmen auf sich zu vereinen und auch unerwünschte Konkurrenz mit anderen Kandidaten in einzelnen Wahlbezirken zu vermeiden.
Der Dekanatssynodalvorstand des Beklagten hat dem Einspruch am 12. Juli 2021 nicht stattgegeben. Der für die Zuordnung der Kandidaten zu Wahlbezirken maßgebliche § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO enthalte lediglich eine Sollregelung, weshalb der Kirchenvorstand bei der Aufstellung eines Wahlvorschlages davon abweichen könne, wenn er dies begründen könne.
In seiner gegen die Entscheidung des Dekanatssynodalvorstandes am 22. Juli 2022 erhobenen Klage verweist der Kläger zunächst darauf, dass die abweichende Zuordnung der Kandidaten einen Verstoß gegen § 10 Absatz 4b Satz 4 KGWO, wonach die Kandidierenden bei einer Bezirkswahl dem Wahlbezirk zugeordnet werden, dem sie angehören, darstelle. Auch bei Anwendung Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO, wonach in den Wahlvorschlag des jeweiligen Wahlbezirks nur Gemeindemitglieder dieses Bezirks aufgenommen werden sollen, habe die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt. Der Benennungsausschuss hätte eine Auslegung wählen müssen, die dem Sollcharakter der Vorschrift angemessen sei. Weder für die Kandidatin F noch den Kandidaten E liege ein Ausnahmefall vor. Der Kandidat E sei seit wenigstens 15 Jahren im Ortsteil F-Stadt wohnhaft. Das Abstellen auf vergangenes kirchengemeindliches Engagement führe zu einer Bevorzugung etablierter Kandidaten. Auch das Abstellen auf eine anderweitige familiäre Verwurzelung im Fall der Kandidatin F sei unzulässig. Soweit darauf abgestellt würde, dass die Kandidierenden in den jeweiligen Bezirken auch aktiv und präsent seien, sei dem entgegenzuhalten, dass aufgrund der Gegebenheiten in der Kirchengemeinde D-Stadt sich die überwiegenden Aktivitäten ohnehin nur im Kernort D-Stadt abspielten. Durch die abweichende Zuordnung sei den Bewerbern die Chance eingeräumt worden wegen des größeren Bekanntheitsgrades in zwei verschiedenen Wahlbezirken mehr Stimmen auf sich zu vereinen und unerwünschte Konkurrenzen mit anderen Kandidierenden in einzelnen Wahlbezirken zu vermeiden. Dies stelle eine Verletzung der Chancengleichheit dar und sei mit dem Charakter der unechten Bezirkswahl, die auf die Repräsentanz auch kleiner Kirchorte abziele, unvereinbar. Verschiebungen seien auch wegen der Auswirkungen auf den Erfolgswert der Stimmen sorgfältig abzuwägen. Schließlich sei auch dem Kläger keine Auswahl seines Wahlbezirks zugestanden worden.
Der Kläger trägt überdies erstmals vor, dass durch den Abdruck von Texten dreier später erfolgreich Kandidierender im Gemeindebrief April/Mai 2021 diese sich zusätzlich zur Vorstellung im Beiheft zur Kirchenvorstandswahl an prominenter Stelle kurz vor Beginn der Wahlzeit hätten vorstellen können, wodurch der Gleichheitsgrundsatz gem. § 2 Abs. 1 KGWO verletzt worden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Dekanatssynodalvorstandes des Evangelischen Dekanats B vom 12.07.2021 die Wahl zum Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde D vom 13.06.2021 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unbegründet. Die Beigeladene habe bei der Aufstellung des Wahlvorschlages rechtskonform gehandelt. § 10 Abs. 4b Satz 4 KGWO sei nicht einschlägig, da er sich nur auf die von der Gemeinde im schriftlichen Verfahren benannten Kandidierenden beziehe. § 10 Abs. 6 Satz 1 KGWO enthalte keine zwingende Regelung für die Zuordnung aller Kandidierenden zu den Wahlbezirken ihres Wohnortes. Bei der Bezirkswahl sollten die unterschiedlichen Ortsteile in ihrer Unterschiedlichkeit auch im gemeinsamen Kirchenvorstand repräsentiert sein. Deshalb sehe § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO auch vor, dass in den einzelnen Wahlbezirken Kandidierende aufgestellt werden, die dort wohnhaft sind. Darüber hinaus habe der Benennungsausschuss aber durch die Soll-Regelung die Möglichkeit, von dieser grundsätzlichen Zuordnung abzuweichen, um den Sinn und Zweck der Regelung anderweitig zu erreichen. Durch die Zuordnung der Kandidierenden E und F sei dem Zweck einer Bezirkswahl besser Rechnung getragen worden, als wenn beide Kandidierenden an ihrem Wohnort zugeordnet worden wären.
