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Rechtsverordnung
über die Nachhaltigkeit von Bau, Bauunterhaltung
und Betrieb kirchlicher Gebäude (GNVO)

Vom 20. Februar 2025

(ABl. 2025 S. 47 Nr. 19)

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat aufgrund von § 12 des Kirchenbaugesetzes1# vom 25. April 2009 (ABl. 2009 S. 222), zuletzt geändert am 25. November 2021 (ABl. 2021 S. 458), die folgende Rechtsverordnung beschlossen:
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Abschnitt 1
Allgemeiner Teil

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§ 1
Anwendungsbereich

Die Vorschriften dieser Rechtsverordnung gelten für alle kirchlichen Körperschaften im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau einschließlich ihrer Einrichtungen, Anstalten, Verbände und Stiftungen. Sie finden Anwendung bei der Durchführung von Baumaßnahmen an eigenen Gebäuden und bei Maßnahmen an Außenanlagen sowie bei deren Betrieb.
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§ 2
Ziel

Ziel der Rechtsverordnung ist die Errichtung, die Bauunterhaltung und der Betrieb kirchlicher Gebäude und der dazugehörigen Außenflächen in nachhaltiger Weise durch die Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Kriterien (Nachhaltigkeitsgrundsatz). Anzustreben ist ein klimaneutraler Betrieb.
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§ 3
Allgemeine Anforderungen

( 1 ) Kirchliche Gebäude mit ihrer Nutzung, Gestaltung und Materialität sind ganzheitlich zu betrachten. Konzepte zur Energieeffizienz (Energiekonzepte) sind passend zur Baumaßnahme zu entwickeln und umzusetzen.
( 2 ) In der Vorplanung sind ökonomische, ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen, Optimierungspotentiale von Gebäuden mit verschiedenen Varianten zu untersuchen und hinsichtlich ihrer klimarelevanten Auswirkungen hin zu evaluieren, um die Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Umwelt schon von der Grundkonzeption her zu minimieren.
( 3 ) Maßnahmen dürfen nur umgesetzt werden, sofern sie technisch und wirtschaftlich vertretbar sind.
( 4 ) Soweit bei einem Baudenkmal die Erfüllung der Anforderungen dieser Rechtsverordnung die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigt, mit sonstigen denkmalpflegerischen Anforderungen nicht vereinbar ist oder Maßnahmen zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand führen, kann von den allgemeinen Anforderungen abgewichen werden.
( 5 ) Die zu beauftragenden Architekten und Architektinnen sowie Fachplaner und Fachplanerinnen sind vertraglich zu verpflichten, diese Rechtsverordnung umzusetzen.
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Abschnitt 2
Gebäude

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§ 4
Planungsgrundlagen

( 1 ) Anzustreben ist die bestmögliche Ausnutzung der bereitgestellten Flächen, die eine flexible Nutzung mit der Möglichkeit zur perspektivischen Umnutzung gewährleistet. Es ist auf eine kompakte Bauweise, kurze Installationswege und geringe Verkehrsflächen zu achten. Barrierefreiheit ist im Sinne der Inklusion zu berücksichtigen.
( 2 ) Auf eine umbau- und rückbaufreundliche Konstruktion ist zu achten, die auf die Wiederverwendung und Verwertung von Produkten und Materialien ausgelegt ist (kreislauffähige Konstruktion/zirkuläres Bauen).
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§ 5
Energetische Anforderungen

( 1 ) Verbesserungen des energetischen Standards, die über die einzuhaltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Energieeinsparung bei Baumaßnahmen im Bestand, Neubauten und baulichen Erweiterungen hinausgehen, sind vor Durchführung der Baumaßnahme anzustreben und – wenn technisch und wirtschaftlich vertretbar – zu realisieren.
( 2 ) Bei umfassenden Maßnahmen ist zu prüfen, ob die Energieeffizienz eines Gebäudes durch eine Optimierung der Gebäudehülle und der technischen Ausstattung erhöht werden kann. Passive Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs und der sommerliche Wärmeschutz sind zu berücksichtigen.
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§ 6
Baumaterialien

( 1 ) Der Materialverbrauch ist so ressourcenschonend wie möglich zu halten. Soweit möglich, sollen bereits vorhandene Baustoffe und Bauteile verwendet werden.
( 2 ) Bei der Auswahl von Baumaterialien und Baustoffen sind die Umweltverträglichkeit und der Gesundheitsschutz zu berücksichtigen.
( 3 ) Auf die Rückbaufähigkeit und Wiederverwertbarkeit der Baustoffe nach Ende der Nutzungsdauer, insbesondere eine leichte Trennbarkeit bei Verbundbauteilen, ist zu achten.
( 4 ) Die Umweltverträglichkeit soll anhand von eingeführten Baustoffdatenbanken und Informationssystemen, beispielsweise ÖKOBAUDAT oder WECOBIS, bewertet werden. Die Kirchenverwaltung kann Negativlisten führen, welche die Verwendung von einzelnen Baustoffen und Bestandteile der technischen Ausstattung aufgrund der aktuellen Erkenntnisse verbietet.
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§ 7
Raumheizung und Lüftung

