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Kirchengericht:Kirchliches Verfassungs- und Verwaltungsgericht der EKHN
Entscheidungsform:Beschluss Gegenstandswert (rechtskräftig)
Datum:29.08.2024
Aktenzeichen:KVVG II 5/23 und II 6/23
Rechtsgrundlage:§§ 32, 33 RVG
Vorinstanzen:
Schlagworte:Festsetzung des Wertes des Gegenstands anwaltlicher Tätigkeit, Rechtsschutzinteresse
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Leitsatz:

Auch im kirchengerichtlichen Verfahren kann der Wert anwaltlicher Tätigkeit auf Antrag nach § 33 RVG festgesetzt werden (im Anschluss an Kirchengerichtshof der EKD BeckRS 2013, 72174; 2010, 67525).
Obgleich eine solche Wertfestsetzung weder das Privatrechtsverhältnis zwischen einem Verfahrensbeteiligten und seinem rechtsanwaltlichen Bevollmächtigten bindend ausgestalten kann (in Abgrenzung zu LG Aachen BeckRS 2017, 127121; OLG Brandenburg BeckRS 2013, 14728) noch der – diese Wertfestsetzung aufgreifende – von einem Kirchengericht erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss unmittelbar einen Vollstreckungstitel gegenüber einem erstattungspflichtigen Dritten bildet, besteht für solchen Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss wiedergegebene Forderung kann Gegenstand einer allgemeinen Leistungsklage vor den staatlichen Verwaltungsgerichten sein, wenn sie zwangsweise durchgesetzt werden muss (im Anschluss an BVerwG NVwZ 2016, 453; OVG Münster BeckRS 2014, 51608).

Tenor:

Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts C für die Beklagte wird in den Verfahren II 5/23 und II 6/23 auf jeweils 5.000 € festgesetzt.
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I:

Der Kläger hat im Verfahren II 5/23 die Feststellung begehrt, dass die Schlichtungsstelle nach § 49 MAVG-EKHN mit ihren Entscheidungen zu Aktenzeichen 11-3/2022 und 12-02/2022 gegen ihre verbindlichen Aufgaben und Rechte entsprechend dem Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau verstoßen habe. Hintergrund ist u. a., dass der Kläger – auf Antrag der Beklagten – durch die Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als Mitglied einer Mitarbeitervertretung abberufen wurde.
Der Kläger hat ferner im Verfahren II 6/23 die Feststellung begehrt, dass der Kirchenvorstand der Beklagten eine Handreichung der Evangelischen Kirche zum Umgang mit Konflikten etc. missachtet habe. Hintergrund ist u. a., dass der Kläger – auf Antrag der Beklagten – durch die Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als Mitglied einer Mitarbeitervertretung abberufen wurde.
Die Beklagte hat sich mit Bevollmächtigung des Rechtsanwalts C gegen die Klagen verteidigt.
Die Kammer hat beide Klagen abgewiesen und den Kläger jeweils verpflichtet, die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu tragen. Die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung beruhenden Urteile wurden zuletzt am 12. Juni 2024 zugestellt.
Die Beklagte hat die Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit ihres Bevollmächtigten beantragt, und zwar im Verfahren II 5/23 auf 10.000 € und im Verfahren II 6/23 auf 5.000 €. Der Kläger ist dem unter Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des kirchengerichtlichen Verfahrens entgegengetreten.
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II:

Auf Antrag der Beklagten ist der Wert des Gegenstandes der für sie in den Verfahren II 5/23 und II 6/23 erbrachten anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts C ist auf jeweils 5.000 € festzusetzen, § 33, § 23 Abs. 3 S. 2 RVG.
1. Das Gegenstandswertfestsetzungsverfahren des § 33 RVG ist im kirchengerichtlichen Verfahren eröffnet (vgl. Kirchengerichtshof der EKD BeckRS 2013, 72174; 2010, 67525). Entscheidungsbefugt ist der Einzelrichter der Kammer, § 88 Abs. 8 S. 1 RVG.
2. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines danach gestellten Antrages sind gegeben. Einerseits fehlt es wegen der Gerichtskostenfreiheit des kirchengerichtlichen Verfahrens, § 36 S. 1 KVVG, an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert, § 33 Abs. 1 RVG, so dass es keine Bindungswirkung für die anwaltliche Vergütung nach § 32 Abs. 1 RVG geben kann (vgl. Dürbeck/Schneider NZFam 2021, 573, 574). Andererseits ist die Beklagte als Auftraggeberin antragsbefugt, § 33 Abs. 2 S. 2 RVG. Zulässig ist ein Antrag auch nur dann, wenn bereits die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung eingetreten ist, § 33 Abs. 2 S. 1 RVG, was hier der Fall ist: Nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG wird die anwaltliche Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt ist. Diese Erledigung trat vorliegend mit Verkündung (durch Zustellung am zuletzt 12. Juni 2024, § 38 KVVG i. V. m. § 116 Abs. 3 VwGO) der klageabweisenden Urteile ein.
3. Der Beklagten steht auch das nötige Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
a) Zwar ist weder erkennbar, dass zwischen ihr und ihrem Bevollmächtigten Streit darüber herrscht, aufgrund welchen Gegenstandswertes die von ihr aufgrund eines (mutmaßlich geschlossenen) anwaltlichen Mandatsvertrages geschuldete Vergütung zu berechnen ist, noch dass – falls ein solcher Streit herrschte – vorliegende Wertfestsetzung zu einer Befriedung beitragen könnte. Insbesondere kann eine kirchengerichtliche Entscheidung – anders als eine entsprechende Entscheidung eines staatlichen Gerichts (vgl. hierzu LG Aachen BeckRS 2017, 127121 zum Vergütungsrechtsstreit; OLG Brandenburg BeckRS 2013, 14728 zum Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG) – nicht mit bindender Wirkung das privatrechtliche Vertragsverhältnis der Beklagten zu ihrem Bevollmächtigten näher ausgestalten, weil es sich nicht um eine innere Angelegenheit einer Religionsgemeinschaft iSd. Art. 140 GG, 137 Abs. 3 S. 1 WRV handelt.
b) Das Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten ergibt sich aber daraus, dass sie der Wertfestsetzung zur Realisierung ihres prozessualen Kostenerstattungsanspruchs bedarf. Die Kammer hat in ihren klageabweisenden Urteilen dem Kläger die Verpflichtung zur Zahlung der außergerichtlichen Auslagen der Beklagten auferlegt. Ihre nähere Bestimmung erfolgt in einem Kostenfestsetzungsverfahren nach den § 38 KVVG i. V. m. §§ 164 ff. VwGO, dass nur mit hiesiger Wertfestsetzung gefördert werden kann. Der dort ergehende Kostenfestsetzungsbeschluss ist zwar kein Vollstreckungstitel, aus dem die Beklagte die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger betreiben könnte. Er bildet aber eine(n) – wenngleich nicht bindenden (OVG Münster BeckRS 2014, 51608) – Grundlage und/oder Nachweis für Bestehen und Umfang eines prozessualen Kostenerstattungsanspruch, der seinerseits wiederum Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage der hiesigen Beklagten gegen den hiesigen Kläger sein kann (vgl. BVerwG NVwZ 2016, 453; OVG Münster BeckRS 2014, 51608), sollte dieser in Kenntnis dieser Ausführungen gleichwohl nicht freiwillig zahlen. Letzteres ist zwar aktuell nicht erkennbar, weil der Kläger unter Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens sich nicht für erstattungspflichtig erachtet, aber auch nicht ausgeschlossen.
4. Der Antrag führt zu der bestimmten Wertfestsetzung.
a) Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich weder aus § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG, weil es wegen der allgemeinen Gerichtskostenfreiheit des kirchengerichtlichen Verfahrens an Wertvorschriften eines Kostengesetzes fehlt, noch aus § 23 Abs. 3 S. 1 RVG, weil – jedenfalls für den vorliegenden Fall – die dortige Verweisung auf einzelne Vorschriften des GNotKG Regelungsgegenstände erfasst, die nicht den vorliegend zu bewertenden Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit betreffen.
b) Fehlt es danach an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert, so ist die Festsetzung des Verfahrenswertes gemäß den Bestimmungen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG vorzunehmen. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Verfahrenswert auf 5.000,00 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 € anzunehmen (vgl. Kirchengerichtshof der EKD BeckRS 2013, 72174).
Hiernach ist der Wert der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts C in beiden Verfahren auf jeweils 5.000 € zu bestimmen. Dies entspricht billigem Ermessen unter Rückgriff auf den Auffangwert. Dass der Kläger im Verfahren II 5/23 mehrere Anträge stellte, steht dem nicht entgegen, weil es sich um einen einheitlichen Sachverhalt handelte, auf den er sein Begehr stützte. Dass seine Aufspaltung des Begehrs in mehrere Anträge den Wert der anwaltlichen Tätigkeit auf Beklagtenseite erhöhte, ist nicht erkennbar, zumal auch beklagtenseits keine nach Anträgen unterschiedliche Verteidigung erfolgte.