Für den Wahlbezirk G-Stadt hätten sich zunächst keine Wahlbewerber finden lassen. Erst nachdem sich niemand zu einer Kandidatur bereitgefunden hatte, habe der Benennungsausschuss die Kandidierende F gefragt, die als G-Städterin für die gerade beendete Kirchenvorstandperiode für den Bezirk G-Stadt kandidiert hatte, aber während der Wahlperiode nach D-Stadt umgezogen sei. Erst nach ihrer Bereitschaft, sich zur Wahl zu stellen, habe sich eine weitere Wahlbewerberin gefunden. F habe auch nach ihrem Umzug weiterhin sich in G-Stadt kirchlich engagiert und sich deshalb bereit erklärt, dort zu kandidieren. Andernfalls hätten dort nicht mehr zwei Kandidierende zur Wahl gestanden. Für den Bezirk F-Stadt sollten ebenfalls Kandidierende gefunden werden, die die Interessen dieses Ortsteils im Kirchenvorstand repräsentierten. E wohne zwar seit vielen Jahren in F-Stadt, sei aber lange Jahre weiter in D-Stadt politisch aktiv gewesen. 2007 sei er für den Kirchenvorstand für F-Stadt nachgewählt, 2009 und 2015 für F-Stadt regulär gewählt worden. Er habe durch seine Tätigkeit im Kirchenvorstand aber gezeigt, dass er seine Aufgabe nicht in der Vertretung F-Städter Interessen sehe, sondern sich für die gesamte Kirchengemeinde besonders in allen diakonischen und finanziellen Belangen engagiert habe. Deshalb habe sich der Benennungsausschuss überlegt, ihn für D-Stadt aufzustellen.
Der Grundsatz der gleichen Wahl in § 2 Abs. 1 KGWO werde schließlich durch die Möglichkeit einer Bezirkswahl eingeschränkt. Alle Kandidierenden seien in einem Extraheft der Gemeinde vorgestellt worden. Damit sei die Kirchengemeinde ihrer Verpflichtung gemäß § 14 KGWO nachgekommen. Die zusätzlich veröffentlichten Texte im Gemeindebrief seien namentlich gekennzeichnet, ein Bezug zur Kandidatur für die Kirchenvorstandswahl sei aber nicht hergestellt worden. Da eine Kandidatur zur Kirchenvorstandswahl keine Zurückhaltung auferlege, sich nicht mehr im Gemeindeleben zu engagieren, um die Wahlchancen von weniger bekannten Kandidierenden nicht zu schmälern, liege in den drei Artikeln im Gemeindebrief keinerlei Benachteiligung von anderen Kandidierenden.
