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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:11.03.2022
Aktenzeichen:KVVG I 17/21
Rechtsgrundlage:§§ 22, 10 KGWO; §§ 15, 25, 1 Abs. 3 VVZG.EKD
Vorinstanzen:
Schlagworte:Benennungsausschuss, Gemeinderecht, Gemeindeversammlung, Gestaltungsklage, Kirchenvorstandswahl, Prüfungsumfang, Verwaltungsakt, Wahlprüfung, Wahlvorschlag
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Leitsatz:

  1. Die Wahlprüfungsklage nach § 22 Abs. 5 KGWO ist eine Gestaltungsklage eigener Art. Klagegegner ist das Dekanat des materiell verpflichteten Dekanatssynodalvorstandes.
  2. Die von dem Benennungsausschuss getroffene Entscheidung, einen Wahlbewerber nicht in den Wahlvorschlag aufzunehmen, ist kein Verwaltungsakt. Der Benennungsausschuss ist weder verpflichtet, den Wahlbewerber anzuhören noch seine Entscheidung ihm gegenüber zu begründen. Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetz der EKD gelten nicht für Verfahren, die Wahlen von kirchlichen Organen und anderen kirchlichen Gremien betreffen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VVZG.EKD).
  3. Die inhaltliche Entscheidung des Benennungsausschusses, welche der zu einer Kandidatur bereiten Gemeindeglieder er in Erfüllung des Auftrags aus § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 KGWO in seinen Wahlvorschlag aufnimmt, steht nicht zur Überprüfung durch das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht.
  4. Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnis auf Fragen der Wählbarkeit und Verfahrensfehler wird dadurch kompensiert, dass die Gemeindeversammlung gemäß § 10 Abs. 4 KGWO die Möglichkeit hat, den vorläufigen Wahlvorschlag des Benennungsausschusses in geheimer Abstimmung mit einfacher Mehrheit zu ergänzen.
  5. Ein Recht des die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllenden Gemeindemitglieds auf Aufnahme in den Wahlvorschlag enthält die Kirchengemeindewahlordnung nicht.

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten hat der Kläger zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
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Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Kirchenvorstandswahl 2021 in der beigeladenen Kirchengemeinde.
Der Kläger ist Mitglied der Beigeladenen. Um eine „fundierte Kandidatur- und Wahlentscheidung treffen zu können“, bat er beim Vorsitzenden des Kirchenvorstandes – einem der Gemeindepfarrer – um die Kontaktdaten der aktuellen Mitglieder, die Protokolle der letzten Gemeindeversammlungen und Einsichtnahme in die Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen. Im Verlauf des aus der Ablehnung des Begehrens folgenden Mailverkehrs warf der Kläger dem Vorsitzenden Intransparenz und Geheimniskrämerei vor, zeigte sich entsetzt von Amtsführung und Amtsauffassung und führte u. a. aus: „Ich finde es höchst bedauerlich und deines Geistlichen Amtes unangemessen, dass Du nicht auf Ausgleich setzt, sondern Deine selbstherrliche und unbegründete Rechtsauffassung einseitig durchsetzen willst.“ Der Vorsitzende wiederum verwahrte sich gegen „die unsachgemäßen Vorwürfe und den Ton[,] in dem sie vorgebracht sind. Ein solcher Ton ist nicht angemessen für eine gedeihliche Zusammenarbeit in einem Gremium.“ Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen. Gespräche des Klägers mit der stellvertretenden Dekanin und der zuständigen Oberkirchenrätin ließen die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Vertraulichkeit der Kirchenvorstandsprotokolle bestehen. Auf seine Initiative hin traf sich der Kläger darüber hinaus zu Gesprächen mit nahezu allen erneut kandidierenden Mitgliedern des Kirchenvorstandes. Am 02.12.2020 kam es auch zu einem Gespräch mit dessen Vorsitzendem.
Bereits am 14.08.2020 hatte der Kirchenvorstand die Einsetzung eines Benennungsausschusses beschlossen und die Zahl der zu wählenden Mitglieder des neuen Kirchenvorstandes auf 12 festgelegt. Dem Ausschuss gehörten neben dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes weitere vier Kirchenvorstandsmitglieder an. Die Bestimmung eines Vorsitzenden und eines Stellvertreters ist als Beschlussgegenstand genannt; ein Ergebnis ist im Protokoll insoweit nicht vermerkt. Der Vorsitz wurde von dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes übernommen.
Mit Mail vom 01.12.2020 erklärte der Kläger seine Bereitschaft zur Kandidatur. In der Sitzung des Benennungsausschusses am 03.12.2020 wurde über die mit den Kandidaten geführten Gespräche berichtet. Nach ausführlicher Diskussion über den Kläger ergab die Abstimmung, ob er auf die Liste des Benennungsausschusses gesetzt werden solle, kein Votum für den Kläger (2 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen). Anschließend beschloss der Benennungsausschuss einstimmig den vorläufigen Wahlvorschlag. Er enthielt 12 Kandidatinnen und Kandidaten. Am 04.12.2020 wurde der Kläger telefonisch von einem Mitglied des Benennungsausschusses über die Entscheidung unterrichtet.
