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Geltungszeitraum von: 01.05.2010

Geltungszeitraum bis: 31.12.2012

Kirchengesetz betreffend die Vorbildung und Anstellungsfähigkeit der Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (Vorbildungsgesetz – VorbG)

Vom 7. Dezember 1967

(ABl. 1968 S. 42) zuletzt geändert am 20. Februar 2010 (ABl. 2010 S. 118)

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I. Einleitende Bestimmungen

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§ 1

( 1 ) Anstellungsfähig als Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ist jeder Angehörige der Evangelischen Kirche in Deutschland bzw. einer ihrer Gliedkirchen. Er muss mindestens 25 Jahre alt, sittlich unbescholten, geistig gesund und frei von solchen körperlichen Gebrechen sein, welche die Ausübung des Pfarrdienstes hindern. Er muss die Befähigung zum Pfarrdienst nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nachgewiesen haben.
( 2 ) Von dem Erfordernis des Absatzes 1 Satz 1 kann die Kirchenleitung befreien.
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§ 2

( 1 ) Die Befähigung zum Pfarrdienst wird durch Ablegung von zwei theologischen Prüfungen nachgewiesen.
( 2 ) Die Prüfungsordnungen1# werden durch Ausführungsbestimmungen zu diesem Kirchengesetz von der Kirchenleitung in Fühlung mit dem Prüfungsamt erlassen.
( 3 ) Zur Abhaltung der Prüfungen wird ein Prüfungsamt gebildet.
Diesem gehören an:
  1. der Kirchenpräsident als Vorsitzender und sein Stellvertreter,
  2. der zuständige Referatsleiter der Kirchenverwaltung,
  3. eine ausreichende Anzahl von Hochschullehrern, die für ihre Person von der Kirchenleitung berufen werden; davon müssen mindestens fünf Universitätsprofessoren sein, die den Disziplinen entsprechend ausgewählt sind,
  4. die Professoren der Theologischen Seminare,
  5. die Pröpstinnen und Pröpste,
  6. religionspädagogische Studienleiter und Studienleiter des Seminars für Seelsorge, die jeweils von der Kirchenleitung berufen werden,
  7. eine ausreichende Zahl von Pfarrern, die von der Kirchenleitung berufen werden,
  8. der Leiter der Kirchenverwaltung, sofern er Kirchenjurist ist, und weitere Kirchenjuristen, die von der Kirchenleitung berufen werden.
Aus dem Prüfungsamt werden jeweils die Kommissionen für die Erste und Zweite Theologische Prüfung durch die Kirchenleitung gebildet. Bei der Ersten Theologischen Prüfung müssen mindestens die Hälfte der Prüfenden Universitätsprofessoren sein. Den Vorsitz bei den Prüfungen führt der Kirchenpräsident.
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II. Wissenschaftliche Vorbildung

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§ 3

( 1 ) Der Ersten Theologischen Prüfung muss ein ordnungsgemäßes Studium der evangelischen Theologie von in der Regel neun Semestern nach Ablegung der Reifeprüfung (sprachenfreie Semester) vorausgehen. Die Studierenden können nur zur Prüfung zugelassen werden, wenn sie den Nachweis der erforderlichen Prüfung im Griechischen, Lateinischen und Hebräischen erbringen.
( 2 ) Von den sechs sprachenfreien Semestern (Abs. 1) sind mindestens vier an theologischen Fakultäten deutscher Universitäten zu verbringen. Die Studierenden sollen die Ausbildungsstätte möglichst einmal wechseln. Das Studium an deutschsprachigen Universitäten des Auslandes (Basel, Bern, Wien und Zürich) wird wie ein Studium an deutschen Universitäten gerechnet. Die Kirchenleitung kann Studiensemester an nicht deutschsprachigen theologischen Fakultäten anerkennen; dabei sind die Sprachkenntnisse des Studierenden und das Studiensystem der jeweiligen theologischen Fakultät zu berücksichtigen.
( 3 ) Über die in Absatz 2 genannten Pflichtsemester hinaus können weitere Semester an einer von der EKD anerkannten Kirchlichen Hochschule studiert werden.
( 4 ) Zur Ersten Theologischen Prüfung können im allgemeinen nur Studierende zugelassen werden, die in der Liste der Theologiestudenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau geführt werden. Das Nähere regelt die von der Kirchenleitung zu erlassende Studentenordnung2#.
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§ 4

