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Rechtsverordnung
für die Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen
in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (MmBVO)

Vom 31. Januar 2019

(ABl. 2019 S. 133)

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Abschnitt 1
Voraussetzungen und gesamtkirchliche Vorgaben

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§ 1
Auftrag der Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen

( 1 ) Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen wird von Gesamtkirche, Dekanat und Kirchengemeinde verantwortet.
( 2 ) Der kirchliche Auftrag umfasst:
  1. Verkündigung des Evangeliums als Kraft zum Leben und zum Sterben,
  2. Vermittlung von Inhalten und Erfahrungen dieser besonderen Form von Seelsorge in die Kirche,
  3. Begleitung von Betroffenen sowie deren Angehörigen und Zugehörigen,
  4. Präsenz der Kirche in der gesellschaftlichen Diskussion zum Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen,
  5. Dialog und kritische Auseinandersetzung mit medizinethischen Themen,
  6. Integration und Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen in Kirche und Gesellschaft.
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§ 2
Seelsorgestellen

Pfarrstellen und Stellen im gemeindepädagogischen Dienst in diesem Arbeitsbereich sind gesamtkirchliche Stellen oder gesamtkirchliche Stellen mit regionaler Anbindung.
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§ 3
Aufgaben des Zentrums Seelsorge und Beratung

( 1 ) Das Zentrum Seelsorge und Beratung ist für die fachliche Begleitung und Beratung der Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen zuständig. Hierzu gehören vor allem die Vernetzung der einzelnen Bereiche, die Weiterentwicklung und Organisation der Aus- und Fortbildung sowie die Konzeptionsentwicklung und die Evaluation.
( 2 ) Das Zentrum Seelsorge und Beratung koordiniert und begleitet den Prozess der Auseinandersetzung der Kirche mit medizinischen, gesundheitspolitischen und gesellschaftspolitischen Fragen und den Fragen der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung in Kirche und Gesellschaft.
( 3 ) Das Zentrum Seelsorge und Beratung arbeitet mit dem Konvent für Behindertenseelsorge und dem Konvent für Gehörlosenseelsorge zusammen.
( 4 ) Dem Zentrum Seelsorge und Beratung ist die Dienstaufsicht für die Gehörlosenseelsorge- und alle Behindertenseelsorgestellen übertragen.
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§ 4
Aufgaben der Seelsorge

( 1 ) Die Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen hat folgende Aufgaben:
  1. regelmäßige Andachten und Gottesdienste (in einfacher Sprache, gebärdensprachlich oder hörgeschädigtengerecht) sowie Kasualien,
  2. inklusive Konfirmandenarbeit,
  3. Religionsunterricht an Förderschulen auf dem Gebiet der EKHN,
  4. Fachberatung und Bildungsangebote für relevante Berufsgruppen,
  5. Kooperation mit der jeweiligen Seelsorge der katholischen Bistümer im Gebiet der EKHN,
  6. Öffentlichkeitsarbeit,
  7. Zusammenarbeit mit regionalen und überregionalen Fachverbänden und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen,
  8. inklusive kirchliche Freizeit- und Bildungsangebote.
( 2 ) Die Arbeit der Behindertenseelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen umfasst auch die Beratung von Kirchengemeinden, Dekanaten und kirchlichen Einrichtungen zu Fragen der Inklusion.
( 3 ) Gehörlosenseelsorge gilt Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren. Sie wendet sich den Gehörlosen sowie deren Angehörigen und Zugehörigen zu. Die Gehörlosenseelsorge sorgt für Angebote der evangelischen Kirche in Verkündigung, Seelsorge, Bildungsarbeit und diakonischem Handeln in Gebärdensprache.
( 4 ) Kirchengemeinden, die für die Seelsorge und Verkündigung Dolmetscherdienste in Anspruch nehmen, sollen nur staatlich geprüfte und vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher oder hauptamtlich Mitarbeitende der Gehörlosenseelsorge beauftragen.
( 5 ) Die Genehmigung eines Dolmetscherdienstes erfolgt über die hauptamtlichen Gehörlosenseelsorgerinnen und -seelsorger der EKHN. Die Bezahlung dieses Dienstes ist gesamtkirchlich geregelt.
( 6 ) Schwerhörigenseelsorge gilt hörgeschädigten Menschen. Sie umfasst unter anderem die Beratung von Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen zum Einbau technischer Hörhilfen.
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Abschnitt 2
Die Mitarbeitenden

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§ 5
Mitarbeitende in der Seelsorge

( 1 ) Der Dienst der Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen wird wahrgenommen durch Pfarrerinnen und Pfarrer und hierzu gemäß § 3 des Seelsorgegeheimnisgesetzes1# besonders beauftragte gemeindepädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Diakoninnen und Diakone.
( 2 ) Die Mitarbeitenden unterliegen der seelsorglichen Schweigepflicht im Sinne der §§ 3 und 4 des Seelsorgegeheimnisgesetzes2#. Sie haben über alles, was ihnen bei Ausübung ihres Dienstes seelsorglich anvertraut wird, Stillschweigen zu wahren. Eine Aussagegenehmigung kann nur die Kirchenleitung erteilen.
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§ 6
Voraussetzungen und Qualifikationen