Am 07.12.2020 beschloss der Kirchenvorstand im Hinblick auf die Pandemielage von der Option des neugeschaffenen § 10 Abs. 4b KGWO Gebrauch zu machen und auf die Einberufung einer Gemeindeversammlung zu verzichten. Im Gottesdienst am 13.12.2020 wurde der vorläufige Wahlvorschlag bekanntgegeben und anschließend auch auf der Website der Gemeinde veröffentlicht und dabei hingewiesen auf die Möglichkeit der Ergänzung des Wahlvorschlags durch die Vorlage von zehn Unterschriften innerhalb von zwei Wochen. In der Kirchenvorstandssitzung am 11.01.2021 wurde festgestellt, dass keine weiteren Vorschläge eingegangen seien.
Bereits mit Mail vom 30.12.2020 hatte der Kläger den Beschluss des Benennungsausschusses und die Veröffentlichung des Wahlvorschlags für rechtswidrig und unwirksam erklärt und Einsicht in die Protokolle des Kirchenvorstandes gefordert und verschiedene, seiner Auffassung nach vorliegende Rechtsverstöße gerügt. Nach Erörterung im Kirchenvorstand wies dessen Vorsitzender mit Schreiben vom 13.01.2021 den Antrag und die Einwendungen des Klägers zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Schreiben Bezug genommen.
Am 25.01.2021 beschloss der Benennungsausschuss den endgültigen Wahlvorschlag. Er enthielt 14 Bewerberinnen und Bewerber; der Kläger war nicht darunter. Von seiner Anhörung wurde ausdrücklich abgesehen. Am 04.02.2021 beantragte der Kläger bei dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dem Benennungsausschuss aufzugeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Aufnahme des Klägers in den Wahlvorschlag zu entscheiden. Nach Hinweis des Gerichts auf die Unzulässigkeit des Begehrens nahm der Kläger seinen Antrag zurück. Mit Beschluss vom 12.02.2021 – I 2/21 – stellte das Gericht das Verfahren ein.
Am 08.02.2021 beschloss der Kirchenvorstand die Veröffentlichung des Wahlvorschlags im nächsten Gottesdienst. Am gleichen Tag beantragte der Kläger bei dem Dekanatssynodalvorstand die Zurückweisung des Wahlvorschlags und die erneute Aufstellung eines vorläufigen Wahlvorschlags unter Beachtung der rechtlichen Einschätzung des Dekanatssynodalvorstands. Am 17.02.2021 stimmte der Dekanatssynodalvorstand der Zulassung der Kandidaten zu. Den Eilantrag vom 03.05.2021, mit dem der Kläger seinen ersten Eilantrag wiederholte, wies das Gericht mit Beschluss vom 31.05.2021 – I 5/21 – (Amtl. Sammlung Nr. 163) zurück. Seine Untätigkeitsklage vom 12.05.2021 nahm der Kläger auf Hinweis des Gerichts zurück. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 14.10.2021 – I 6/21 – eingestellt.
Am 13.06.2021 wurde die Kirchenvorstandswahl durchgeführt. In seiner Sitzung vom 14.06.2021 prüfte der Kirchenvorstand die Wahlunterlagen und stellte das Wahlergebnis fest. Einen Eilantrag des Klägers auf Teilnahme an der Sitzung hatte das Gericht zuvor mit Beschluss vom gleichen Tag – II 9/21 – zurückgewiesen. Das Wahlergebnis wurde im Gottesdienst am 20.06.2021 bekanntgegeben. Das Wahlprotokoll wurde vom 21.06.2021 bis zum 05.07.2021 im Gemeindebüro ausgelegt.
Am 28.06.2021 legte der Kläger Einspruch bei der Beigeladenen ein. In formeller Hinsicht rügte er, der Benennungsausschuss sei mangels Wahl eines Vorsitzenden nicht ordnungsgemäß konstituiert worden. Die Veröffentlichung des Wahlvorschlags am 13.12.2020 sei ohne Beschluss des Kirchenvorstandes erfolgt. Der Benennungsausschuss habe ihn nicht ordnungsgemäß angehört und gegen die Begründungspflicht ihm und der Gemeinde gegenüber verstoßen. Der Vorschlag sei auch in der Sache rechtswidrig, da der Benennungsausschuss die Grenzen des ihm eröffneten Ermessensspielraums nicht eingehalten habe. Der Verweis auf eine Kandidatur durch Unterstützerunterschriften heile den Rechtsmangel nicht. Unter den Bedingungen der Pandemie mit ihren Kontaktverboten und über die Weihnachtsfeiertage sei es ihm unmöglich gewesen, die geforderten Unterschriften beizubringen, was offensichtlich auch die Intention gewesen sei. Außerdem machte er formale Fehler der Stimmzettel – die fehlende Angabe der Hausnummer – geltend.
