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Kirchengesetz
der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
zur Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität
(Klimaschutzgesetz-EKHN – KSG-EKHN)

Vom 29. November 2024

(ABl. 2024 S. 219 Nr. 132)

Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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Präambel

Klimaschutz ist nicht nur Aufgabe staatlicher Gesetzgebung, sondern auch Gegenstand kirchlichen Auftrages. Dieser begründet sich aus der Verantwortung des christlichen Glaubens zur Bewahrung der Schöpfung und zur Wahrung der Lebensrechte aller Menschen der gegenwärtigen ebenso wie der künftigen Generationen. Deshalb tritt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) auf vielfältige Weise für Klimaschutz, globale Klimagerechtigkeit und Generationengerechtigkeit sowie Nachhaltigkeit ein.
Die Beschlüsse der Pariser Weltklimakonferenz und die Verabschiedung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen von 2015 sind eine wichtige Orientierungshilfe für das kirchliche Handeln. Dieser Rahmen beschreibt Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe, die den Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung umfasst.
Das Klimaschutzgesetz der EKHN leistet einen Beitrag für Klimaschutz und ist Vorlage für mehr Verbindlichkeit und mehr Ambitionen im Klimaschutzhandeln in der EKHN. Ein wichtiges Ziel dabei ist die Minderung der Treibhausgasemissionen zum Schutz des Klimas und die Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität in der EKHN.
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§ 1
Zweck, Anwendungsbereich

( 1 ) Zweck dieses Kirchengesetzes ist die Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität in der EKHN bis spätestens 2045, um dem weiteren Fortschreiten des Klimawandels entgegenzutreten.
( 2 ) Dabei sind insbesondere die ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie die ökonomischen Auswirkungen der zu ergreifenden Maßnahmen und Faktoren in ihren jeweiligen regionalen, nationalen und globalen Dimensionen zu berücksichtigen.
( 3 ) Dieses Kirchengesetz gilt für die EKHN, ihre Kirchengemeinden, Dekanate und Kirchlichen Verbände sowie für die sonstigen kirchlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen im Aufsichtsbereich der EKHN.
( 4 ) Den Einrichtungen, die der EKHN zugeordnet sind, wird empfohlen, entsprechende Regelungen auf der Grundlage dieses Kirchengesetzes zu treffen.
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§ 2
Begriffsbestimmungen

Es gelten die Begriffsbestimmungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) in der jeweils geltenden Fassung.
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§ 3
Klimaschutzziele

( 1 ) Die Treibhausgasemissionen werden so reduziert, dass mit Ende des Jahres 2045 Treibhausgasneutralität erreicht ist. Ausgehend vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2035 wird eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf zehn Prozent erreicht. Im Anschluss werden die Treibhausgasemissionen jährlich um ein Prozent des Vergleichswertes von 2024 reduziert.
( 2 ) Alle kirchlichen Stellen berücksichtigen bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Kirchengesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele.
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§ 4
Klimaschutzplan

( 1 ) Der Klimaschutzplan legt die Strategie zur Erreichung der Klimaschutzziele gemäß § 3 fest und bestimmt Zwischenziele insbesondere in den Bereichen Gebäude, Mobilität und Beschaffung.
( 2 ) Der Klimaschutzplan enthält Klimaschutzmaßnahmen zur Zielerreichung. Zu jeder Maßnahme werden folgende Angaben gemacht:
  1. Beschreibung der Maßnahme
  2. geplante Laufzeit
  3. prognostizierte Treibhausgasreduktion
  4. geplante Gesamtkosten der Maßnahme
  5. Personalbedarf
  6. Aufwand für die Kirchengemeinden, Dekanate und Kirchlichen Verbände
  7. einzustellende Mittel im Haushalt
  8. Wirkungs- und Kostenanalyse.
( 3 ) Der Klimaschutzplan wird von der Kirchenleitung aufgestellt und der Kirchensynode mit dem Haushalt vorgelegt. Der Klimaschutzplan ist Bestandteil des Haushalts der Gesamtkirche und wird von der Kirchensynode mit dem Haushalt beraten und beschlossen.
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§ 5
Gebäude