( 1 ) Die Meldung zur Ersten Theologischen Prüfung ergeht an die Kirchenverwaltung.
( 2 ) Über die Zulassung zur Prüfung entscheidet die Kirchenverwaltung.
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§ 5

( 1 ) In der Ersten Theologischen Prüfung soll der Studierende den Nachweis erbringen, dass er in seinem Studium die für den Pfarrdienst erforderlichen wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat und in der Lage ist, die Aufgaben, die im Dienst der Kirche auf ihn zukommen, zu erfassen und zu durchdenken.
( 2 ) Hat der Kandidat bestanden, so entscheidet die Kirchenleitung darüber, ob er in die Liste der Pfarramtskandidaten eingetragen wird. Diese Eintragung ist die Voraussetzung für die Zulassung des Kandidaten zur weiteren praktischen Vorbildung. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Eintragung. Ein Kandidat, der das 30. Lebensjahr vollendet hat, wird nicht mehr in die Liste der Pfarramtskandidaten eingetragen. Die Kirchenleitung kann in begründeten Fällen Ausnahmen zulassen.
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III. Praktische Vorbildung

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§ 63#

( 1 ) Die Aufnahme der Pfarramtskandidaten in den praktischen Vorbereitungsdienst erfolgt im Rahmen der von der Kirchenleitung festgesetzten Zahl der Ausbildungsplätze. Sie setzt die erfolgreiche Teilnahme an einer Potenzialanalyse und das Erste Theologische Examen voraus.
( 2 ) Die an der zweiten Ausbildungsphase interessierten Theologiestudierenden bewerben sich bei der Kirchenverwaltung für die Potenzialanalyse.
( 3 ) Im Rahmen der Potenzialanalyse wird die persönliche Eignung der Kandidaten nach den folgenden Kriterien festgestellt und bewertet:
  1. Fähigkeit zur verantwortlichen Leitungstätigkeit,
  2. Teamfähigkeit,
  3. Fähigkeit zur glaubwürdigen Vertretung des eigenen Zeugnisses des christlichen Glaubens,
  4. Sprach-, Argumentations- und Dialogfähigkeit,
  5. Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit,
  6. Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Person.
( 4 ) Die Kandidaten erhalten nach Abschluss der Potenzialanalyse eine detaillierte Rückmeldung zu ihren Stärken und Schwächen sowie Empfehlungen für ihren weiteren Entwicklungs- und Ausbildungsprozess. Zu Beginn des praktischen Vorbereitungsdienstes händigen die Kandidaten dieses Gutachten dem Lehrpfarrer und dem Theologischen Seminar aus.
( 5 ) Begründet die Potenzialanalyse, dass der Kandidat für den Pfarrdienst zum Zeitpunkt der Entscheidung ungeeignet erscheint, wird er nicht zum Vikariat zugelassen. Die Wiederholung der Potenzialanalyse ist einmal möglich.
( 6 ) Näheres zum Verfahren der Potenzialanalyse regelt die Kirchenleitung durch Rechtsverordnung4#, die der Zustimmung des Kirchensynodalvorstandes bedarf.
( 7 ) Die praktische Vorbildung erfolgt unter der Leitung eines Theologischen Seminars.
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§ 7

Kandidaten, die die Erste Theologische Prüfung vor einer anderen deutschen Prüfungsbehörde abgelegt haben, können in besonders begründeten Fällen in die praktische Vorbereitung aufgenommen werden.
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§ 8

( 1 ) Die Zeit der praktischen Vorbereitung soll einschließlich der Zweiten Theologischen Prüfung und des Praktikums nach der Zweiten Prüfung mindestens zwei Jahre dauern.
( 2 ) Die Meldung zur Zweiten Theologischen Prüfung darf nicht später als vier Jahre nach Abschluss der Ersten Prüfung erfolgen.
( 3 ) Über die Zulassung zur Zweiten Theologischen Prüfung entscheidet die Kirchenleitung.
( 4 ) Die Kirchenleitung kann die Fristen nach Absatz 1 und 2 in besonders begründeten Fällen verkürzen bzw. verlängern.
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§ 9

( 1 ) In der Zweiten Theologischen Prüfung soll der Kandidat den Nachweis erbringen, dass er die für den Pfarrdienst erforderlichen praktisch-theologischen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat.
( 2 ) Ist innerhalb von fünf Jahren seit der Zweiten Theologischen Prüfung kein Dienstverhältnis als Pfarrer begründet worden, so kann die Kirchenleitung das Fortbestehen der Anstellungsfähigkeit von einem Kolloquium abhängig machen, durch das die weitere Eignung für den pfarramtlichen Dienst festgestellt wird.
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§ 10