Mit Schreiben vom 15.07.2021 legte der Kirchenvorstand den Einspruch dem Dekanatssynodalvorstand zur Entscheidung vor. Am 08.09.2021 beschloss der Dekanatssynodalvorstand die Zurückweisung des Einspruchs. In dem Bescheid vom 09.09.2021 wird hierzu ausgeführt, es bestehe kein Anspruch auf Aufnahme in einen Wahlvorschlag zur Kirchenvorstandswahl. Die gerügten Mängel begründeten weder einzeln noch in der Gesamtschau einen die Gültigkeit betreffenden Wahlfehler. Dass der Benennungsausschuss keinen Vorsitzenden gewählt habe, beeinträchtige das Wahlergebnis nicht. Ein Recht auf Anhörung im Rahmen der Aufstellung des Wahlvorschlags sei nicht vorgesehen, da es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handele. Ein Ermessensfehler sei nicht gegeben. Der Wahlvorschlag sei im Einklang mit den Vorgaben aus § 6 KGWO aufgestellt worden. Von der Möglichkeit des § 10 Abs. 4b KGWO habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Das Fehlen von Hausnummern rechtfertige ebenfalls nicht die Anfechtung der Wahl. Der Bescheid wurde am 09.09.2021 zur Post gegeben.
Am 24.09.2021 hat der Kläger Klage erhoben.
Er bezieht sich auf seinen Einspruch und auf sein Vorbringen im Verfahren I 5/21 und trägt ergänzend im Wesentlichen vor:
Ein Ermessen des Benennungsausschusses bestehe nur hinsichtlich des Merkmals der charakterlichen Eignung. Die Berücksichtigung fehlender Möglichkeit eines gedeihlichen Wirkens werde nicht vom Ermessen gedeckt. Dem Ermessen seien durch das Demokratieprinzip des § 2 KGWO enge Grenzen gesetzt. Aus der Wortgleichheit mit Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG werde erkennbar, dass der Gesetzgeber die Kirchenwahlen unter die Wahlrechtsprinzipien des Grundgesetzes stelle, die somit einen weiteren Prüfungsmaßstab bildeten. Die Ablehnung der Aufnahme in den Wahlvorschlag sei ein Verwaltungsakt; daraus folgten zwingend Anhörungspflicht und Begründungszwang. Ein Verweis auf eine Kandidatur über eine Unterschriftsammlung heile die Rechtsverletzungen des Benennungsausschusses nicht. Er habe auf den rechtmäßigen Gang der Wahlvorbereitung vertraut und sei im Bewusstsein seiner charakterlichen Eignung und zusätzlich auf Grund persönlicher Prioritäten – seine Frau sei schwer erkrankt und am 22.12.2020 ins Krankenhaus gegangen – nicht in der Lage gewesen, Unterschriften beizubringen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Dekanatssynodalvorstandes des Evangelischen Dekanats B vom 09.09.2021 die Wahl zum Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde D vom 13.06.2021 für ungültig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, nach der für den Benennungsausschuss subsidiär geltenden Regelung des § 44 Abs. 3 KGO bestimme der Kirchenvorstand bei Ausschüssen Vorsitz und Stellvertretung. Eine Wahl sei nicht erforderlich. Die Bestimmung des Vorsitzes können auch einvernehmlich dadurch erfolgen, dass der Kirchenvorstandsvorsitzende zugleich den Vorsitz im Benennungsausschuss übernehme.
Der Benennungsausschuss habe neben einer ausgewogenen Zusammensetzung im Wahlvorschlag auch darauf zu achten, dass Männer und Frauen aufgestellt würden, von denen zu erwarten sei, dass sie gemeinsam die Leitungsaufgaben des Kirchenvorstands wahrnehmen wollen und können. Diese Erwartung habe der Benennungsausschuss bei dem Kläger nicht gehabt. Aufgrund der mit dem Kläger geführten Gespräche und des Inhalts und Tons seiner Mails, die dem Benennungsausschuss vorgelegen hätten, hätten die Mitglieder des Benennungsausschusses den Eindruck gewinnen können, dass sich der Kläger nicht oder nur sehr schwer in ein kollegiales Entscheidungsorgan mit dem Prinzip der Mehrheitsentscheidung würde einbinden lassen. Die Entscheidung des Ausschusses sei daher nicht zu beanstanden. Sie sei als Entscheidung im Rahmen eines Auswahlverfahrens erfolgt und stelle daher keinen Verwaltungsakt dar. Es sei deshalb weder vor der Entscheidung eine Anhörung des Klägers notwendig gewesen noch im Nachgang eine schriftliche Begründung.
