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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:29.05.2024
Aktenzeichen:KVVG II 6/23
Rechtsgrundlage:§ 3 Abs. 1 Nr. 3 KVVG; § 43 VwGO
Vorinstanzen:
Schlagworte:Feststellungsklage, Prozessrecht, Rechtsverhältnis, Subsidiarität
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Leitsatz:

Eine Feststellungsklage ist zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines kirchlichen Rechtsverhältnisses zulässig, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 KVVG-EKHN, aber nur dann eröffnet, wenn das Rechtsschutzziel nicht mit einer anderen Klageart erreicht werden kann (Subsidiarität der Feststellungsklage) (Anschluss an KVVG, Urteil vom 24.11.2003 – II 5/02).
Unter einem Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache zu verstehen, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares) subjektives Recht enthält oder aus der ein solches Recht entspringen kann. Nur das Rechtsverhältnis selbst kann Gegenstand der Feststellung sein, nicht bloße Vorfragen, wohl aber einzelne auf einem umfassenderen Rechtsverhältnis beruhende Rechte oder Pflichten sowie Inhalt und Umfang einer Leistungspflicht (Anschluss an BGH, Urteil vom 2. September 2021 – VII ZR 124/20 – MDR 2021, 1546 Rn. 25 zu § 256 ZPO; ähnlich BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 6 A 9/14 – BVerwGE 157, 8 Rn. 12 zu § 43 VwGO).

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger.
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Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Kirchenvorstand der Beklagten eine Handreichung der Evangelischen Kirche zum Umgang mit Konflikten etc. missachtet habe. Hintergrund ist u. a., dass der Kläger – auf Antrag der Beklagten – durch die Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als Mitglied einer Mitarbeitervertretung abberufen wurde.
Der Kläger beantragt wörtlich,
festzustellen, dass der KV der B-Gemeinde die EKHN-Handreichung zum Umgang mit Konflikten, Mobbing, Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt missachtet hat, deren Aussagen und besonderes Schutzversprechen für von Mobbing Betroffene dann auch von der Schlichtung ausdrücklich nicht beachtet wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Parteien haben sich sowohl mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung als auch mit einer solchen durch den Berichterstatter der Kammer einverstanden erklärt.
Das Gericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage nicht statthaft und damit unzulässig sein dürfte.
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Entscheidungsgründe:

1. Die Kammer entscheidet ohne mündliche Verhandlung, da die Parteien zu dieser Verfahrensweise ihre Zustimmung erteilt haben, § 31 KVVG-EKHN. Sie entscheidet durch ihren Berichterstatter, § 38 KVVG-EKHN, § 87a Abs. 2 und 3 VwGO, weil auch hiermit sich die Parteien einverstanden erklärten.
2. Die Klage ist unzulässig und daher abzuweisen. Eine Feststellungsklage ist zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines kirchlichen Rechtsverhältnisses zulässig, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 KVVG-EKHN, und zudem nur dann eröffnet, wenn das Rechtsschutzziel nicht mit einer anderen Klageart erreicht werden kann (Subsidiarität der Feststellungsklage), § 38 KVVG-EKHN i. V. m. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Hieran fehlt es vorliegend.
a) Unter einem Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache zu verstehen, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares) subjektives Recht enthält oder aus der ein solches Recht entspringen kann. Nur das Rechtsverhältnis selbst kann Gegenstand der Feststellung sein, nicht bloße Vorfragen, wohl aber einzelne auf einem umfassenderen Rechtsverhältnis beruhende Rechte oder Pflichten sowie Inhalt und Umfang einer Leistungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2021 – VII ZR 124/20 – MDR 2021, 1546 Rn. 25 zu § 256 ZPO; ähnlich BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 6 A 9/14 – BVerwGE 157, 8 Rn. 12 zu § 43 VwGO). Als kirchliches Rechtsverhältnis ist dieses einzuordnen, wenn es maßgeblich durch die Normen des autonom setzbaren, vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung, Kirchenrechts geprägt ist.
b) Soweit der Kläger eine Feststellung begehrt, stellte eine Missachtung der von ihm genannten EKHN-Handreichung durch die Beklagte und ihre Organe eine solche feststellbare Rechtsbeziehung (zwischen den Parteien) nicht dar. Die Missachtung wäre, wenn sie stattfand, nur eine vorgelagerte Tatsache als Lebenssachverhalt, die/der ein Rechtsverhältnis auslösen kann, aber selbst keines bildet. Dass der Kläger die Feststellung eines konkret hieraus resultierenden Rechtsverhältnisses erstrebte (Bestehen eines Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Schadensersatzanspruchs o. ä.) ist nicht erkennbar. Insoweit ist sein Antrag nicht auslegungsfähig, vgl. §§ 38 KVVG-EKHN, 88 VwGO.
c) Wollte man dies anders sehen und den Antrag des Klägers dahingehend auslegen, dass das Bestehen von derartigen Ansprüchen (dem Grunde nach) festgestellt werden soll, weil mit der Missachtung der Handreichung auch eine Verletzung der die Beklagte treffenden kirchenrechtlichen Pflichten einherginge, führte dies gleichwohl nicht zur Zulässigkeit seiner (Feststellungs-)Klage.
aa) Einerseits ist nicht erkennbar, dass die Parteien über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten und nicht lediglich abstrakte Rechtsfragen, die sich auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts stellen, zur Klärung vorlegen (zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 6 A 9/14 – BVerwGE 157, 8 Rn. 12 zu § 43 VwGO). Denn vorliegend wird nicht deutlich, zu welchen rechtlichen Konsequenzen die behauptete Missachtung insbesondere zu Gunsten des Klägers führen könnte.
bb) Andererseits ist nicht gewährleistet, dass die vorliegende Feststellungsklage das Subsidiaritätsgebot des § 38 KVVG i. V. m. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO beachtete. Dieses Gebot ist im kirchengerichtlichen Verfahren anwendbar und soll unnötige Feststellungsklagen verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen (vgl. KVVG, Urteil vom 24. November 2003 – II 5/02 – Nr. 130 der amtlichen Sammlung). Vorliegend wären die genannten Ansprüche, so sich ihrer der Kläger berühmen will, im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgbar und geltend zu machen, deren Statthaftigkeit im kirchengerichtlichen Verfahren ebenso anerkannt ist (vgl. KVVG, Beschluss vom 5. Mai 2023 – II 1/23 – Nr. 172 der amtlichen Sammlung).
3. Für eine amtswegige Wertfestsetzung besteht kein Bedürfnis, weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist, § 36 S. 1 KVVG-EKHN. Daher erstreckt sich die Kostenentscheidung auch nur auf die außergerichtlichen Kosten und beruht inhaltlich auf § 38 KVVG-EKHN in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VWGO.