Mit Beschluss vom 16.08.2021 hat das Gericht die Kirchengemeinde zu dem Verfahren beigeladen. Sie hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Einspruchsvorgänge und Wahlunterlagen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nach § 22 Abs. 5 KGWO statthaft und fristgerecht erhoben worden. Als kirchengesetzlich nicht gesondert geregelte Gestaltungsklage sui generis zielt sie auf Prüfung des Wahlaktes als solchen, der keinen Verwaltungsakt darstellt und mithin auch nicht im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gerichtlicher Prüfung unterstellt werden kann (vgl. auch: VGH EKU, U. v. 19.11.1984 – VGH 56/84, RSprB ABl. EKD 1985, 3). Da § 21 Abs. 5 Satz 4 KGWO von der „Rechtskraft der Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl“ und von der „Ungültigkeitserklärung der Wahl“ spricht, ist die gerichtliche Entscheidung von unmittelbar rechtsgestaltender Wirkung. Der Kläger ist durch die nicht stattgebende Einspruchsentscheidung auch in seinen rechtlichen Interessen berührt. Die Wahlprüfungsklage richtet sich gem. § 22 Abs. 5 Satz 1 KGWO gegen die Entscheidung des Dekanatssynodalvorstandes. Als dessen Rechtsträger ist das Dekanat Beklagter (§§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, 38 KVVG).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Wahl zum Kirchenvorstand der Beigeladenen leidet an einem Mangel im Verfahren zur Aufstellung des Wahlvorschlages i. S. d. § 22 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2, 3 KGWO, denn der Benennungsausschuss hat bei der Zuordnung des Kandidierenden E gegen § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO verstoßen.
Die Wahl zum Kirchenvorstand ist ganz oder teilweise für ungültig zu erklären bei Mängeln des Verfahrens zur Aufstellung des Wahlvorschlags oder im Wahlverfahren, wenn sie auf das Ergebnis der Wahl von Einfluss gewesen sein können (§ 22 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 und 3 KGWO). Ob diese Möglichkeit bestand, d. h. ob der Verstoß geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts. Dabei wird allerdings eine nur denkbare Möglichkeit dann nicht genügen, die Anfechtung zu begründen, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist (vgl. BVerwG, U. v. 27.06.2007 – 6 A 1/06 –, juris Rn. 45).
Die Kirchengemeindewahl ist als Kreationsverfahren kirchenleitender Organe in besonderer Weise durch die Gleichheit der Teilhabe aller Kirchenmitglieder am Gemeindeleben geprägt. Jedes Kirchenmitglied gehört grundsätzlich der örtlichen Kirchengemeinde, bei Gesamtkirchengemeinden der Ortskirchengemeinde des ersten Wohnsitzes als Gemeindemitglied an (§ 12 Abs. 1 KGO). Der Kirchenvorstand leitet die Kirchengemeinde nach Schrift und Bekenntnis sowie der auf ihnen beruhenden kirchlichen Ordnung und ist für das gesamte Gemeindeleben verantwortlich (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 KO). In der Kirchengemeindewahl nehmen die Gemeindemitglieder ihre Mitverantwortung für die Leitung der Kirchengemeinde dadurch wahr, dass sie sich an der kirchlichen Wahl beteiligen, frei von allen unkirchlichen Bindungen ihre Entscheidung treffen und sich auch selbst zur Übernahme eines solchen Dienstes bereitfinden (§ 1 Abs. 2 KGWO). Aktives und passives Wahlrecht knüpfen gem. §§ 2 Abs. 1, 2, 4 Abs. 1 KGWO an die Gemeindemitgliedschaft an; so werden die Mitglieder des Kirchenvorstandes von den wahlberechtigten Gemeindemitgliedern gem. § 2 Abs. 1 KGWO in gleicher, freier, allgemeiner, geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Kirchenrechtliche Konkretisierung haben diese Wahlgrundsätze nicht erfahren. Ungeachtet der unterschiedlichen Bedeutung der Wahl in der Kirche als göttlicher Stiftung und des Staates als legitimationsbedürftiger Herrschaftsordnung (S. a. Guntau, Wahl-evangelisch, in: LKRR, Band 4, S. 701 f; Kühn, Das Wahlrecht der EKD und ihrer Gliedkirchen, 1967; ders., Gemeindewahlrecht im Wandel, ZevKR 21 (1976), 21) ist angesichts der sicherzustellenden Gleichheit der Teilhabe aller Kirchenmitglieder auch in der Kirchenvorstandswahl – wie im staatlichen Wahlverfahren – der Grundsatz der Wahlgleichheit im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit (vgl. BVerfGE 51, 222 (234); 78, 350 (357 f.); 82, 322 (337); 85, 264 (315) in allen Phasen des Wahlverfahrens (Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, 95. EL Juli 2021, GG Art. 38 Rn. 129) zu verstehen. Differenzierungen sind zwar nicht ausgeschlossen, müssen sich aber auf „zwingende Gründe“ stützen (BVerfGE 95, 408 (418 f.); 120, 82 (108)).