Die Bekanntgabe der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens anstelle der Gemeindeversammlung habe bis spätestens 30.12.2020 erfolgen müssen. Nachdem der Kirchenvorstand am 07.12.2020 hierüber Beschluss gefasst gehabt habe, sei der Vorsitzende im Rahmen seiner Verantwortung für die sachgerechte Ausführung der Beschlüsse des Kirchenvorstands gemäß § 38 Abs. 4 KGO befugt gewesen, den Beschluss im nächsterreichbaren Gottesdienst bekannt zu geben. Der Kläger habe von der Möglichkeit der Ergänzung des Wahlvorschlags durch Vorlage von zehn Unterschriften keinen Gebrauch gemacht. Soweit er darauf abstelle, dass ihm aus verschiedenen Gründen die Einhaltung der Frist nicht möglich gewesen sei, sei festzuhalten, dass er auch nach Ablauf der Frist keine Unterschriften vorgelegt habe, so dass auch eine etwaige Wiedereinsetzung nicht in Betracht gekommen sei. Die Nichtangabe der Hausnummer habe auf das Ergebnis der Wahl keinen Einfluss i. S. v. § 22 Abs. 3 Satz 3 KGWO entfalten können.
Der Kläger führt hierzu aus, kritisches Nachfragen begründe keine Nichteignung für das Amt eines Kirchenvorstehers. Seine Mails seien stets mit korrekter Anrede und Grußformel versehen gewesen und hätten sich persönlicher Polemik oder gar Angriffen enthalten. Sie hätten aber Kritik an Missständen enthalten und entschieden gesetzeskonformes Handeln eingefordert. Der Mailverkehr habe dem Benennungsausschuss nicht vorgelegen. In dem Gespräch mit dem Vorsitzenden sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass dieser Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers hege. Auch keiner der anderen Gesprächspartner habe dies angedeutet. Der Vortrag des Beklagten, er würde sich nur schwer einbinden lassen, sei unzutreffend. Er habe dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes in dem Gespräch am 02.12.2020 explizit mitgeteilt, dass er selbstverständlich bereit sei, sich rechtmäßigen Mehrheitsentscheidungen zu unterwerfen. Im Übrigen stelle das Mehrheitsprinzip sicher, dass einzelne „Störer“ die Arbeit des Kirchenvorstandes nicht behinderten. Der Wahlvorschlag sei keineswegs kirchlich ausgewogen. Es seien konvertierte Katholiken und Reformierte aufgenommen, aber niemand mit lutherischem Profil, wie er es vertrete.
Über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlvorschlags habe im Kirchenvorstand Uneinigkeit geherrscht. Daher hätte es eines Beschlusses hierüber bedurft. Es sei unzutreffend, dass der Vorsitzende des Kirchenvorstands einvernehmlich den Vorsitz des Benennungsausschusses übernommen gehabt habe; es gebe auch keinen entsprechenden Protokollvermerk. Das Protokoll der Sitzung des Benennungsausschusses vom 03.12.2020 erwecke bei dem Leser mangels Begründung und Belehrungen über Rechtsgrundlage und Ermessensmaßstab den Eindruck „blanke Willkür“. Es sei unklar, weshalb nur über ihn abgestimmt worden sei. Auch habe es nicht einmal eine einfache Mehrheit für seinen Ausschluss gegeben.
Mit Beschluss vom 02.11.2021 hat das Gericht die Kirchengemeinde zu dem Verfahren beigeladen. Sie hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Akten der Verfahren I 2/21, I 5/21 und I 6/21 sowie der vorgelegten Einspruchsvorgänge und Wahlunterlagen.
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Entscheidungsgründe:

Die nach § 22 Abs. 5 KGWO statthafte Klage ist fristgerecht erhoben und als Gestaltungsklage sui generis zulässig. Da die Klageart für die Wahlprüfungsklage kirchengesetzlich nicht besonders geregelt ist, entspricht es nach Auffassung des Gerichts dem besonderen Gegenstand des Verfahrens, nämlich dem Wahlakt als solchem, der keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. VGH der EKU, U. v. 19.11.1984 – VGH 56/84 –, RsprB ABl. EKD 1985, 3), nicht die Regeln über Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen anzuwenden, sondern eine zulässige Gestaltungsklage eigener Art anzunehmen (vgl. für den Bereich des Kommunalrechts OVG Thüringen, B. v. 05.08.2021 – 3 ZKO 544/20, juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 14.11.2019 – OVG 12 B 39.18 – juris Rn. 20; Hess. VGH, U. v. 08.05.2008 – 8 UE 1851/07 –, juris Rn. 35; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 08.03.1995 – 7 B 10556/95 –, juris Rn. 21; a. A. OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 17.10.2017 – 4 L 84/16 –, juris Rn. 29 kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 21.06.2016 – 15 A 816/15 –, juris Rn. 30 Verpflichtungsklage). Indem der Gesetzgeber in § 22 Abs. 5 Satz 4 KGWO von der „Rechtskraft der Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl“ und von der „Ungültigkeitserklärung der Wahl“ spricht, ordnet er an, dass das Gericht im Erfolgsfall der Klage mit seinem Ausspruch selbst die Wahl rechtsgestaltend für unwirksam zu erklären und nicht lediglich eine entsprechende Verpflichtung des Dekanatssynodalvorstandes auszusprechen hat.