( 1 ) Bei größeren Eingriffen im Bereich der Wärme- oder Kälteversorgung eines Gebäudes ist der Wärme- und Kälteenergiebedarf zu einem möglichst hohen Anteil aus erneuerbaren Energien zu decken.
( 2 ) Für Raumtemperaturen sind die Norminnentemperaturen der DIN T/S 12831 in der jeweils gültigen Fassung oder eine sie ersetzende Norm als Richtwerte zu berücksichtigen. Wird ein Raum oder eine Heizzone mit mehreren einzelnen Heizflächen beheizt, ist in der Regel der Einsatz einer zentralen automatisierten Raumregelung vorzusehen.
( 3 ) Bei energetischen Sanierungen ist beim Einsatz von aktiven Lüftungsanlagen in Wohn- und Nicht-Wohngebäuden eine Bauweise mit Wärmerückgewinnung vorzusehen.
( 4 ) Bei energetischen Sanierungen sollen Heizflächen und Heizkörper so dimensioniert werden, dass die Heizlast unter Normbedingungen mit einer möglichst niedrigen Systemtemperatur, jedoch maximal 50°C, gedeckt werden kann.
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§ 8
Raumlüftung und Heizung in Sakralgebäuden

( 1 ) Für Sakralgebäude ist die Belüftung und eine etwaige Beheizung in einem Raumklimakonzept zu regeln. Durch das Raumklimakonzept ist sicherzustellen, dass bauphysikalisch bedingte Schäden an Gebäude und Ausstattung ausgeschlossen werden.
( 2 ) In Sakralbauten können von § 7 abweichende Lösungen eingesetzt werden. Insbesondere in historischen Sakralbauten soll eine automatisierte Raumbelüftung mit Feuchteregulierung vorgesehen werden.
( 3 ) Bei Änderungen der Wärmeversorgung ist eine körpernahe Heiztechnik vorzuziehen, die nicht primär über die Erwärmung der Raumluft arbeitet.
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§ 9
Regenerative Energieversorgung

( 1 ) Der durch die Versorgungsverträge zu beziehende Strom soll aus erneuerbaren Energien (Ökostrom) erzeugt sein; die ökologische Qualität des zu beziehenden Stromes soll den Anforderungen eines anerkannten Gütesiegels entsprechen.
( 2 ) Beim Bezug von flüssigen, festen oder gasförmigen Energieträgern ist bei Verfügbarkeit ein Bezugstarif zu wählen, der mit Gütesiegeln oder Zertifizierung nachhaltigen und erneuerbaren Energiebezug garantiert.
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§ 10
Wasserverbrauch in Gebäuden

( 1 ) Aus hygienischen, wirtschaftlichen und ökologischen Gründen sollen Handwaschbecken in WCs mit ausschließlicher Toilettennutzung ohne Warmwasserbereitung betrieben werden und insbesondere in Nicht-Wohngebäuden auf eine zentrale Warmwasserbereitung verzichtet werden.
( 2 ) Entnahmearmaturen für Kalt- und Warmwasser und Toilettenspülungen sind in wassersparender Ausführung zu wählen.
( 3 ) In Neubauten und bei Gebäudesanierungen ist der Einsatz von Grau- und/oder Regenwasser für die Gartenbewässerungen und Toilettenspülung zu prüfen und nach Möglichkeit anzuwenden.
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§ 11
Verbrauchsmessung

In Gebäuden mit mehreren Nutzungseinheiten sind Einrichtungen zur getrennten Verbrauchsmessung bzw. -überwachung vorzusehen. Die Ableseeinheiten sollen über eine elektronische Schnittstelle zur Datenübermittlung verfügen.
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Abschnitt 3
Außenanlagen

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§ 12
Planungsgrundlagen

( 1 ) Eine Neuversiegelung des Bodens ist zu vermeiden. Versiegelte Flächen sind bei umfassenden Neugestaltungen soweit wie möglich zurückzubauen.
( 2 ) Die Außenanlagen sind möglichst barrierefrei zu gestalten.
( 3 ) Lichtemissionen sind zu vermeiden und auf das Notwendigste zu begrenzen.
( 4 ) Außenanlagen sind bei Neugestaltungen mit einheimischen, jahreszeitenorientierten Gehölzen und Stauden zu bepflanzen, die die Artenvielfalt fördern und einen Lebensraum für Bienen, Schmetterlinge, andere Insekten, Vögel und Säugetiere bieten. Dabei ist auf eine standortgerechte, trockenheitsresistente und dem Zweck angepasste Artenwahl zu achten, damit die Bepflanzung pflegearm und robust ist. Die Bepflanzung soll nach Art und Größe zum Gebäude passen. Bei der Pflege der Grünanlagen ist auf den Einsatz von Bioziden zu verzichten. Wertvoller Bestand von Gehölzen ist möglichst zu erhalten.
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§ 13
Wasserbewirtschaftung auf dem Grundstück

Soweit technisch möglich, soll Regenwasser zur Neubildung des Grundwassers auf dem Grundstück versickern. Es sind Maßnahmen zur Verlangsamung des Regenwasserabflusses, wie z. B. Dachbegrünung, Zisternen, Rigolen umzusetzen, sofern wirtschaftlich vertretbar und technisch umsetzbar.
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§ 14
Lebens- und Nisträume

Die Lebens- und Nisträume für Tiere und Pflanzen an Gebäuden sollen bei Baumaßnahmen erhalten oder gefördert werden, solange dadurch keine baulichen Schäden zu erwarten sind.
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Abschnitt 4
Schlussbestimmung

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§ 15
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Rechtsverordnung tritt am Tag nach der Verkündung im Amtsblatt in Kraft. Gleichzeitig treten die Richtlinien für die Berücksichtigung ökologischer und energiesparender Gesichtspunkte bei Baumaßnahmen vom 3. Februar 2009 (ABl. 2009 S. 126) und die Richtlinien für die Beheizung von Kirchen vom 8. Oktober 1979 (ABl. 1979 S. 202) außer Kraft.

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1 ↑ Nr. 815.