Das Gemeindewahlrecht nimmt innerhalb des von ihm zugrunde gelegten Verhältniswahlsystems Relativierungen des Stimmengewichts bzw. der Erfolgswertgleichheit im Rahmen der Bezirkswahl nach § 9 Abs. 1 KGWO hin. Der Kirchenvorstand kann gem. § 9 Abs. 1 KGWO die Kirchengemeinde in mehrere Wahlbezirke einteilen
(Bezirkswahl). Wahlbezirke können gebildet werden, wenn es innerhalb der Kirchengemeinde Wohnbezirke gibt, die räumlich abgrenzbar (z. B. Orte oder Ortsteile) und entweder strukturell unterschiedlich oder durch ein eigenständiges Gemeindeleben mit regelmäßigem Gottesdienst (z. B. Seelsorgebezirke) geprägt sind. Hierbei kann er – wie für die Kirchenvorstandwahl der Beigeladenen geschehen – u. a. gem. § 9 Abs. 3 KGWO beschließen, dass lediglich der Wahlvorschlag nach Wahlbezirken aufgegliedert und die Zahl der für jeden Wahlbezirk zu wählenden Mitglieder des Kirchenvorstands festgelegt werden, aber alle Wahlberechtigten zur Wahl des gesamten Kirchenvorstands zugelassen sind (unechte Bezirkswahl). Der Wahrung der Wahlgleichheit ist in Folge die Verteilung der Kirchenvorstandsmitgliederzahl auf die Bezirke nach dem Proportionalitätsmaßstab des § 9 Abs. 4 KGWO verpflichtet. Findet eine Bezirkswahl statt, so sind gem. § 10 Abs. 6 Satz 1 KWGO die Wahlvorschläge für die einzelnen Wahlbezirke getrennt aufzustellen. In den Wahlvorschlag der jeweiligen Wahlbezirke sollen gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO nur Gemeindemitglieder dieses Bezirkes aufgenommen werden. Die engere, weil zwingende Vorschrift des § 10 Absatz 4b Satz 4 KGWO findet nur Anwendung, wenn auf die Durchführung einer Gemeindeversammlung verzichtet wird, und ist hier nicht anzuwenden.
Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO bindet das Ermessen von Benennungsausschuss und Gemeindeversammlung dahingehend, dass in der Regel nur Gemeindemitglieder in den Wahlvorschlag für die jeweiligen Wahlbezirke aufgenommen werden sollen, die dort ihren Wohnsitz haben. Abweichungen sind insoweit nicht schon dann zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund streitet, sondern vor dem Hintergrund der Gleichheit der Wahl nur dann, wenn zwingende Gründe sie gebieten. Eine abweichende Zuordnung ist mithin nur im Ausnahmefall rechtmäßig. Zwingende Gründe können insbesondere durch die Teleologie des Bezirkswahlverfahrens begründet sein, die gerade darauf gerichtet ist, die lebensweltlichen, territorialen Differenzierungen innerhalb einer Kirchengemeinde aufzunehmen. Insbesondere kann eine Abweichung geboten sein, soweit trotz eines Umzugs ein bezirkliches kirchliches Engagement fortbesteht oder sich in einem Bezirk trotz aller Bemühungen nicht genügend Kandidierende finden. Für die Anzahl der Kandidierenden gibt § 9 Abs. 4 KGWO einen Anhalt, wonach der Wahlvorschlag für jeden Bezirk mindestens eine Person mehr enthalten soll als in diesem Bezirk zu wählen ist, mindestens aber so viele Personen wie in diesem Bezirk zu wählen sind. Aus der Differenzierung im Wahlverfahren folgt indes keine Differenzierung in der Legitimation der Wahlmitglieder des Kirchenvorstandes und der Wahrnehmung seiner kirchenleitenden Funktionen. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes sind keine Interessenvertreter unterschiedlicher Gemeindevölker in den Wahlbezirken, sondern haben als Mitglieder des Kollegialorgans des Kirchenvorstandes die Kirchengemeinde als solche nach Schrift und Bekenntnis sowie der auf ihnen beruhenden kirchlichen Ordnung zu leiten und sind für das gesamte Gemeindeleben (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 KO) verantwortlich. Die Untergliederung einer Kirchengemeinde in Wahlbezirke erschöpft sich vielmehr in ihrer Funktion für das Wahlverfahren und lässt die Gemeindeorganisation und vor allem das Aufgabenfeld des Kirchenvorstandes und seiner einzelnen Mitglieder im Übrigen unberührt. Ein gemeindliches Engagement auf der Ebene der Kirchengemeinde – und jenseits der Wahlbezirke – in kirchenleitender Funktion kann eine abweichende Zuordnung nach § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO deshalb nicht rechtfertigen.
Die von seinem Wohnort abweichende Zuordnung des Kandidierenden E zum Wahlbezirk D-Stadt durch den Benennungsausschuss kann sich nicht auf hinreichende Gründe zur Abweichung stützen und ist rechtswidrig. Er wohnt unverändert in F-Stadt und war in der Vergangenheit auch in diesem Bezirk mehrfach in den Kirchenvorstand gewählt worden. Ein Bezug zum Wahlbezirk D-Stadt wird lediglich mit seinem Engagement für gesamtgemeindliche Anliegen begründet. Dieses Engagement stellt keinen Grund dar, der die Annahme eines atypischen Falles rechtfertigen könnte. Die Zuordnung zu den Wahlbezirken bei der unechten Bezirkswahl erschöpft sich in der ausgeführten, auf das Wahlverfahren bezogenen Wirkung, ändert aber nichts am Aufgabenprofil der Wahlmitglieder des Kirchenvorstands. Die Anknüpfung an das gleichfalls territoriale Kriterium des Wohnortes kann insoweit nicht als Form auf die Wahlbezirke bezogener, materieller Repräsentativität der dortigen Kirchengemeindemitglieder verstanden werden. Der Kirchenvorstand repräsentiert vielmehr in allen seinen Mitliedern, unabhängig von ihrem Wahlbezirk und der Ausprägung ihres Wirkens für die Gemeinde, die Gesamtheit der Kirchengemeinde.
Die von ihrem Wohnort abweichende Zuordnung der Kandidierenden F zum Wahlbezirk G-Stadt durch den Benennungsausschuss ist hingegen rechtmäßig. Sie trägt einem atypischen Ausnahmefall Rechnung und sichert eine hinreichende Anzahl von Kandidierenden in dem Wahlbezirk. Die Zuordnungsentscheidung sichert nicht nur die erforderliche Kandidatenzahl, sondern trägt vor allem auch der Zielsetzung der unechten Bezirkswahl Rechnung und bewegt sich deshalb im Rahmen des § 10 Abs. 6 Satz 2 KGWO. Durch eine Zuordnung der Kandidierenden F zum Wahlbezirk D-Stadt, in dem sie jetzt wohnt, hätten für G-Stadt nicht mehr zwei Kandidierende zur Wahl gestanden. Angesichts des nach ihrem Umzug in den Ortsteil D-Stadt fortbestehenden kirchengemeindlichen Engagements im Bezirk G-Stadt ist es nicht zu beanstanden, wenn der Benennungsausschuss deshalb hier vom Soll-Erfordernis der Bezirkszugehörigkeit bei F abgesehen hat, um dafür der Soll-Regelung des § 9 Abs. 4 Satz 3 KGWO, wonach der Wahlvorschlag für jeden Bezirk mindestens eine Person mehr enthalten soll als dort Kandidaten zu wählen sind, Rechnung zu tragen.