( 1 ) Eine angemessene Ausübung von Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen erfordert ein breites Spektrum an Kompetenzen und Qualifikationen. Hierzu gehören insbesondere personale Kompetenz, kommunikative Kompetenz, theologisch-pastorale Kompetenz, pädagogisch-theologische Kompetenz, institutionelle Kompetenz und interdisziplinäre Kompetenz. Voraussetzung für den hauptamtlichen Dienst in allen Bereichen der Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen ist daher neben der persönlichen und fachlichen Eignung ein Sechs-Wochen-Kurs in klinischer Seelsorgeausbildung oder ein Äquivalent nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP).
( 2 ) Für den hauptamtlichen Dienst in der Behindertenseelsorge ist über die Voraussetzungen des Absatzes 1 hinaus eine längere Hospitationsphase in einer anerkannten Förderschule erforderlich.
( 3 ) Für den hauptamtlichen Dienst in der Gehörlosenseelsorge sind über die Voraussetzungen des Absatzes 2 hinaus ein Grund- und Aufbaukurs in Gehörlosenseelsorge und die Beherrschung der Gebärdensprache erforderlich, um kommunizieren und so an die besonderen Lebenserfahrungen der Gehörlosen und an die Gehörlosenkultur anknüpfen zu können.
( 4 ) Für den hauptamtlichen Dienst in der Sehbehinderten- und Blindenseelsorge sind über die Voraussetzungen des Absatzes 2 hinaus psychosoziale Kenntnisse über Sehbehinderung und Blindheit erforderlich.
( 5 ) Für den hauptamtlichen Dienst in der Schwerhörigenseelsorge ist über die Voraussetzungen des Absatzes 1 hinaus ein Grund- und Aufbaukurs in Schwerhörigenseelsorge erforderlich.
( 6 ) Die berufsbegleitende Fortbildung richtet sich nach den inhaltlichen Schwerpunkten der Tätigkeit. Supervision soll von allen hauptamtlich Mitarbeitenden wahrgenommen werden.
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§ 7
Konvente und Mitgliedschaften

( 1 ) Die in der Behindertenseelsorge hauptamtlich Mitarbeitenden gehören dem Konvent für Behindertenseelsorge an. Die hauptamtlich in der Gehörlosenseelsorge Mitarbeitenden gehören dem Konvent für Gehörlosenseelsorge an. Beide Konvente unterhalten regelmäßige Verbindungen zu den übrigen besonderen Seelsorgediensten.
( 2 ) Die Konvente dienen dem fachlichen und kollegialen Austausch. Sie beraten die in der Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen anstehenden Fragen und wirken an der Konzeptionsentwicklung mit. Sie kommen zu regelmäßigen Sitzungen zusammen und veranstalten Jahrestagungen, die inhaltliche und strukturelle Themen der Behindertenseelsorge bzw. der Gehörlosenseelsorge erörtern.
( 3 ) Die Konvente wählen jeweils aus ihrer Mitte für eine Amtszeit von zwei Jahren zwei Personen in den Vorstand, der aus einer oder einem Vorsitzenden und einer Stellvertreterin oder einem Stellvertreter besteht. Wiederwahl ist zulässig.
( 4 ) Die oder der Vorsitzende leitet und vertritt den jeweiligen Konvent.
( 5 ) Beide Konvente können das Weitere ihrer Arbeitsweise durch Geschäftsordnungen regeln.
( 6 ) Die Gehörlosenseelsorge nimmt für die EKHN die Mitgliedschaft in der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge e. V.“ (DAFEG) wahr.
( 7 ) Die Schwerhörigenseelsorge nimmt für die EKHN die Mitgliedschaft in der „Evangelischen Schwerhörigenseelsorge in Deutschland e. V.“ (ESiD) wahr.
( 8 ) Die Sehbehinderten- und Blindenseelsorge nimmt für die EKHN die Mitgliedschaft im „Dachverband der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge“ (DeBeSS) wahr.
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§ 8
Ehrenamtlich Tätige

( 1 ) In allen Bereichen der Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigungen werden Ehrenamtliche für Assistenztätigkeiten eingesetzt. Ehrenamtliche erhalten keinen besonderen Seelsorgeauftrag im Sinne des § 3 des Seelsorgegeheimnisgesetzes3#. Ehrenamtliche sind zur Verschwiegenheit nach Artikel 6 Absatz 4 der Kirchenordnung4# verpflichtet. Eine Aussagegenehmigung kann nur die Kirchenleitung erteilen.
( 2 ) Die ehrenamtlich Tätigen verpflichten sich schriftlich zur Verschwiegenheit und zur Einhaltung der Bestimmungen des Datenschutzes. Diese Verpflichtung ist aktenkundig zu machen.
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Abschnitt 3
Schlussbestimmungen

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§ 9
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Rechtsverordnung tritt am 1. Februar 2019 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Satzung des Konvents der Gehörlosenseelsorge in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 14. Mai 1975 (ABl. 1975 S. 163) außer Kraft.

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1 ↑ Nr. 145.
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2 ↑ Nr. 145.
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3 ↑ Nr. 145.
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4 ↑ Nr. 1.