Klagegegner der Wahlprüfungsklage ist das Dekanat als Rechtsträger des materiell verpflichteten Dekanatssynodalvorstandes (§§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, 38 KVVG). Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs der Evangelischen Kirche der Union in der angeführten Entscheidung, dass Rechtsbehelfe gegen eine Wahl gegen den Rechtsträger zu richten sind, bei dem das zu wählende Gremium zu bilden ist. Gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 KGWO ist die Klage gegen die Entscheidung des Dekanatssynodalvorstands zulässig; somit ist das Dekanat der richtige Beklagte. Die von einer Ungültigkeitserklärung betroffene Kirchengemeinde ist als notwendig Beigeladene (§§ 38 KVVG, 65 Abs. 2 VwGO) an dem Verfahren beteiligt.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Es liegt kein Wahlfehler vor, der die Ungültigkeitserklärung der Wahl zur Folge hätte.
Die Wahl zum Kirchenvorstand ist hinsichtlich eines gewählten Kandidaten für ungültig zu erklären, wenn der Betreffende nicht wählbar war. Die Wahl ist weiter ganz oder teilweise für ungültig zu erklären bei Mängeln im Verfahren zur Aufstellung des Wahlvorschlags oder im Wahlverfahren, wenn sie auf das Ergebnis der Wahl von Einfluss gewesen sein können (§ 22 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 und 3 KGWO). Ob diese Möglichkeit bestand, d. h. ob der Verstoß geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts. Dabei genügt eine nur denkbare Möglichkeit nicht, die Anfechtung zu begründen, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist (vgl. für das staatliche Recht BVerwG, U. v. 27.06.2007 – 6 A 1/06 –, juris Rn. 45).
Die von dem Kläger in seinem Einspruch geltend gemachten Gründe führen nicht zur Ungültigkeit der Kirchenvorstandswahl.
Was zunächst die Bestimmung eines Vorsitzenden des Benennungsausschusses anbelangt, die entsprechend § 44 Abs. 3 Satz 3 KGO dem Kirchenvorstand obliegt, so ist dem beglaubigten Auszug aus dem Protokoll der Kirchenvorstandssitzung vom 14.08.2020 allerdings nicht zu entnehmen, ob und mit welchem Ergebnis dies erfolgt ist. Es bedarf gleichwohl keiner Entscheidung, ob in der Übernahme des Amtes durch den Vorsitzenden des Kirchenvorstandes eine konkludente Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Kirchenvorstand gesehen werden kann, wie der Beklagte meint. Es ist nämlich von dem Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwiefern die Bestimmung eines Vorsitzenden des Benennungsausschusses auf das Ergebnis der Kirchenvorstandswahl von Einfluss gewesen sein könnte. Dem Vorsitzenden des Benennungsausschusses kommen keine Sonderrechte bei der Aufstellung des Wahlvorschlags zu. Er verfügt bei Stimmengleichheit weder über ein Stichentscheidungs- noch ein Vetorecht (vgl. für Stimmengleichheit im Kirchenvorstand die Regelung in § 41 Abs. 4 Satz 2, Abs. 6 Satz 4 KGO). Zudem hat keine Pattsituation hinsichtlich des Klägers vorgelegen. Vielmehr ergab die Abstimmung über den Kläger im Benennungsausschuss mit zwei Nein-Stimmen und drei Enthaltungen keine Mehrheit für seine Aufnahme in den Wahlvorschlag.
Einer Beschlussfassung im Kirchenvorstand über das Datum der Bekanntgabe des vorläufigen Wahlvorschlags im Gottesdienst – wodurch die Zwei-Wochen-Frist zur Ergänzung des vorläufigen Wahlvorschlags durch Beibringung von zehn Unterschriften in Gang gesetzt wird (§ 10 Abs. 4b Satz 2 und 5 KGWO i. d. F. des Kirchengesetzes zur befristeten Änderung von § 10 der Kirchengemeindewahlordnung zur Kirchenvorstandswahl 2021 vom 26.11.2020, ABl. 2020 S. 409) – bedurfte es entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Nachdem der Kirchenvorstand in seiner Sitzung am 07.12.2020 den Beschluss über den Verzicht auf die Einberufung einer Gemeindeversammlung gefasst hatte, ohne zugleich einen Gottesdienst für dessen Bekanntgabe zu bestimmen, war es Aufgabe des Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, den Beschluss gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 KGO auszuführen, d. h. hier als erstes im Gottesdienst bekannt zu geben. Auch wenn nach dem Fahrplan der Landeskirche eine Bekanntgabe noch bis zum 03.01.2021 zeitgerecht gewesen wäre (https://unsere.ekhn.de/fileadmin/content/ekhn.de/download/intern/kirchenvorstand/kv_aktuell/ Ausschnitt_Zeitplan_KV-Wahl_Arbeitshilfen_ab_Nov._20.pdf, abgerufen 19.01.2022), macht dies eine Bekanntgabe durch den Vorsitzenden am 13.12.2020, dem auf die Beschlussfassung nächstfolgenden Sonntag, nicht fehlerhaft. Eine kontroverse Diskussion dieses Zeitpunkts im Kirchenvorstand ändert hieran nichts. Sofern sie im Vorfeld geführt worden sein sollte, hat sie keinen Ausdruck in einer entsprechenden Beschlussfassung gefunden. Sofern sie im Nachgang stattfand, ändert dies nichts an diesem Umstand.