Ob für die kirchengemeindliche Kommunikation und die Kommunikation von Kandidierenden in kirchengemeindlichen Publikationsorganen in Vorwahlzeiten ein dem staatlichen Bereich im Kontext kommunaler Wahlämter vergleichbares Gebot der der Mäßigung und der Sachlichkeit (BVerwGE 159, 327 (Ls. 2, 335 f. Rn. 26 ff.)) besteht und ob Beiträge von einzelnen Kandidierenden im Gemeindebrief als Verstoß gegen dieses zu bewerten wären, kann die Kammer offenlassen, weil der Kläger den Verstoß im Einspruchsverfahren nicht gerügt hat, aber hätte rügen können und mit diesem Vorbingen im Klageverfahren deshalb präkludiert ist. Die Rechtsbehelfe der Wahlprüfung dienen dazu, im Interesse der Rechtssicherheit möglichst rasch Klarheit über die Gültigkeit der angefochtenen Wahl zu schaffen (s.a. VGH der EKU (U. v. 19.11.1984 – VGH 56/84 –, RsprB ABl. EKD 1985, 3). Im zweistufigen Verfahren der Wahlprüfung hat der Einspruchsführer im Verfahren des § 22 Abs. 2, 3 KGWO deshalb die Mängel, auf die er seinen Rechtsbehelf stützt, innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist in substantiierter Art und Weise geltend machen. Danach kann er nur noch ergänzend vortragen, nicht aber einen weiteren eigenständigen Mangel zum Gegenstand des Verfahrens machen (im Anschluss an VuVG der Ev. Kirche der Pfalz, U. v. 13.05.2016, https://kirchenrecht-evpfalz.de/document/47183); dies gilt jedenfalls insoweit die Mängel für den Einspruchsführer hätten erkennbar und deshalb im Einspruchsverfahren rügefähig sein können (s. a. VGH der EKU (U. v. 19.11.1984 – VGH 56/84 –, RsprB ABl. EKD 1985, 3). Dem Kläger war der Gemeindebrief mit den nunmehr in der Klageschrift erstmals gerügten Publikationen schon im Vorfeld der Wahl bekannt bzw. den Gemeindemitgliedern allgemein zugänglich und hätte so schon im Einspruchsverfahren als Fehler im Wahlverfahren gerügt werden können.
Der durch die Zuordnung des Kandidierenden E zum Wahlbezirk D-Stadt begründete Zuordnungsfehler ist als Fehler im Wahlverfahren auch i. S. d. § 22 Abs. 5 I. V. m. Abs. 2, 3 KGO ergebnisrelevant. Die Zuordnung des Kandidaten kann schon deshalb eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeiführen, weil die Stimmenanzahlen, um in den Kirchenvorstand gewählt zu werden je nach Anzahl der einem Bezirk zugeordneten Mitglieder variiert und damit Einfluss auf den Erfolgswert der Stimmen hat. Da bei der unechten Bezirkswahl die Stimmabgabe nicht auf die Wahlbezirke beschränkt ist, kommt eine auf die betroffenen Wahlbezirke beschränkte Ungültigkeitserklärung der Wahl nicht in Betracht.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat der Beklagte die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da es mangels eigener Antragstellung und damit verbundenen Kostenrisikos nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten dem unterliegenden Beteiligten oder der Kirchenkasse aufzuerlegen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).