( 1 ) Zur Erreichung der Klimaschutzziele sind für die Gebäude, die im kirchlichen Eigentum stehen, besondere Maßnahmen zu ergreifen.
( 2 ) Für alle Gebäude werden nach dem Kirchengesetz zur Erstellung von Gebäudebedarfs- und -entwicklungsplänen kontinuierlich und turnusgemäß Pläne aufgestellt, die zur Folge haben, dass eine Verbesserung der kirchlichen Treibhausgasbilanz erzielt wird.
( 3 ) Technische Anlagen, die mit fossiler Energie betrieben werden, sind sukzessive, in erster Priorität bei einem technisch notwendigen Austausch so zu ersetzen oder umzurüsten, dass sie mit aus erneuerbaren Energien erzeugten Energieträgern betrieben werden können. Die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen erfolgt gemäß den jeweils aktuellen wissenschaftlich-technischen Erkenntnissen und unter Beachtung bautechnischer Voraussetzungen.
( 4 ) Unter Beachtung der baufachlichen, wirtschaftlichen und denkmalschutzrechtlichen Vorgaben sollen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (z. B. Photovoltaikanlagen) auf Gebäuden, die im kirchlichen Eigentum stehen, errichtet werden.
( 5 ) Insbesondere bei Neubauten ist eine umbau- und rückbaufreundliche Konstruktion, die auf die Wiederverwendung und Verwertung von Produkten und Materialien ausgelegt ist, zu berücksichtigen (kreislauffähige Konstruktion/zirkuläres Bauen).
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§ 6
Mobilität

( 1 ) Bei Dienstreisen ist grundsätzlich auf klimafreundliche Verkehrsmittel zurückzugreifen. Vorrangig sind das in der nachfolgenden Priorisierung:
  1. Fahrrad und Fußverkehr
  2. Öffentlicher Personenverkehr
  3. Mitfahrgelegenheiten
  4. treibhausgasneutral betriebene Dienstfahrzeuge
  5. Carsharing.
( 2 ) Auf Inlandsflüge und Kurzstreckenflüge unter 1.000 Kilometer ist bei Dienstreisen und Gruppenreisen grundsätzlich zu verzichten.
( 3 ) Dienstreisen dürfen nur angeordnet und genehmigt werden, wenn das Dienstgeschäft nicht ebenso auf andere Weise, insbesondere durch Einsatz digitaler Kommunikationsmittel, erledigt werden kann.
( 4 ) Vor der Neuanschaffung von Dienstfahrzeugen ist zu prüfen, ob stattdessen ein Carsharing-Anbieter genutzt werden kann. Bei der Neuanschaffung von Dienstfahrzeugen soll auf die Anschaffung von Fahrzeugen mit fossiler Verbrennungstechnik verzichtet werden.
( 5 ) Soweit sinnvoll sollte den Mitarbeitenden mobiles Arbeiten angeboten werden. Ferner sollte eine klimafreundliche Anreise zur jeweiligen Dienststelle gefördert werden.
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§ 7
Beschaffung

( 1 ) Vor einer Beschaffung ist zu prüfen, ob vorhandene Güter gemeinschaftlich genutzt, gemietet, gepachtet, geliehen oder repariert werden können.
( 2 ) Bei der Beschaffung ist auf Nachhaltigkeit zu achten. Dies bedeutet, insbesondere auf sozial-ökologische Gerechtigkeit, Klimafreundlichkeit und Generationengerechtigkeit der Produkte über den gesamten Lebenszyklus zu achten. Bei allen Materialien sind recycelte und ressourcenschonende Rohstoffe zu bevorzugen.
( 3 ) Bei der Beschaffung elektrischer Geräte sind darüber hinaus Energieeffizienz und Langlebigkeit zu berücksichtigen.
( 4 ) Bei der digitalen Infrastruktur ist auf Energie- und Ressourceneffizienz zu achten.
( 5 ) Es sind klimaschonende Lebensmittel einzusetzen. Sie sollen folgenden Kriterien entsprechen:
- nachhaltig hergestellt
- biozertifiziert
- fair
- regional
- saisonal
- das Tierwohl angemessen berücksichtigend.
Der Anteil an Verpflegungsangeboten mit ausschließlich pflanzlichen Produkten ist stufenweise zu erhöhen.
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§ 8
Bildung und Kommunikation

