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Ökumenische Leitlinien für die Zusammenarbeit in der Notfallseelsorge zwischen dem Bistum Mainz und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

Vom 30. August / 22. September 2022

(ABl. 2022 S. 389 Nr. 113)

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Präambel

Notfallseelsorge ist die Sorge um den ganzen Menschen in seiner Lebendigkeit und in seiner Beziehung zu sich selbst, zu anderen und zu Gott. Sie geschieht im Bewusstsein der Gegenwart Gottes und kann diakonisches und spirituelles Handeln einschließen.
So setzen Kirchen ein christliches Zeichen für Menschen in Not in die Gesellschaft. Die Notfallseelsorge versteht sich als Teil der psychosozialen Notfallversorgung, in die sich Kirchen und Hilfsorganisationen gemeinsam einbringen.
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Ziele der ökumenischen Kooperationsvereinbarung

Die ökumenische Kooperationsvereinbarung trifft verbindliche Regelungen für die Zusammenarbeit der evangelischen und der katholischen Kirche in der Notfallseelsorge:
  1. Zur Orientierung für die Haupt- und Ehrenamtlichen in der Notfallseelsorge und für alle, die ihre Dienste in Anspruch nehmen,
  2. sowie zur Herstellung von Transparenz nach außen.
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Theologische Grundlegung

Die seelsorgliche Beziehung zu Menschen in Notfallsituationen ist gelebte Solidarität. Sie folgt damit dem Auftrag Jesu Christi zum Dienst am Nächsten in Not (Lk 10,25-37). Seelsorgende nehmen Anteil am Schmerz von plötzlich in Not geratenen Mitmenschen; sie leben aus der Hoffnung, dass in jeder Situation und in jedem Menschen Gott gegenwärtig ist (Mt 25,40; Röm 8,38). Notfallseelsorge geschieht im Bewusstsein der Gegenwart Gottes und bezieht die religiöse Dimension implizit oder explizit ein. Sie bietet dem Menschen in einem Notfall an, sich selbst im Horizont eines Gottes zu sehen, der jenseits dieses Ereignisses existiert. Trotz des Notfalls ist der Mensch nicht allein und diesem Geschehen nicht hoffnungslos ausgeliefert.
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Aufgaben der Notfallseelsorge

Notfallseelsorge ist Seelsorge in akuten Krisensituationen und Notfällen und damit Teil der Daseinsfürsorge. Sie wird auf Anforderung von Einsatzkräften durch die zuständige Leitstelle alarmiert. Sie ist eine zeitlich begrenzte Form der psychosozialen Akuthilfe für Menschen in Not. Als solche ist sie Teil der Rettungskette und arbeitet eng zusammen mit Hilfsorganisationen und Einrichtungen (Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, u. a.).
Die Notfallseelsorgesysteme arbeiten auf dem Fundament christlicher Grundüberzeugungen in unterschiedlichen Organisationsformen, die historisch gewachsen sind. Sie nehmen damit am Verkündigungsdienst der Kirchen teil.
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Bestehende ökumenische Kooperationen

Die ökumenische Kooperationsvereinbarung würdigt die bestehenden Kooperationen der Notfallseelsorgesysteme in den Regionen und unterstützt das Anliegen, diese weiter auszubauen und zu fördern. Sie fördert das Zusammenwirken von haupt- und ehrenamtlichen Seelsorgende in den Systemen. Die ökumenische Zusammenarbeit wird als Gewinn und Chance für die Qualität und Professionalität, die Spiritualität und Theologie der Notfallseelsorge verstanden. Der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung der unterschiedlichen konfessionellen Prägungen und Traditionen stärkt die Notfallseelsorge im Dienst für die in Not geratenen Menschen. Der Dialog stärkt das gemeinsame Bewusstsein als Christ*innen und Seelsorgende und die eigene konfessionelle Identität.
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Kultursensibilität und Kooperationen

Die Seelsorgenden achten die kulturelle und religiöse Vielfalt und Verschiedenheit von Betroffenen, Zugehörigen und Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen, Polizei und Feuerwehr. Sie stehen im Dialog mit anderen Anbietern von psychosozialer Notfallversorgung. Sie sind offen für Kooperationen und Begegnungen und streben Vernetzung mit anderen Unterstützungsangeboten an.
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Bereiche der Zusammenarbeit

  • Kommunikation im ökumenischen Team
    Regelmäßige und verlässliche Besprechungen finden im Leitungsteam statt. Im Gespräch werden alle Themen, die die Notfallseelsorge betreffen, besprochen. Klärung von Zuständigkeiten und Strukturen werden gemeinschaftlich festgelegt. Die Mitglieder des Leitungsteams wirken unter Wahrung der kirchlichen Ordnungen und lokalen Strukturen auf gemeinsame und verbindliche Absprachen im Team und die Vertretung nach außen hin.
  • Zuständigkeiten und Regelungen zur Vertretung
    In Fragen der Verwaltung und Organisation kann im Rahmen der konkreten Kooperationsvereinbarungen eine gegenseitige Vertretung stattfinden. Die seelsorgliche Begleitung der Teammitglieder ist ein gemeinsames Anliegen.
  • Ausbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen
    Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Haupt- und Ehrenamtlichen gelten bundesweite Standards, die in den Richtlinien der jeweiligen Kirchen berücksichtigt werden. Eine gemeinsam verantwortete Ausbildung wird angestrebt, ebenso eine vergleichbare Qualifikation der Ausbildenden.
  • Teamentwicklung und Konfliktmanagement
    Eine enge Zusammenarbeit beinhaltet die Möglichkeit von Konflikten. Im Regelfall sollte ein Konflikt zunächst vor Ort besprochen und möglichst geklärt werden. Bei Bedarf unterstützen die Verantwortlichen der Kooperationspartner (EKHN bzw. Bistum Mainz). Moderation bzw. Supervision kann in jedem Konfliktfall entsprechend den jeweiligen kirchlichen Regelungen beantragt oder angeordnet werden.
  • Gottesdienste und spirituelle Angebote
    Gottesdienste und weitere spirituelle Angebote sollen ökumenisch geplant und durchgeführt werden.
  • Diensteinführung und Verabschiedung
    Die Einführung neuer Mitarbeitenden in der Notfallseelsorge sowie die Gestaltung der Verabschiedung ist Aufgabe des Notfallseelsorge-Teams unter Beteiligung der Dekanats- bzw. Bistumsebene.
  • Gesamtkirchliche Zusammenarbeit
    In der ökumenischen Zusammenarbeit der Kirchen sind gemeinsame Konferenzen, Konvente, Begegnungen und Gottesdienste wichtige Bestand.
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[Geltungsdauer]

Diese Leitlinien haben eine Dauer von 2 Jahren. Danach erfolgt eine gemeinsame Evaluierung durch die Beteiligten.