Dass die Frist zur Ergänzung des Wahlvorschlags infolge des Bekanntgabezeitpunkts auch die Weihnachtsfeiertage umfasste, ist nicht zu beanstanden. Hieraus ist – entgegen der Auffassung des Klägers – eine Absicht, die Sammlung von Unterschriften zu erschweren, nicht zu entnehmen. Vielmehr ergaben sich durch die von der Beigeladenen zu Weihnachten angebotenen Open-Air-Gottesdienste (vgl. http://www.(...), abgerufen 10.01.2022) im Gegenteil zusätzliche Möglichkeiten, unter Pandemiebedingungen relativ gefahrlos im Freien Gemeindeglieder im Anschluss an die Veranstaltungen wegen einer Unterschrift anzusprechen. Auch waren gerade über die Weihnachtsfeiertage die davor und danach wieder geltenden strengen Kontaktbeschränkungen gelockert (vgl. § 6a Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung vom 26.11.2020, GVBl. 2020, 826, 837).
Der von dem Benennungsausschuss getroffene Entscheidung, den Kläger nicht in seinen Wahlvorschlag aufzunehmen, begründet ebenfalls keinen Fehler im Verfahren zur Aufstellung des Wahlvorschlags oder im Wahlverfahren.
Der Benennungsausschuss war nicht verpflichtet, den Kläger vor dieser Entscheidung gemäß § 15 Abs. 1 VVZG.EKD (i. V. m. Art. 1 Kirchengesetz zur Zustimmung zum Verwaltungsverfahrens- und -zustellungsgesetz der EKD) förmlich anzuhören. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind nicht gegeben. Nach dieser Regelung ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. An einem derartigen Verwaltungsakt fehlt es hier. Die Entscheidung des Benennungsausschusses erging nicht in einem Verwaltungsverfahren, sondern in Vorbereitung des Wahlverfahrens zur Wahl eines neuen Kirchenvorstandes. Die dabei tätig werdenden Organe, wie etwa der Benennungsausschuss, werden dabei nach dem Grundsatz der Selbstorganisation ad hoc, ohne auf Dauer angelegte Instituierung errichtet und lassen sich mit den üblichen Kirchenbehörden nicht vergleichen. Soweit im Zuge der Wahldurchführung Entscheidungen getroffen werden, die sich unmittelbar auf die Wahl beziehen, handelt es sich nicht um Verwaltungsakte im Sinne des § 22 VVZG.EKD. Der Gesetzgeber hat darum auch die Entscheidungen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, der allgemeinen gerichtlichen Nachprüfung von Verwaltungsakten entzogen. Etwaige Wahlrechtsverstöße können vielmehr ausschließlich im Wege der nachträglichen Wahlprüfung gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 KGWO einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden (KVVG, B. v. 31.05.2021 – I 5/21 –, Amtl. Sammlg. Nr. 163; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 2 Rn. 12 f. für das staatliche Recht). § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VVZG.EKD stellt dies klar, indem er bestimmt, dass die verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes nicht für Verfahren gelten, die Wahlen von kirchlichen Organen und anderen kirchlichen Gremien betreffen.
Der Benennungsausschuss war deshalb auch nicht gehalten, seine Entscheidung hinsichtlich des Klägers gemäß § 26 VVZG.EKD zu begründen. Auch aus § 10 Abs. 3 Satz 1 KGWO folgt keine derartige Verpflichtung. Nach dieser Regelung ist der Wahlvorschlag zusammen mit der Vorstellung der Kandidaten auf einer Gemeindeversammlung zu begründen. Nachdem der Kirchenvorstand gemäß § 10 Abs. 4b KGWO im Hinblick auf die grassierende Corona-Pandemie beschlossen hatte, auf die Durchführung einer Gemeindeversammlung zu verzichten, war diese damals gültige Sonderbestimmung für das weitere Prozedere maßgeblich. Die Regelung suspendiert zwar nicht die Verpflichtung, den vorläufigen Wahlvorschlag bekannt zu machen. Sie enthält aber im Gegensatz zu dem Verfahren nach Abs. 3 keine Verpflichtung zu dessen Begründung. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern das Fehlen einer Begründung für die Nichtaufnahme des Klägers in den vorläufigen Wahlvorschlag auf das Ergebnis der Wahl von Einfluss gewesen sein könnte. Angesichts der im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Erwägungen des Benennungsausschusses hat das Gericht vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass der Benennungsausschuss auch im Fall der Notwendigkeit einer schriftlichen Begründung keine andere Entscheidung hinsichtlich des Klägers getroffen hätte.