( 1 ) Die EKHN verpflichtet sich zu den Zielen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) der Deutschen UNESCO-Kommission.
( 2 ) Die Themen Schöpfungsverantwortung und Klimagerechtigkeit werden regelmäßig auch in Gottesdiensten, anderen spirituellen Angeboten sowie Religions- und Konfirmationsunterricht thematisiert.
( 3 ) Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung schließt Gewissensbildung, spirituelle Bildung und Einübung konkreter Praxen und kollektiven Handelns ein.
( 4 ) Schöpfungstheologie und Schöpfungsspiritualität werden regelmäßig in der Aus- und Fortbildung von haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden thematisiert.
( 5 ) Schöpfungsverantwortung und Klimagerechtigkeit sind als fester Bestandteil in das Kommunikationskonzept der EKHN aufzunehmen.
( 6 ) Die Gesamtkirche unterstützt die kirchlichen Körperschaften durch fachliche Beratung bei der Konzeption und Umsetzung von entsprechenden Kommunikations- und Bildungsangeboten sowie bei der Etablierung von verhaltensbezogenen Maßnahmen. Unterstützendes Material auch für die Nachbarschaftsräume und Kirchengemeinden wird angeboten.
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§ 9
Datenerhebung, Monitoring und Bilanzierung

( 1 ) Klimaschutzrelevante Daten zu Gebäuden, Mobilität, Beschaffung und Energieerzeugung werden unter Berücksichtigung ihrer Verfügbarkeit alle zwei Jahre erhoben. Daten und Werte werden mit dem konkreten Datum ihrer Entstehung erfasst. Die Kirchenleitung regelt durch Rechtsverordnung das Verfahren und den Umfang der zu erhebenden Daten.
( 2 ) Die Gesamtkirche stellt für die Erfassung und Auswertung der klimaschutzrelevanten Daten das erforderliche Erfassungs- und Auswertungssystem zur Verfügung. Die Pflege der zentralen Datenbank ist Aufgabe der Gesamtkirche.
( 3 ) Die Gesamtkirche legt jeder kirchlichen Körperschaft die Auswertungen ihrer klimaschutzrelevanten Daten offen.
( 4 ) Eine alle zwei Jahre durchgeführte Treibhausgasbilanz der EKHN gibt einen Überblick über die Verteilung der Energieverbräuche und Treibhausgasemissionen nach Sektoren und Energieträgern in den kirchlichen Körperschaften. Die Ermittlung der Treibhausgasbilanz orientiert sich grundsätzlich an den Vorgaben der EKD.
( 5 ) Die Kirchenleitung legt der Kirchensynode alle vier Jahre einen Klimaschutzbericht zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der EKHN vor. Darin ist auch ein Bericht zum Umsetzungsstand der Maßnahmen des Klimaschutzplans enthalten.
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§ 10
Verantwortung und Unterstützung der Kirchengemeinden,
Dekanate und Kirchlichen Verbände

( 1 ) Verantwortlich für die Erreichung der Klimaschutzziele sind die Kirchengemeinden, Dekanate und kirchlichen Verbände in deren Zuständigkeitsbereich die jeweiligen Treibhausgasemissionen anfallen.
( 2 ) Die Kirchengemeinden, Dekanate und Kirchlichen Verbände wirken darauf hin, dass die Treibhausgasemissionen entsprechend der Zielsetzung in § 3 Absatz 1 reduziert werden.
( 3 ) Übergeordnete und unterstützende Aufgaben der Gesamtkirche werden im Klimaschutzplan geregelt.
( 4 ) Die Kirchenverwaltung, die gesamtkirchlichen Zentren und die Regionalverwaltungen beraten und unterstützen die Kirchengemeinden, Dekanate und Kirchlichen Verbände bei der Umsetzung der Ziele dieses Kirchengesetzes.
( 5 ) Zur Unterstützung und Beratung der Kirchengemeinden, Dekanate und Kirchlichen Verbände stellt die Gesamtkirche personelle und finanzielle Ressourcen bereit.
( 6 ) Die Empfänger von Zuschüssen und Fördermitteln außerhalb der verfassten Kirchen sind zu verpflichten, Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele der EKHN zu ergreifen.
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§ 11
Finanzierung und Vermögensanlagen

( 1 ) Die Förderung und die Umsetzung von Maßnahmen des Klimaschutzes erfolgen im Rahmen des Haushalts. Öffentliche Fördermittel sind zu berücksichtigen.
( 2 ) Bei Vermögensanlagen sind die Klimawirkungen der Geldanlagen als notwendiger Bestandteil einer ethisch-nachhaltigen Geldanlage zu berücksichtigen.
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§ 12
Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen

Die Kirchenleitung wird ermächtigt, zur Ausführung dieses Kirchengesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen, die der Zustimmung des Kirchensynodalvorstandes bedürfen.
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§ 13
Inkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Januar 2025 in Kraft.