Pfarramtskandidaten, die ihre praktische Vorbereitung in einer anderen evangelischen Kirche erhalten haben, können von der Kirchenleitung zur Zweiten Theologischen Prüfung zugelassen werden.
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§ 11

(aufgehoben)
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§ 12

Die Aufsicht über die Kandidaten erfolgt nach einer von der Kirchenleitung zu erlassenden Kandidatenordnung5#, der die Pfarramtskandidaten bis zu ihrer Ordination unterstehen.
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IV. Anstellungsfähigkeit in besonderen Fällen

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§ 13

Einem Pfarrer im Auslandsdienst, der nicht die Anstellungsfähigkeit bereits nach § 1 besitzt, kann die Anstellungsfähigkeit zuerkannt werden, wenn er
  1. in einer von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau anerkannten Ausbildungsstätte eine abgeschlossene Ausbildung für den Pfarrdienst im Ausland erhalten hat,
  2. zu dem Dienst im Ausland entweder von der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer ihrer Gliedkirchen ausgesandt worden ist,
  3. eine zweite theologische Prüfung abgelegt hat,
  4. die vorgeschriebene Zeit im Auslandsdienst tätig gewesen ist.
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§ 14

Einem ordinierten Missionar, der nicht die Anstellungsfähigkeit bereits nach § 1 besitzt, kann die Anstellungsfähigkeit zuerkannt werden, wenn er
  1. in einer von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau anerkannten Ausbildungsstätte eine abgeschlossene Ausbildung für den Missionsdienst erhalten hat,
  2. eine zweite theologische Prüfung abgelegt hat,
  3. die vorgeschriebene Zeit im Missionsdienst tätig gewesen ist.
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§ 15

Einem Pfarrer im kirchlichen Hilfsdienst kann im besonderen Falle die Anstellungsfähigkeit zuerkannt werden6#. Voraussetzungen sind ferner, dass er
  1. ein der zweiten theologischen Prüfung entsprechendes Examen abgelegt hat,
  2. mindestens sieben Jahre im kirchlichen Hilfsdienst tätig gewesen ist.
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§ 16

Einem Pfarrer einer anderen christlichen Kirche kann die Anstellungsfähigkeit zuerkannt werden, wenn
  1. er eine theologische Vorbildung hat, die der Vorbildung eines Pfarrers der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im wesentlichen entspricht,
  2. der in § 18 genannte Übernahmeausschuss zugestimmt hat.
Bei einem Pfarrer aus einer Kirche reformatorischen Bekenntnisses kann von der Bestimmung unter b) abgesehen werden.
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§ 17

Einem Gemeindeglied aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau oder aus einer anderen Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland kann die Anstellungsfähigkeit zuerkannt werden, wenn
  1. es sich im Beruf bewährt hat,
  2. es für den pfarramtlichen Dienst besonders geeignet ist,
  3. der in § 18 genannte Übernahmeausschuss zugestimmt hat.
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§ 18

( 1 ) Der Übernahmeausschuss besteht aus dem Kirchenpräsidenten oder seinem Stellvertreter als Vorsitzenden, einem ordentlichen öffentlichen Professor der Theologie, einem Professor eines Theologischen Seminars, dem Vorsitzenden des Pfarrerausschusses und einem Mitglied der Kirchensynode. Die Professoren, die dem Prüfungsamt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau angehören müssen, und das Mitglied der Kirchensynode werden von der Kirchenleitung unter Berücksichtigung des Einzelfalles bestimmt. Referenten der Kirchenverwaltung können beratend zugezogen werden.
( 2 ) Der Übernahmeausschuss ist verpflichtet, den Vorgeschlagenen persönlich zu hören.
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V. Schluss- und Übergangsbestimmungen

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§ 19

( 1 ) Alle diesem Kirchengesetz entgegenstehenden Bestimmungen der ehemaligen Evangelischen Landeskirche in Hessen, der ehemaligen Evangelischen Landeskirche in Nassau und der ehemaligen Evangelischen Landeskirche Frankfurt a.M. werden hierdurch aufgehoben.
( 2 ) Dieses Kirchengesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

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2 ↑ Nr. 440.
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3 ↑ § 6 findet erstmals für die Kandidaten Anwendung, die sich zum 15. April 2003 für das Erste Theologische Examen angemeldet haben (ABl. 2003 S. 93, 94).
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5 ↑ Nr. 470.
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6 ↑ Siehe Nr. 464.