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Kirchengericht: | Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 29.05.2024 |
Aktenzeichen: | KVVG II 5/23 |
Rechtsgrundlage: | §§ 50, 51, 56 MAVG Art. 19 Abs. 4 GG, §§ 2, 3 KVVG |
Vorinstanzen: | |
Schlagworte: | Mitarbeitervertretungsrecht, Prozessrecht, Rechtsschutz, Schlichtungsstelle |
Leitsatz:
Eine bindende Entscheidung der Schlichtungsstelle nach § 56 Abs. 3 MAVG kann nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht sein (Bestätigung von KVVG, Urteil vom 17.03.2022 – II 7/19).
Tenor:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Schlichtungsstelle nach § 49 MAVG-EKHN mit ihren Entscheidungen zu Aktenzeichen 11-3/2022 und 12-02/2022 gegen ihre verbindlichen Aufgaben und Rechte entsprechend dem Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau verstoßen habe. Hintergrund ist u. a., dass der Kläger – auf Antrag der Beklagten – durch die Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als Mitglied einer Mitarbeitervertretung abberufen wurde.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die genannten Entscheidungen der Schlichtungsstelle, die auf von der Beklagten gestellte Anträge hin ergingen, außerhalb deren Zuständigkeitsbereich und rechtsgrundlos erlassen und damit rechtswidrig seien.
Der Kläger beantragt wörtlich,
auf Grundlage der Entscheidung des kirchlichen Arbeitsgerichts (Schlichtung) Az 11-3/2022 (Stichwort „Solidaritätserklärung“) festzustellen, dass die Schlichtung mit der Entscheidung gegen ihre verbindlichen Aufgaben und Rechte entsprechend dem Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (MAVG) verstoßen hat[;]
auf Grundlage der Entscheidung des kirchlichen Arbeitsgerichts (Schlichtung) Az 12-02/2022 (Stichwort „Abberufung“) festzustellen, dass die Schlichtung mit der Entscheidung gegen ihre verbindlichen Aufgaben und Rechte entsprechend dem Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (MAVG) verstoßen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Parteien haben sich sowohl mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung als auch mit einer solchen durch den Berichterstatter der Kammer einverstanden erklärt.
Das Gericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage nicht statthaft und damit unzulässig sein dürfte.
#Entscheidungsgründe:
1. Die Kammer entscheidet ohne mündliche Verhandlung, da die Parteien zu dieser Verfahrensweise ihre Zustimmung erteilt haben, § 31 KVVG-EKHN. Sie entscheidet durch ihren Berichterstatter, § 38 KVVG-EKHN, § 87a Abs. 2 und 3 VwGO, weil auch hiermit sich die Parteien einverstanden erklärten.
2. Die Klage ist unzulässig und daher abzuweisen. Eine bindende Entscheidung der Schlichtungsstelle nach § 56 Abs. 3 MAVG-EKHN kann nicht Gegenstand eines (Feststellungs-)Verfahrens vor dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht sein. Ein hiergegen gerichteter Rechtsbehelf ist bereits unstatthaft.
a) Der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist als Religionsgesellschaft verfassungsrechtlich garantiert, dass sie ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetze selbständig ordnet und verwaltet, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung. Dazu gehört auch, dass die EKHN selbst bestimmen kann, für welche in ihrem kirchlichen Bereich erwachsenden Streitigkeiten sie eine kirchengerichtliche Zuständigkeit einräumen will. Es gibt im Kirchenrecht auch keine dem Art. 19 Abs. 4 GG entsprechende Generalklausel, wonach jemand, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen steht. Aus Art. 19 Abs. 4 GG kann auch keine die EKHN bindende Verpflichtung zur umfassenden und effektiven gerichtlichen Rechtsschutzgewährung abgeleitet werden, weil dieser Rechtsschutz nur gegen staatliche Maßnahmen garantiert.
Demgemäß ist im Kirchengesetz über das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht (KVVG-EKHN) in den §§ 2 und 3 nur eine enumerative Zuständigkeitsaufzählung mit der Maßgabe enthalten, dass das Gericht für sonstige Aufgaben zuständig ist, die ihm durch Kirchengesetz übertragen werden, vgl. § 3 Abs. 3 KVVG-EKHN. Korrespondierend hierzu enthält § 5 Nr. 6 KVVG-EKHN die klarstellende Aussage, dass das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht nicht zuständig ist für die Anfechtung von Entscheidungen in sonstigen Angelegenheiten, für die eine Zuständigkeit des Gerichts durch Kirchengesetz ausgeschlossen ist (vgl. KVVG der EKHN, Urteil vom 17.03.2022 – KVVG II 7/19, Nr. 166 der amtlichen Sammlung mit weiteren Nachweisen).
b) So liegt es hier. Der Kirchengesetzgeber der EKHN hat sich dazu entschlossen, keine Anfechtung oder anderweitige (Feststellungs-)Überprüfung von Entscheidungen der Schlichtungsstelle gemäß Kapitel IX. MAVG-EKHN zu eröffnen:
aa) Bei der Schlichtungsstelle gemäß Kapitel IX. MAVG-EKHN handelt es sich um ein besonderes kirchliches Gericht. Sie entscheidet in Angelegenheiten der Mitbestimmung nach § 49 Satz 3, § 52 Abs. 1 MAVG abschließend. Eine Überprüfung ihrer Entscheidungen – einschließlich ihrer Annahme der eigenen Zuständigkeit – ist deshalb nicht möglich. Dies ist in den §§ 2, 3 KVVG-EKHN nicht vorgesehen und dem Kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht auch nicht durch sonstiges Kirchenrecht, vgl. § 3 Abs. 3 KVVG-EKHN, zugewiesen. Insbesondere sieht das MAVG-EKHN eine solche Überprüfung nicht vor. Das verkennt der Kläger, der gleichwohl durch das angerufene Gericht im Ergebnis eine Überprüfung der Argumente der Schlichtungsstelle in ihren Entscheidungen erreichen will, letztlich auch nicht. Es gibt damit kein Rechtsmittel, mit dem dieses Ziel verfolgt werden könnte. Dies folgt aus dem abschließenden und bindenden Charakter des Beschlusses der Schlichtungsstelle, bei dem es sich um eine nicht mehr anfechtbare bzw. anderweitig innerkirchlich überprüfbare gerichtliche Entscheidung handelt.
bb) Die Schlichtungsstelle nach dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht genügt auch den Mindestanforderungen, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen an ein Gericht zu stellen sind.
Nach § 51 Abs. 1 MAVG-EKHN sind die Mitglieder der Schlichtungsstelle unabhängig und nur an das Gesetz und ihr Gewissen gebunden. Nach § 50 Abs. 2 MAVG-EKHN werden der Vorsitzende der Schlichtungsstelle und sein Stellvertreter von der Kirchensynode auf die Dauer von fünf Jahren berufen. Sie müssen die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen und dürfen hauptberuflich nicht im Dienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau oder einer ihrer Körperschaften, Einrichtungen oder Werke stehen, § 50 Abs. 2 MAVG-EKHN. Damit sind die wesentlichen Voraussetzungen, nämlich die persönliche und sachliche Unabhängigkeit der Mitglieder der Schlichtungsstelle und ihre Befähigung zur Rechtsprechung, gesichert.
3. Für eine amtswegige Wertfestsetzung besteht kein Bedürfnis, weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist, § 36 S. 1 KVVG-EKHN. Daher erstreckt sich die Kostenentscheidung auch nur auf die außergerichtlichen Kosten und beruht inhaltlich auf § 38 KVVG-EKHN in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VWGO.