Zudem geht es bei der angesprochenen Begründung für den vorläufigen Wahlvorschlag nicht um eine ins Einzelne gehende Darlegung der Erwägungen für die Aufnahme oder Nichtaufnahme bestimmter Wahlbewerber, sondern um die allgemeinen Aspekte gem. §§ 1 und 6 Abs. 3 KGWO, nach denen der Wahlvorschlag aufgestellt wurde (vgl. Rechtlicher Leitfaden zur Kirchengemeindewahlordnung, § 10 Anm. 5 Satz 2, https://unsere.ekhn.de/gemeinde-dekanat/kirchenvorstandekhnde/rechtlicher-leitfaden-zur-kirchengemeindewahlordnung-kgwo/10-aufstellung-des-wahlvorschlags.html, abgerufen 12.01.2022).
Die inhaltliche Entscheidung des Benennungsausschusses, welche der zu einer Kandidatur bereiten Gemeindeglieder er in Erfüllung des Auftrags aus § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 KGWO in seinen Wahlvorschlag aufnimmt, steht nicht zur Überprüfung durch das Gericht. Der Benennungsausschuss wird im vorbereitenden Verfahren der Kirchenvorstandswahl nicht als Verwaltungsorgan, sondern als demokratisch legitimiertes Wahl(vorbereitungs)organ tätig. Sein Beschluss über die Zusammenstellung des vorläufigen Wahlvorschlags unterliegt nur insoweit einer (nachträglichen) Kontrolle durch den Dekanatssynodalvorstand oder das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht, als Einwendungen gegen die Wählbarkeit eines gewählten Kandidaten oder Verfahrensmängel geltend gemacht werden (§ 22 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 und 3 KGWO). Die inhaltliche Entscheidung, ein Gemeindemitglied nicht in den Wahlvorschlag aufzunehmen, etwa weil der Benennungsausschuss an dessen Eignung im Sinne von § 1 Abs. 1 KGWO zweifelt oder aus anderen Gründen von einer Berücksichtigung des Bewerbers absieht, betrifft weder dessen Wählbarkeit nach § 4 KGWO noch Verfahrensmängel und ist deshalb grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle entzogen.
Dies begegnet nach Auffassung der Kammer keinen rechtlichen Bedenken und verletzt insbesondere nicht das passive Wahlrecht eines Kandidaten. Zum einen folgt aus § 4 KGWO kein Anspruch auf Kandidatur, was auch der Kläger einräumt. Die Kirchengemeindewahlordnung enthält kein Recht des die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllenden Gemeindemitglieds auf Aufnahme in den Wahlvorschlag. Einen derartigen Anspruch kennt auch das staatliche Recht nicht. So setzt etwa die Aufnahme in einen Wahlvorschlag gemäß § 12 Abs. 1 Hessisches Kommunalwahlgesetz (GVBl. I 2005, 197) eine geheime Abstimmung in einer Versammlung der Mitglieder der Partei oder Wählergruppe über die Aufstellung und die Reihenfolge der Kandidaten voraus.
Zum anderen wird die Beschränkung der gerichtlichen Kontrollbefugnis auf Fragen der Wählbarkeit und Verfahrensfehler dadurch kompensiert, dass die Gemeindeversammlung gemäß § 10 Abs. 4 KGWO die Möglichkeit hat, den vorläufigen Wahlvorschlag des Benennungsausschusses in geheimer Abstimmung mit einfacher Mehrheit zu ergänzen. Macht die Gemeindeversammlung hinsichtlich eines potentiellen Bewerbers allerdings hiervon keinen Gebrauch, sei es, weil niemand einen entsprechenden Antrag stellt, sei es, weil ein entsprechender Antrag keine Mehrheit findet, so verbleibt es insoweit bei dem Wahlvorschlag des Benennungsausschusses. Es würde dem in dieser Regelung zum Ausdruck kommenden demokratischen Prinzip widersprechen, die inhaltliche Entscheidung des Repräsentativorgans Gemeindeversammlung einer sachlichen Überprüfung durch das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht zuzuführen. Wenn der Kirchenvorstand – wie hier – beschlossen hat, wegen der grassierenden Corona-Pandemie auf die Einberufung einer Gemeindeversammlung zu verzichten (§ 10 Abs. 4b Satz 1 KGWO), tritt das Vorschlagsrecht von zehn wahlberechtigten Gemeindegliedern ersatzweise an deren Stelle (§ 10 Abs. 4b Satz 2 KGWO).
Der Kläger hätte seine Kandidatur durch Beibringung von zehn Unterstützerunterschriften folglich mit vergleichsweise geringem Aufwand erwirken können. Dies hat er nicht einmal versucht. Die von ihm hierfür angeführten Corona-Kontaktverbote stellen keinen überzeugenden Grund dar, da sie über die Weihnachtsfeiertage – wie ausgeführt – gerade gelockert waren und alle Wahlbewerber gleichermaßen trafen. Soweit der Kläger darauf verweist, er sei wegen der Sorge für seine beiden Kinder infolge der Krankenhausaufnahme seiner Ehefrau am 22.12.2020 an der Unterschriftssammlung gehindert gewesen, erachtet das Gericht den erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Umstand der Kinderbetreuung für vorgeschoben. Bei einem fortbestehenden Interesse an einer Kandidatur hätte der Kläger nach der Überzeugung der Gerichts zumindest versucht, sich Hilfe bei der Kinderbetreuung oder der Einholung von Unterschriften zu beschaffen und mit deren Sammlung zu beginnen.
Anhaltspunkte für ein willkürliches oder rechtsmissbräuchliches Verhalten des Benennungsausschusses bestehen nicht. Zum einen folgt aus dem Willkürverbot keine Verpflichtung zur formellen Begründung von Handlungen, die sich – wie die Kandidatenaufstellung – auf das Wahlverfahren beziehen. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Wahl als einer freien, nur den Bindungen des Gesetzes und des Gewissens unterworfenen Entscheidung. Damit ist es nicht zu vereinbaren, ihr dieselben Grenzen wie einer Ermessensentscheidung zu setzen und sie wie etwa wie bei der Besetzung einer normalen Beamtenstelle der inhaltlichen Überprüfung durch das Gericht zugänglich zu machen. Eine Wahl nach Ermessen wäre keine echte Wahl. Das trifft auch auf die Vorauswahl von Kandidaten – wie hier durch Aufnahme in den Wahlvorschlag – als Teil des Wahlakts zu (vgl. für die Wahl kommunaler Wahlbeamter VG Meiningen, B. v. 16.12.2008 – 1 E 613/08 Me –, juris Rn. 28 im Anschluss an Thür. OVG, B. v. 30.03.2006 – 2 EO 729/06 –, juris Rn. 40 m. w. N.). Eine Begründung der Entscheidung des Benennungsausschusses könnte über die vielfältigen, möglicherweise sogar widersprüchlichen Motive der einzelnen Mitglieder regelmäßig keinen Aufschluss geben und wäre deshalb wertlos.
Zum anderen durfte der Ausschuss in der Sache auf Grund der mit dem Kläger geführten Gespräche sowie Ton und Inhalts der Mails des Klägers zu dem Eindruck gelangen, dass der Kläger sich nicht oder nur sehr schwer in ein kollegiales Entscheidungsgremium, das dem Prinzip der Mehrheitsentscheidung unterliegt, würde einbinden lassen. Dies stellt eine sachgerechte Überlegung dar, um die gedeihliche Zusammenarbeit in dem neuen Kirchenvorstand im Fall der Wahl des Klägers nicht von vornherein zu gefährden. Der Einwand des Klägers, er habe dem Vorsitzenden am 02.12.2020 erklärt, er sei selbstverständlich bereit, sich rechtmäßigen Mehrheitsentscheidungen zu unterwerfen und sie mitzutragen, vermag diese Überlegung im Hinblick auf den in der Aussage enthaltenen Vorbehalt nicht zu entkräften.
Soweit sich der Kläger auf die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geregelte Wahlrechtsgrundsätze beruft, sind diese nicht Prüfungsmaßstab im kirchengerichtlichen Verfahren. Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Als ein solches – auch im Bereich der Kirche unmittelbar geltendes Gesetz – sind die im Grundgesetz geregelten Grundsätze für Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland nicht anzusehen (vgl. VuVG VELKD, U. v. 11.01.2006 – RVG 1/2004 –, RsprB ABl. EKD 2007, 2, 3). Die Ähnlichkeit der Formulierung von § 2 Abs. 1 KGWO mit Art. 38 Abs. 1 GG trägt nicht die Annahme, der kirchliche Gesetzgeber habe die Kirchenwahlen unter die Wahlrechtsprinzipien des Grundgesetzes gestellt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich aus ihnen die von dem Kläger gezogenen rechtlichen Folgerungen ergeben.
Ob schließlich die Beigeladene verpflichtet gewesen wäre, zur vollständigen Bezeichnung der „Wohnung“ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 KGWO neben dem Straßennamen auf dem Stimmzettel auch die Hausnummer anzugeben, unter der die Kandidierenden wohnhaft sind, bedarf keiner Entscheidung. Auch wenn dies zu bejahen sein sollte – wofür einiges spricht –, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwiefern ein derartiges Defizit der Angaben bei allen Kandidierenden auf das Ergebnis der Wahl von Einfluss gewesen sein könnte.
Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nicht erhoben (§ 36 Satz 1 KVVG). Als unterliegender Teil hat der Kläger die außergerichtlichen Kosten zu tragen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Da sie keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat, entspricht es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten dem unterliegenden Beteiligten oder der Kirchenkasse aufzuerlegen (§§ 38 KVVG, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).